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Dermatologie

Leitlinien-Update

Neues zu Aktinischer Keratose und Plattenepithelkarzinom

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

8.2.2023

Im Januar 2023 erschien die Aktualisierung der S3-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie aktinischer Keratosen und Plattenepithelkarzinome der Haut, in der nun auch die Cheilitis actinica und das Platten­epithelkarzinom in situ (Morbus Bowen) abgebildet sind.

 Bei der Therapie der aktinischen Keratose (AK) werden neben der Aktualisierung der bekannten Therapeutika auch neue Wirkstoffe abgehandelt. Neben einer Kann-Empfehlung für lokale Kalium­hydroxid-5 %-Lösung (Empfehlungsgrad 0, Evidenz­level 3) findet sich neu die Empfehlung für 5-Fluorou­racil(5-FU)-4 %-Creme bei einzelnen und multiplen AK sowie Feldkanzerisierung (B, 2). Das seit September 2020 verfügbare 5-FU in niedrigerer Konzentration zeigt bei einmal täglicher Anwendung eine vergleichbare Wirksamkeit wie 5-FU 5 % – bei besserer lokaler Verträglichkeit. So lag in einer multizentrischen, doppelblinden Vehikel-kontrollierten Studie mit 841 Patienten die patientenbezogene komplette Abheilungsrate nach vier Wochen Behandlung mit einmal täglich 5-FU 4 % bei 54,4 % und unter zweimal täglich 5-FU 5 % bei 57,9 %. Therapiebedingte Abbrüche traten unter 4 % 5-FU bei 10,1 %, unter 5 % 5-FU bei 14,9 % auf.

Ebenfalls neu in die Leitlinie aufgenommen, ist die Empfehlung für eine Behandlung mit Tirbanibulin 1 % Salbe bei einzelnen oder multiplen AK sowie Feldkanzerisierung (B, 2). Als erster klinischer Inhibitor der Mikrotubuli-Polymerisation wirkt Tirbanibulin deutlich spezifischer und in geringeren Konzentrationen als die bisherigen Multikinase-Inhibitoren, wodurch sich ein günstigeres Nebenwirkungsprofil ergibt.

In den zwei zusammenfassenden Balance Sheets – zu den ablativen und physikalischen Verfahren sowie zu medikamentösen Interventionen – wurden auch Angaben zur Lokalisation der AK und der maximalen Anwendungsfläche der Wirkstoffe gemacht, die dem Praktiker eine gute Grundlage für die Entscheidungsfindung im Alltag bieten.


Cheilitis actinica

Ein ähnliches Balance Sheet wird auch für die Therapie der Cheilitis actinica präsentiert, die ganz neu in die Leitlinie aufgenommen wurde. Hier werden ablative (Chirurgie, Laser) und arzneimittelgestützte Verfahren (topisch-medikamentös, photodynamische Therapie) aufgeführt und evidenzgestützte Empfehlungen ausgesprochen. So soll bei flächigem Befall eine operative Entfernung (mittels Vermilionektomie bzw. Lip-Shave) angeboten werden (A, 1), alternativ ist auch ein ablatives Laserverfahren (CO2, Er:YAG) möglich (0, 1). Für nicht ablative ­Laserbehandlung und Kryotherapie wird mangels Daten keine Empfehlung ausgesprochen (EK), ebenso nicht für ein chemisches Peeling, dessen Nutzen nicht nachgewiesen ist (EK). Zur topischen Therapie wird lediglich für Diclofenac-Natrium 3 % Gel eine Kann-Empfehlung ausgesprochen (0, 2), nicht jedoch für 5-FU und Imiquimod. Eine klare Empfehlung gibt es für die photodynamische Therapie mit Rotlicht und 5-Aminolävulinsäure (ALA) oder Methylester (MAL) (B, 1), ebenso für MAL in Kombination mit natürlichem/simuliertem Tageslicht (MAL-dlPDT) (B, 3).

Morbus Bowen

Ebenfalls neu in der Leitlinie zu finden, ist nun der Morbus Bowen. Grundlage der evidenzbasierten Empfehlungen stellt der Cochrane Review aus dem Jahr 2012 dar, die Literatur wurde aktualisiert. Es werden Empfehlungen zur operativen Entfernung (EK), zur Behandlung mittels Kryotherapie (EK) und zu ablativen Laserverfahren (0, 2) gegeben. Topisch soll 5-FU 5 % (B, 2) angeboten werden, off-label kann bei Immunkompetenten auch Imiquimod 5 % Creme zum Einsatz kommen (0, 2). Empfohlen wird auch eine photodynamische Therapie mit Rotlicht (2 Zyklen in 4 Wochen) (B, 1), ggf. nach Vortherapie mit fraktioniertem Laser oder Microneedling (0, 2).

Invasives Plattenepithelkarzinom

Für die Therapie des invasiven Plattenepithelkarzinoms (PEK) wird ein Algorithmus zum chirurgischen Vorgehen beim Primärtumor präsentiert, wobei die Wichtigkeit einer schnittrandkontrollierten Aufarbeitung – insbesondere von Risikotumoren – betont wird. Weiter werden Angaben zur Wahl der Sicherheitsabstände, der histologischen Schnittrandkontrollen und zur Nachexzision gemacht. Hierbei erfolgte jeweils eine Unterteilung in klinische Risikofaktoren (Lokalisation an Ohr, Lippe, Schläfe, Rezidiv, Tumordurchmesser > 2 cm, Immunsuppression, keine Verschieblichkeit vom Untergrund) und in histologische (Eindringtiefe > 6 mm, Desmoplasie, perineurale Invasion, Überschreiten der Subkutis, schlechte Differenzierung [G3, G4]). Nach diesen Risikofaktoren richten sich auch die Empfehlungen für Ausbrei­tungs­diagnostik und Nachsorge der PEK.

Weiter erfolgte eine separate Darstellung der Empfehlungen zur adjuvanten und postoperativen Bestrahlung. Eine Kombination aus adjuvanter Radiotherapie und Systemtherapie wird mangels Daten nicht empfohlen (-, 2), bei Metastasierung oder lokal fortgeschrittener Erkrankung ohne ausreichende chirurgische/strahlentherapeutische Kontrolle soll die Indikation zur Systemtherapie mit einem dafür zugelassenen PD-1-Inhibitor interdisziplinär geprüft werden (EK). Bei Progress oder PD-1-Blockade können EGFR-gerichtete oder Chemotherapie angeboten werden (EK).

Auch das Nachsorgeschema bei PEK wurde verändert und detaillierter in Form einer Tabelle dargestellt, in der die Untersuchungsmodalitäten sowie die Zeitintervalle Eingang gefunden haben.

Expertenstatement

PD Dr. med. Markus Heppt
M. Sc., MHBA, FEBDV

Geschäftsführender Oberarzt Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen

markus.heppt@uk-erlangen.de

Durch die Abhandlung der neuen und wichtigen Themen­komplexe Cheilitis actinica und Morbus Bowen ist die Leitlinie insgesamt breiter geworden. Aber sie ist aus praktischen Gesichtspunkten auch besser geworden. Denn mit dem Algorithmus zum chirurgischen Vorgehen beim primären invasiven Plattenepithelkarzinom und der zusammenfassenden Darstellung der Therapiemöglichkeiten bei aktinischen Keratosen und Cheilitis actinica in Form von Balance Sheets ist den praktisch tätigen Ärzten eine relativ konkrete Entscheidungshilfe an die Hand gegeben worden, die evidenzbasiert ist und von verschiedenen Fachgesellschaften aus verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven überprüft und konsentiert wurde.

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF), S3-Leitlinie „Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“, 2022; AWMF-Reg.-Nr: 032/022OL

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