Die Inzidenz der Gonorrhö steigt – aber auch die Resistenzen gegen die bewährten Antibiotika nehmen zu. Nach 30 Jahren sind erstmals zwei neue Antibiotika gegen den Tripper entwickelt worden, die Anlass zur Hoffnung geben, dass an Gonorrhö Erkrankte auch in Zukunft therapiert werden können.
Wie in den vergangenen Jahren immer wieder berichtet, haben sexuell übertragbare Infektionen (STI) in Europa drastisch zugenommen – allen voran die Gonorrhö (GO), auch bekannt als Tripper. Nach Angaben des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) stieg von 2021 auf 2022 die Zahl der Gonorrhö-Fälle um 48 %, die der Syphilis-Infektionen um 34 % und die Chlamydien-Nachweise um 16 % [1].
Weltweit zählt die Gonorrhö zu den häufigsten STI: In der Europäischen Union war 2018 die GO mit über 100 000 Infektionen aus 28 Ländern die zweithäufigste gemeldete STI. Für Deutschland gibt es noch keine landesweiten Daten – die Meldepflicht für Gonokokken-Infektionen wurde erst 2022 eingeführt. Daten aus Sachsen (Labormeldepflicht) zeigten aber, dass sich dort die Gonorrhö-Diagnoserate in den vergangenen 10 Jahren verdoppelt habe, berichtete Prof. Dr. med. Norbert Brockmeyer (Bochum).
Weltweit steigt die Resistenzrate auch bei Ceftriaxon
Die deutsche Leitlinie für die Behandlung von STI werde derzeit überarbeitet, sagte Brockmeyer, der auch Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG) ist. Als Standardantibiotikum bei unkomplizierter Gonorrhö gelte Ceftriaxon 1–2 g als Einmaldosis i. v. oder i. m., eventuell in Kombination mit 1,5 g Azithromycin einmalig oral, berichtete Dr. med. Susanne Buder (Berlin). In Deutschland liegt der Resistenzanteil für Ceftriaxon derzeit mit unter 1 % relativ niedrig. Anders sieht es in Südostasien aus: Hier liegen beispielsweise in einigen Regionen Chinas die Resistenzraten schon bei 25 %. Azithromycin wurde vor einigen Jahren noch als Firstline-Antibiotikum eingestuft. Hier stieg die Resistenzrate von 3,5 % im Jahr 2018 auf 24,6 % im Jahr 2023, so Brockmeyer.
Neue Antibiotika in Sicht
Momentan stehen nur wenige alternative Antibiotika gegen Neisseria (N.) gonorrhoeae zur Verfügung. Das letzte Antibiotikum, das gegen GO zugelassen wurde, war 1993 Cefixim – das mittlerweile auch nicht mehr ausreichend wirkt. Zwar ist die Antibiotika-Forschung wieder in Schwung gekommen, aber neue Entwicklungen lassen auf sich warten. Nun zeigt sich mit Gepotidacin ein Silberstreif am Horizont: Das Triazaacenaphthylen-Derivat bremst die Replikation der Bakterien-DNA durch Hemmung von 2 Typ-IIA-Topoisomerase-Enzymen. In der Phase-III-Studie EAGLE-1 wurde untersucht, ob orales Gepotidacin bei unkomplizierter urogenitaler Gonorrhö der etablierten Therapie nicht unterlegen ist – hinsichtlich Wirksamkeit wie auch Verträglichkeit [2].
Gepotidacin versus Ceftriaxon plus Azithromycin
In die multizentrische Phase-III-Studie wurden 628 Personen mit Verdacht auf unkomplizierte urogenitale Gonorrhö eingeschlossen. Die randomisierte Zuteilung erfolgte 1 : 1 zu einer Einmaltherapie mit Ceftriaxon (500 mg i. m.) plus Azithromycin (1 g p. o.) oder zu einer oralen Therapie mit 2 Dosen Gepotidacin (jeweils 3 000 mg oral im Abstand von 10 bis 12 h). Primärer Endpunkt war der mikrobiologische Behandlungserfolg, definiert als kulturbestätigte bakterielle Eradikation von N. gonorrhoeae im Urogenitaltrakt zwischen Tag 4 und Tag 8. Die Nichtunterlegenheitsmarge lag bei −10 %.
Bei der mikrobiologischen Auswertung konnte bei den mit Gepotidacin Behandelten eine Erfolgsrate von 92,6 % (95%-KI 88,0–95,8 %) erzielt werden, unter Ceftriaxon plus Azithromycin waren es 91,2 % (95%-KI 86,4–94,7 %). Buder zeigte bei aller Freude über die neue Therapieoption aber auch die Nachteile auf: So ergab sich bei der Subgruppen-Auswertung bei den urogenitalen und der rektalen Infektionen keine posttherapeutische bakterielle Persistenz – bei pharyngealer Gonorrhö jedoch lag das Therapieansprechen nur bei 88 %. Auch bei den Nebenwirkungen traten außer den bei Antibiotika erwartbaren unerwünschten Ereignissen Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen und vaginale Candidose auch kardiale Nebenwirkungen (QT-Verlängerung) und Leber- sowie Nierenfunktionsstörungen auf. Mittlerweile ist Gepotidacin in den USA für die Behandlung von unkomplizierten Harnwegsentzündungen zugelassen (Markteinführung voraussichtlich im 2. Halbjahr), die Zulassung für GO steht noch aus.
Noch ein zweites Antibiotikum gegen Gonorrhö ist in der Pipeline: Zoliflodacin. Das First-in-Class-Antibiotikum vom Typ Spiropyrimidintrion hemmt ebenfalls die Topoisomerase und somit die DNA-Replikation der Erreger. Buder berichtete von einer Phase-III-Studie mit 930 an unkomplizierter GO erkrankten Patienten und Patientinnen, bei der Wirksamkeit und Sicherheit einer Einzeldosis Zoliflodacin (3 g oral) mit 500 mg Ceftriaxon i. m. plus 1 g Azithromycin oral verglichen wurden [3]. Das Ergebnis: Mit einer Heilungsrate von 90,9 % war Zoliflodacin der Standard-Kombination (96,2 %) nicht unterlegen. In beiden Gruppen waren auch die pharyngealen und rektalen Heilungsraten etwa gleich gut.
Abschließend gab Buder Hinweise für den Umgang bei Verdacht auf GO im Praxisalltag (Infokasten).
Praxis-Tipps zum Umgang mit GO-Verdacht
Vortrag von Dr. med. Susanne Buder, Vorab-PK DDG 2025 mit Prof. Dr. med. Norbert Brockmeyer