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Allgemeinmedizin

Profit mit der Gesundheit

Warum Investoren Radiologie-Praxen kaufen

Nicole Hein interviewte Dr. med. Philipp Schlechtweg

1.6.2022

Die Anzahl der Arztpraxen in Investorenhand hat sich in Bayern von Anfang 2018 bis Ende 2019 um 72 Prozent erhöht. Damit zählt fast jedes zehnte Medizinische Versorgungszentrum zu den sogenannten Private-Equity-Praxen. PD Dr. Philipp Schlechtweg erklärt die Folgen für die Radiologie in einem Interview.

Wie groß ist der derzeitige Trend bei Radiologen, sich mit Investoren zusammenzutun?

Dieser Trend ist sehr groß, weil derzeit viele private Investoren in den Markt drängen. Das Gesundheitswesen scheint für sie interessant zu sein. Offenbar erhoffen sie sich in der Medizin Möglichkeiten zur Geldanlage mit höheren Renditen als derzeit auf dem Geldmarkt realisierbar sind. Hinzu kommt, dass die unternehmerische Bereitschaft der jüngeren Generation rückläufig ist. Viele streben eine Anstellung an und keine Partnerschaft. Für Kollegen, die ihre Praxis aus Altersgründen aufgeben, wird es immer schwieriger einen Nachfolger zu finden.

Warum sind ausgerechnet ­radio­logische Praxen für Investoren interessant?

Im Vergleich zu anderen Fächern ist die Radiologie aufgrund der benötigten teuren Geräte sehr kostenintensiv, erwirtschaftet aber auch hohe Umsätze. Das ist z. B. einer der Gründe, warum radiologische Praxen in der Regel keine One-Man-Show sind, sondern ein Zusammenschluss aus mehreren Ärzten. Die hohen Umsätze scheinen bei den Investoren die Erwartung zu wecken, hohe Renditen erwirtschaften zu können – wenn der Kostenanteil entsprechend gesenkt wird.

Ist es realistisch, dass der Kostenanteil weiter gesenkt werden kann?

Insbesondere im GKV-Bereich besteht seit einigen Jahren ein hoher Kostendruck. Viele Praxen haben bereits ihre Kostenstrukturen verbessert und das Management effektiver gestaltet. Da sie jetzt schon effizient arbeiten, sind meiner Meinung nach die Möglichkeiten, die Rendite zu verbessern, begrenzt. Zumindest wenn wie in inhabergeführten Praxen der Fokus auf der Bildgebung und Versorgungsqualität liegt – und nicht auf der Rendite. Und genau hier liegt das Problem: Investments müssen vor allem wirtschaftlich sein, auch im medizinischen Bereich.


Das heißt, Sie befürchten eine schlechtere Versorgungsqualität ­für die Patienten.

Ja, Patienten von investorgeführten Praxen müssen oft mit einer schlechteren Versorgung bei höheren Kosten rechnen. Wie das KVB-Gutachten zeigt, ­rechnen diese Praxen etwa zehn Prozent mehr ­Honorar ab als ihre inhabergeführten Pendants. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass Patienten ­IGe-Leistungen aufgeschwatzt werden könnten, die sie nicht brauchen.

Investorengeführte Praxen finden sich vor allem in den Ballungs­gebieten. Wie wirkt sich das auf die ­Ver­sorgungsqualität aus?

Tatsächlich finden sich die investorengeführten ­Radiologien vor allem in großen Städten, da sie dort mehr Profit erzielen können. Drohende Versorgungsengpässe auf dem Land werden häufig von inhabergeführten Praxen aufgefangen. Wenn diese Praxen schließen, weil sich beispielsweise kein Nachfolger findet, werden sich im ländlichen Bereich Versorgungslücken auftun. Für die Patienten ist das schlecht. Wohl kaum jemand möchte weite Wege auf sich nehmen, wenn er Schmerzen hat.

Wie sieht denn die aktuelle Situation für ambulant tätige, niedergelassene Radiologen aus?

Ein großes Problem ist derzeit der Mangel an qualifiziertem Personal. Es gibt einen größeren Bedarf an nicht ärztlichem Personal, als es Nachwuchs gibt. Das betrifft die MTAs, also die Medizinisch-Technischen Assistenten, die an den Geräten arbeiten, genauso wie die Medizinischen Fachangestellten. In den Großstädten findet sich oft noch jemand, aber in ländlichen Regionen kann man von Glück sprechen, wenn sich auf eine ausgeschriebene Stelle ­jemand bewirbt. Zusätzlich sehen sich viele Radiologen derzeit mit den Stromkosten, die durch die Decke gehen, konfrontiert. Denn die bildgebenden Verfahren wie CT und MRT benötigen viel Strom.

Vor dem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass viele Ärzte ein Anstellungsverhältnis bevorzugen, anstatt Anteilseigner zu werden oder sogar eine eigene Praxis zu gründen.

Viele Finanzinvestoren locken mit viel Geld, wenn sie z. B. einen Standort aus Wettbewerbsgründen unbedingt übernehmen möchten. Zudem ist ein ­Investor nicht selten der letzte Ausweg, wenn sich kein Nachfolger findet – und noch dazu ein lukrativer.

Wie bleiben inhabergeführte Praxen konkurrenzfähig, insbesondere mit Hinblick auf die wirtschaftliche Situation?

Die Situation der Praxen ist je nach Lage unterschiedlich: In den Großstädten ist der Wettbewerb stärker als in kleineren Orten. Dennoch sollte jede Praxis ihre Kostenstrukturen kennen und bestrebt sein, ihre Organisationsprozesse zu optimieren (> Praxismanagement). Allerdings ­sollte im Vordergrund immer die patientenorientierte Versorgung stehen. Meiner Meinung nach kann die hierzu erforderliche diagnostische Qualität nur in einer inhabergeführten Praxis gegeben sein oder in Zusammenschlüssen, die von Ärzten geleitet werden.

Was müsste die Politik leisten, um den Trend zu stoppen?

Der Gesetzgeber müsste der Entwicklung einen ­Riegel vorschieben. Es müsste verhindert werden, dass Investmentfirmen ganze radiologische Praxen übernehmen können. Außerdem würde ich mir eine deutschlandweite Versorgungssicherheit wünschen und dass von kassenärztlicher Seite aus die Leistungen wieder ordentlich vergütet werden würden (> Abrechnung).

Der Experte

PD Dr. Philipp Schlechtweg, MHBA
Facharzt für diagnostische Radiologie
stv. Vorsitzender der Radiologie Initiative Bayern e. V.

info@diagnosticum-wug.de

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DrPhilippSchlechtweg_Bildquelle_TuanTruong

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