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Dermatologie

Kutanes Plattenepithelkarzinom

Aggressive Spinaliome besonders bei Immunsupprimierten

Dr. med. Bianca Bach

6.11.2023

Die Inzidenz kutaner Plattenepithelkarzinome nimmt weltweit zu. In den USA übersteigt die Mortalität bereits die des malignen Melanoms. Bei fortgeschrittenen Tumoren haben Immuncheckpoint-Inhibitoren die Optionen sehr verbessert. Für Hochrisiko-Patienten, etwa Organtransplantierte, besteht weiter Bedarf an gezielten Therapien.

Hautkrebs ist die weltweit häufigste Krebsdia­gnose. Das kutane Plattenepithelkarzinom, nach dem Basaliom der zweithäufigste Nicht-Melanom-Hautkrebs, macht rund 20 % aus. Männer erkranken etwa 3-mal so häufig wie Frauen. Die Charakteristika und das Management der Erkrankung beschreibt US-Professorin Dr. Ashley Wysong, Dermatologin am University of Nebraska Medical Center, in einer aktuellen Übersichtsarbeit [1].

Demnach kommen die typischerweise schuppenden, erythematösen oder blutenden Hautläsionen überall vor, meist an sonnenexponierter Haut, bei Menschen nicht weißer Hautfarbe auch an Handflächen und Fußsohlen, chronisch-entzündeten oder vernarbten Hautarealen, Nägeln oder anogenital.

Mit einer Mortalität von 1,5–3,4 % ist die Prognose insgesamt gut. Doch Inzidenz und Krankheitslast nehmen zu. Immer mehr Menschen haben Risikofaktoren. Der wichtigste ist die kumulative UV-A- und -B-Exposition, die das Erbgut schädigt und nicht nur von der Sonne stammt: Wer ins Solarium geht, und sei es nur einmal, erhöht sein Spinaliom-Risiko um 67 % [2].

Nicht nur der Phänotyp zählt

Über 75-Jährige erkranken 5- bis 10-mal so oft wie Menschen unter 55. Und die Älteren werden mehr. Immer häufiger findet man Spinaliome aber auch nach Organtransplantation, bei HIV-Infektion, chronischer lymphatischer Leukämie oder unter Langzeittherapie mit Immunsuppressiva. Immunsupprimierte haben ein bis 250-fach erhöhtes Risiko. Sie neigen zu multiplen und aggressiveren Tumoren, bekommen häufiger Lokalrezidive und Metastasen [1].

Die Gene zählen nicht nur im Hinblick auf prädestinierende Phänotypen, wie helle Haut, helle Augen, blondes oder rotes Haar. Eine Familienanamnese für kutane Plattenepithelkarzinome und bestimmte Erbkrankheiten wie Epidermolysis bullosa oder Albinismus erhöhen das Risiko ebenfalls.

Hinzukommen lokale Faktoren wie chronische Hautentzündungen, etwa bei Verbrennungsnarben oder Geschwüren, HPV-Infektionen (v. a. bei periungualen und ano­genitalen PEK), Rauchen, Schilddrüsenunterfunktion und Medikamente wie Voriconazol, Hydrochlorothiazid, BRAF-Inhibitoren oder Tumornekrosefaktor-alpha-Inhibitoren.

Staging und Risikostratifizierung immer differenzierter

Das hinsichtlich Spezifität, positivem Vorhersagewert und Übereinstimmungsindex laut Wysong am besten geeignete Staging-System des Brigham and Women‘s Hospital (BWH) definiert 4 Hochrisiko-Faktoren:

∙ Tumordurchmesser ≥ 2 cm,
∙ histologisch schlecht differenzierter Tumor,
∙ perineurale Invasion ≥ 0,1 mm,
∙ Tumorinvasion über das subkutane Fettgewebe hinaus.

Die kumulative 10-Jahres-Inzidenz von Lymphknotenmetastasen beträgt bei einem Risikofaktor (Stadium T2a) 5 %, bei 2–3 (T2b) 24 % und bei ≥ 4 Risikofaktoren (T3) 62 % [3]. T2b-Tumoren sind für rund drei Viertel der Lymphknotenmetastasen und Todesfälle verantwortlich.

Kutane Plattenepithelkarzinome weisen viele ­Genmutationen auf. Sie nachzuweisen, erhöht die pro­gnostische Vorhersagekraft gegenüber dem ­tra­ditionellen Staging deutlich. Ebenfalls noch nicht in Staging-Systemen berücksichtigte Risiken stellen Rezidive, Lymphgefäßinvasion und ≥ 2 cm vom Primärtumor entfernte In-Transit-Metastasen in Haut- oder Subkutangewebe des gleichen Lymphabflussgebiets dar. Als prognostisch wichtigster ­Risikofaktor erhöht die Invasion von Lymphgefäßen das Metastasierungsrisiko 25-fach (Abb. 1) [1].

Künftig dürfte sich die Behandlung immer mehr am individuellen, durch Patienten-Spezifika und Tumorbiologie charakterisierten Risiko ausrichten (Abb. 2).

Subklinische Lymphknotenmetastasen

Hinsichtlich der Bildgebung mangelt es noch an evidenzbasierten Empfehlungen. Eine Ausgangsuntersuchung kann indiziert sein, um die Tumorausdehnung und etwaige Metastasen zu erfassen. Lymphknoten (LK) sind zumindest klinisch zu untersuchen, gerade bei Hochrisiko-Patienten. Ab Stadium T2b rät ­Wysong zur Bildgebung lokoregionärer LK – denn in fast zwei Dritteln ist mit abnormen Befunden zu rechnen. LK-Biopsien sind zumindest ab 2 Risiko­faktoren zu erwägen. Bis zu 30 % der Patienten in Kollektiven mit T2b-Tumoren hatten subklinische ­LK-Metastasen [4]. Bei regionären LK-Metastasen starben in einer Untersuchung in 5 Jahren 35 % der Patienten, bei Fernmetastasen 83 % [5].

Bei niedrigem Rezidiv- und Metastasierungsrisiko ist die chirurgische Exzision Therapie der Wahl. Die meisten lokalisierten Niedrig-Risiko-Tumoren könnten ambulant unter örtlicher Betäubung zerstört oder operativ entfernt werden. Kürettage und Elektrodessikation heilen kleine Niedrigrisiko-Läsionen in bis zu 95 %. Operativ werden bei einem Sicherheitsabstand von 4–6 mm Heilungsraten von 90–98 % erzielt. Lokalisierte Hochrisiko-Spinaliome erfordern mit 6–10 mm mehr Sicherheitsabstand. Empfohlen wird hier die mikrografische Resektion nach Moh mit tiefer Beurteilung der Wundränder [1].

Bei Tumor-positiven Wundrändern, ausgedehnter perineuraler Ausbreitung oder Nervenbeteiligung (Nerven mit eigenem Namen oder ≥ 1 mm Durchmesser) ist eine adjuvante Therapie zu diskutieren, beispielsweise eine lokale Bestrahlung. Sie ergibt auch Sinn, wenn eine OP nicht infrage kommt [1].

Auf einen einzelnen Lymphknoten mit ≤ 3 cm Durchmesser begrenzte Lymphknotenmetastasen können chirurgisch behandelt werden. Bei größeren mit extra­kapsulärem Wachstum, nicht komplett resezierten und multiplen Lymphknotenmetastasen ist die Bestrahlung Standard. Adjuvante Bestrahlungen verlängern das krankheitsfreie und das Gesamtüberleben [1].

Systemische Behandlung: Chemotherapie, Immuntherapie und gezielte Therapien

Systemische Therapien werden empfohlen, wenn ­weder kurative Behandlung noch Bestrahlung ­möglich sind. Bei nicht resezierbaren Lokalrezi­diven, neuen regionalen Läsionen oder Fernmetastasen werden Chemotherapie (Cisplatin + Carbo­platin ± Paclitaxel) oder zielgerichtete Therapien wie der gegen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor ­gerichtete Anti­körper Cetuximab empfohlen – mitunter mit Bestrahlungen kombiniert. In der systemischen Mono­therapie werden Immun­check­point-Inhibitoren (ICI) bevorzugt. Programmed-cell-death-1(PD-1)-Inhibitoren wie ­Cemiplimab und Pembrolizumab erzielten in ­verschiedenen Phase-II-Studien Ansprechraten von 34–52 % bei nicht resektablen Stadium-Ia-­Tumoren und metastasierender Erkrankung, vor allem bei ­hoher Mutationslast. Häufige Nebenwirkungen ­waren ­Fatigue, Durchfälle, Übelkeit, Verstopfung und ­Ausschläge. Grad-III-Toxizität wurde bei 6–51 % der Behandelten beobachtet. Die problematischeren Nebenwirkungen sind oft autoimmune, z. B. eine ­Thyreoiditis [1].

Umstritten sind PD-1-Inhibitoren bei Patienten mit Blutkrebs oder nach Organtransplantation. Erstere sprechen nicht so gut an, Letztere haben bei lokal fortgeschrittenen Tumoren Ansprechraten von ­51–75 %, riskieren aber ein Transplantatversagen. Nach Nierentransplantation zum Beispiel kann das fast jeden Zweiten betreffen. Dies ist ausführlich mit den Patienten zu besprechen [1]. Des Weiteren ­laufen derzeit Studien zu neoadjuvanten und ­adjuvanten, auch direkt in den Tumor eingebrachten Immuntherapien, intraläsional verabreichten onkolytischen Viren und neuen zielgerichteten Hemmstoffen.

Nachsorge: Monatliche Selbstuntersuchung

Zu Rezidiven kommt es in 70–80 % der Fälle in den ersten 2 Jahren. Neben der monatlichen Selbstuntersuchung wird die ärztliche Ganzkörperuntersuchung der Haut in den ersten beiden Jahren bei niedrigem Risiko alle 3–12 und bei (sehr) hohem und sehr ­hohem Risiko alle 3–6 Monate empfohlen. Danach sind Niedrig- und Hochrisiko-Patienten für 3 Jahre alle 6–12 Monate und dann jährlich zu untersuchen. Solche mit sehr hohem Risiko brauchen für 3 Jahre ein halbjährliches Follow-up, danach alle 6–12 ­Monate. Bei hohem und sehr hohem Risiko gehört immer das Erheben des Lymphknotenstatus dazu. Die Einhaltung eines zuverlässigen UV-Schutzes gilt als selbstverständliche Präventionsmaßnahme. Zur Sekundärprävention kommen befund- und risikoabhängig z. B. topisches Fluorouracil, Imiquimod, PDT sowie oral verabreichtes Nicotinamid, Retinoide oder Capecitabin zum Einsatz [1].

Fazit

Die Möglichkeiten des Stagings und der Risiko­stratifizierung beim kutanen Plattenepithel­karzinom werden immer differenzierter, auch der Nachweis von Genmutationen trägt zur Erhöhung der prognostischen Vorhersagekraft bei. Bei fortgeschrittenen Tumoren haben besonders die Immuncheckpoint-Inhibitoren das Überleben der Betroffenen verbessert.

1 Wysong A, N Engl J Med 2023; 388: 2262–73
2 Wehner MR et al., BMJ 2012; 345: e5909
3 Ruiz ES et al., JAMA Dermatol 2019; 155: 819–2
4 Fox M et al., J Am Acad Dermatol 2019; 81: 548–57
5 Brunner M et al., Head Neck 2013; 35: 72–5

Bildnachweis: inbevel, bestbrk, ttsz (gettyimages)

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