Eine Anaphylaxie entwickelt sich häufig fulminant, kann zweiphasig sein und tödlich enden, insbesondere, wenn die Gegenmaßnahmen zu spät beginnen. Wie man das – nachweislich viel zu häufige – Zögern reduzieren und Schutz etablieren kann [1].
Nahrungsmittel, Insektenstiche und Arzneimittel gehören zu den häufigsten Auslösern anaphylaktischer Reaktionen. Bei Kindern dominieren Nahrungsmittel, genauer gesagt Erdnuss, Kuhmilch sowie – zunehmend – Cashew, wie Prof. Dr. med. Kirsten Beyer (Charité Berlin) erklärte. Bei Erwachsenen stehen Insekten- und insbesondere Wespengift im Vordergrund, außerdem Schalentiere und Weizen [2-4].
Notfallversorgung zu oft nicht korrekt
Die Hälfte der Anaphylaxien treten zu Hause auf, 25 % an einem öffentlichen Ort, 10 % in der Schule, wobei das auslösende Allergen meist bekannt ist. Dennoch fehle zu oft die leitliniengemäße Erstversorgung mit intramuskulärem Adrenalin, beklagte Beyer. In Europa erfolgte die Laien- oder Selbstbehandlung mit Adrenalin bei Kindern und Jugendlichen mit Erdnuss-Allergie nur in 15–17 % der Fälle korrekt, bei der professionellen Adrenalin-Therapie war die Quote mit 26–34 % etwas höher [5,6]. Zum Teil schätzten Eltern die Reaktion nicht als schwerwiegend genug ein, der Autoinjektor war nicht vor Ort oder abgelaufen. Angst vor der Anwendung, Vergessen oder sogar die Aufforderung von der Leitstelle, auf den Notarzt zu warten, waren weitere Gründe [7].
Jedes Jahr sterben Menschen infolge einer Anaphylaxie, besonders Jugendliche und junge Erwachsene [8]. Die Todesursachen sind Larynxödem, Lungenüberblähung, allergisches Lungenödem oder Hämorrhagien sowie kardiovaskuläre Reaktionen. Die Bedeutung von Respirationstrakt und Herz-Kreislauf-System hob Prof. Dr. med. Ludger Klimek (Wiesbaden), Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen, hervor: „Wenn wir diese zwei Organsysteme im Griff haben, dann stirbt uns keiner mit Anaphylaxie.“
Den Tod verhindern
Klimek ermutigte dazu, zuerst den Notdienst zu verständigen, weil sich eine Anaphylaxie binnen Minuten steigern könne. Dann folge die Basisuntersuchung. Es müsse großzügig Sauerstoff gegeben werden (8–15 l/min) und der Volumenverlust über ein oder zwei große Kanülen ausgeglichen werden. Denn ein Kreislaufversagen könne innerhalb von 2 bis 4 Minuten eintreten, warnte der Experte [9].
Antihistaminika oder systemische Glukokortikoide seien hier nicht die Lebensretter, weil die „Zweitanaphylaxie” nach einigen Stunden oder eine Verschlimmerung kardiovaskulärer Probleme dies verhindern könne. Zuerst müsse Adrenalin gegeben werden, weil es die lebensbedrohlichen Prozesse einer Anaphylaxie abfange, forderte er. „Wir stabilisieren das Herz-Kreislauf-System und wir machen […] die Bronchien und die Lunge wieder frei.“ Zudem erzeuge Adrenalin weitere positive Stoffwechseleffekte (Abb.) [10].
„Um Todesfälle zu verhindern, müssen wir Herz-Kreislauf-System und Lunge im Griff haben.”
Adrenalin-Autoinjektoren
Verglichen mit der manuellen Injektion sei die Gabe mit einem Adrenalin-Autoinjektor (AAI) schneller, unkomplizierter und potenziell lebensrettend. Die Wirkung trete rascher ein und das Risiko für einen biphasischen Verlauf sinke [11,12].
Direkte Vergleichsuntersuchungen ergaben, dass eine schnellere (nach Tmax-Werten ca. 2-mal schnellere) und höhere (nach Cmax-Werten ca. 30 % höhere) systemische Adrenalinfreisetzung erzielt wird, wenn die Adrenalingabe mit einem Fastjekt®-AAI anstatt einer manuellen i.m.-Injektion erfolgt, insbesondere auch bei adipösen Personen [13].
Die AAI unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Kraft, mit der das Adrenalin in den Muskel gespritzt wird. Eine höhere Applikationsgeschwindigkeit und bessere Verteilung des Adrenalins im Muskelgewebe führen zu einer schnelleren Absorption und systemischen Aufnahme.
In direkten Vergleichsstudien wurden nach der Anwendung von Fastjekt® im Vergleich zu anderen Adrenalin-Autoinjektoren innerhalb der ersten kritischen 10 Minuten die höchsten Adrenalinkonzentrationen gemessen. Maximale Adrenalin-Plasma-Konzentrationen wurden zudem bis zu 3-fach schneller erreicht [14].
Danach: Prävention!
Nach der Akutbehandlung bräuchten Betroffene einen für sie passenden Adrenalin-Autoinjektor und eine Einweisung in dessen Funktionsweise, betonten beide Vortragenden. Klimek forderte dazu auf, das Aut-idem-Kreuz zu setzen, damit Patientinnen und Patienten das individuell passende Modell erhielten und es im Notfall auch bedienen könnten. Beyer forderte eine Überweisung zum Allergologen oder zur Allergologin.
Leitliniengemäße Indikationen für die Verordnung eines Adrenalin-Autoinjektors sind [9]:
Die Verschreibung eines zweiten Adrenalin-Autoinjektors ist unter den folgenden Bedingungen indiziert [9]:
Trotz der Versorgung mit Notfallmedikamenten müssen Menschen mit Insektengift-Anaphylaxie auf Stichvermeidung achten, jene mit Nahrungsmittel-Anaphylaxie eine angemessene Eliminationsdiät einhalten und sich von einer ausgewiesenen Fachkraft beraten lassen. Ist eine Allergen-spezifische Immuntherapie (AIT) indiziert, soll diese durchgeführt werden. Für Erdnuss-allergische Kinder (1–17 Jahre) stehe eine AIT zur Verfügung. Die orale Immuntherapie sei bei Erwachsenen off-label möglich. Eine relative Indikation für einen Autoinjektor bestehe auch nach einer AIT [15].
Schulung: mit weniger Angst zu mehr Tempo
Betroffene sollten einen Anaphylaxie-Notfallplan oder -Pass bekommen. Außerdem sollten sie (ab 6 Jahren), ggf. auch die Eltern, geschult werden. Dies biete die Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE) e. V. an – auch für Personal in Kindergärten und Schulen, erklärte Beyer. Das Schulungskonzept erhöhe nachweislich Wissen und Handlungskompetenz im Notfall und reduziere die elterliche Angst [16].
Auftaktveranstaltung, Vorträge „Nach der Anaphylaxie – vor der Anaphylaxie“ und „Rasch und richtig handeln bei einer Anaphylaxie“ (unterstützt von Viatris Pharma GmbH)