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Management

Wertschätzung

Von unerschütterlicher Höflichkeit zum Praxisleitbild

Theresia Wölker

18.12.2025

Der Begriff des Praxisleitbilds steht für die Selbstwahrnehmung der Frauenarztpraxis und für das ganzheitliche Erscheinungsbild nach außen. Dieser Beitrag beschreibt den hohen Stellenwert von guten Umgangsformen für diesen Gesamteindruck.

Es macht das Leben sehr angenehm, wenn alle ein wenig Rücksicht nehmen. Das war nicht immer selbstverständlich. Vor allem nicht in der Steinzeit. Wenn sich da einer näherte, den man nicht einschätzen konnte, dann schlug man ihm die Zähne ein oder zog ihm eins mit dem Knüppel über den Kopf. In der Steinzeit gab es noch keine Regeln für „gutes“ Benehmen.

Das war ein anstrengendes Leben, schließlich konnte so etwas jedem selbst passieren. So kam es, dass die Menschen sich irgendwann überlegten, wie sich das Zusammenleben nach Regeln organisieren lässt – Regeln, die dabei helfen, halbwegs friedlich miteinander umzugehen. Entscheidend dabei ist, sich so zu benehmen, dass der andere erkennt: Ich kenne diese Regeln, ich erkenne sie an, ich nehme Rücksicht auf dich und habe Respekt vor dir.

Das Schöne an Werten: sie sind zeitlos

So hat sich die Welt zwar in den vergangenen Jahren enorm verändert, aber unsere Werte sind im Grunde genommen noch immer die gleichen wie damals. Schon die Stoiker sahen es als höchstes Gut an, „stoisch“, d. h. in allen Lebenslagen unerschütterlich, gleichmütig und gelassen zu bleiben. Die Basis dafür sahen sie in der eigenen Seelenruhe.

Wäre es nicht höchste Zeit, gerade in der jetzigen, aufgeregten Zeit, sich zu beruhigen und ruhiger und mitfühlender miteinander zu kommunizieren? Und vor allem – unerschütterlich höflich zu bleiben oder anders ausgedrückt, „immer die Fassung zu wahren“.

Leider halten sich viele Zeitgenossen und -genossinnen nicht mehr daran. Höflichkeit und gutes Benehmen sind anscheinend in der heutigen Zeit und in Deutschland nicht mehr passend. Unfreundlichkeit und wenig gegenseitiges Entgegenkommen begegnen uns insbesondere auch in Bereichen, denen gegenüber vormals mehr Respekt gezeigt wurde. Dazu gehören Ärzte und Ärztinnen sowie medizinisches Personal, aber auch Polizistinnen und Polizisten, Lehrkräfte und andere „Würdenträger“.

Vieles ist vielleicht auf antiautoritäre Erziehung seit der Studentenbewegung in den 1960er-Jahren zurückzuführen. Leider sind dabei auch einige wesentliche Benimmregeln verloren gegangen.

Warum Höflichkeit ein Grundpfeiler erfolgreicher Praxisführung ist

Höflichkeit ist eine Tugend, die gepflegt werden möchte. Sie fördert die Menschlichkeit und die Empathie im Umgang miteinander. Sie ermöglicht kleine, wohltuende Schritte aufeinander zu, gerade auch wenn es schwierig erscheint. Gepflegte Höflichkeit kultiviert das soziale Miteinander, und fällt als Grundwert in einer Praxis besonders durch ein feines, niveauvolles Image auf.

Menschen mit Manieren vermeiden „schlechte Gewohnheiten“ wie lautes Sprechen, sie grüßen von sich aus und erwidern einen Gruß, sie verschwinden nach der Arbeit nicht einfach wortlos, klopfen an bevor sie eintreten und vermeiden es, andere in Verlegenheit zu bringen.

Kultivierte Höflichkeit sollte konsequent den gesamten Alltag durchziehen, beruflich wie privat, angefangen vom einfachen „Bitte“ und „Danke“ bis zum Moment, dem anderen den Vortritt zu lassen, oder einer fremden oder ungewöhnlichen Patientin mit Achtung und Offenheit zu begegnen.

Höflichkeit ist das Gegenteil von Rück­sichtslosigkeit, vulgären Umgangsformen und verletzter Diskretion.

Höflichkeit bewirkt Entkrampfung dort, wo im täglichen Miteinander das Gefühl von Enge und Unwohlsein aufkommt: wenn Wartezeiten entstehen oder Termindruck und Stress oder wenn Notfälle den Praxisplan durcheinanderbringen. Aber auch bei der Parkplatzsuche, im Stau auf der Autobahn oder vor der Kasse im Supermarkt. Man reibt sich aneinander, die anderen gehen einem auf die Nerven. Gerade dann helfen Selbstdisziplin und höfliches, rücksichtsvolles Verhalten. Umgangsformen sind der soziale Kitt unserer Gesellschaft: die Regeln der Höflichkeit machen unser Miteinander angenehmer und leichter. Wer höflich und freundlich ist, schafft auch für sich selbst und andere ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens. Das macht jedes Gespräch für alle angenehm. Wertschätzende Höflichkeit ist die Kraft, Rücksicht zu nehmen und Verständnis zu zeigen, auch wenn z. B. eine Patientin herausfordernd ist, eine Mitarbeiterin suboptimal assistiert oder die Reinigungskraft sich unverhofft krankmeldet. Wenn ein Gespräch „gut läuft“, erfüllt es einen selbst mit einem wohligen Gefühl, das Verhaltenspsychologen und -psychologinnen „warm glow“ nennen.

Welche Aspekte erscheinen Ihnen in Ihrer Praxis wichtig?

  • Beispiele für Ihr Praxis-/Mitarbeiter-Leitbild
  • Höflichkeit ist eine Tugend (Pflicht) und Liebenswürdigkeit ist die Kür.
  • Die Basis unserer freundlichen Gelassenheit und verlässlichen Höflichkeit ist die empathische und gute Beziehung mit uns selbst.
  • Respekt ist eine Form der Wertschätzung gegenüber Menschen und tut uns selbst und anderen gut.
  • Zur unerschütterlichen Gelassenheit zählt auch eine leise, ruhige, wohltuende Praxisatmosphäre.
  • „Ge-Lassenheit“ bedeutet für uns, unser Gegenüber und die Situation so sein lassen zu können, wie es ist. Das schließt nicht aus, bei grober Unhöflichkeit klare Grenzen aufzuzeigen und beispielsweise zu sagen: „Ich höre Ihnen zu. Ich höre, dass Sie verärgert sind, und dennoch möchte ich Sie bitten, sich mir gegenüber respektvoll zu verhalten.

Höflichkeit muss immer wieder Thema sein

In der Praxis sind es meistens summierte Kleinigkeiten, die einen unangenehmen Eindruck hinterlassen und Menschen unwirsch machen. Es gilt, „proaktiv“ zu kommunizieren, achtsam auf Reaktionen, Mienenspiel und Stimmung zu achten. Wer hellhörig ist und wirklich mit Interesse Menschen ­begegnet, hört leise Zwischentöne schnell heraus und kann durch respektvolles Verhalten und Zugewandtheit einen guten Weg zum verständnisvollen Miteinander mit den Patientinnen finden.

Gekonnte Kommunikation ist und bleibt auch ein Dauerthema in den Teamsitzungen, vor allem zur Reflektion und eventuell notwendigen Anpassung. Gute Manieren, Charme und Anstand lassen sich nicht verordnen. Denn Freundlichkeit entsteht vor allem aus innerer Zufriedenheit und „Selbstfreundschaft“ heraus  – wie es der Philosoph Wilhelm Schmid nennt. Geht es uns gut, sind wir glücklich und verträglich. Und das strahlen wir dann auch aus. Haben wir Probleme oder Stress, spürt es unser Gegenüber anhand unserer Körpersprache intuitiv und am Verhalten spür- und erlebbar. Nur wer in Stresssituationen unbeirrt die Höflichkeit und den Respekt wahrt, beweist, dass er mit sich selbst im Reinen ist und damit umgänglich und professionell mit Mitmenschen und Patientinnen. Konstante, beharrliche Freundlichkeit ist die Basis der Beziehungen.

Je nachdem wie Patientinnen empfangen werden, werden sie auch reagieren. Die Qualität der Erstbegegnung entsteht durch das Zusammenkommen von drei Parametern; sie müssen stimmig sein, damit Körpersprache und das gesprochene Wort ein einheitliches und positives Bild ergeben:

Verbal

  • Wortwahl
  • Namensnennung
  • Art des Grußes (z. B. „Herzlich willkommen!“, „Schön, dass Sie da sind!“, „Wie geht es Ihnen?“)
  • Private/persönliche Worte, Lob und Komplimente

Paraverbal

  • Stimme: Höhe, Tempo, Lautstärke, Betonung
  • Dialekt, Akzent, Ausdrucksweise
  • Deutlichkeit beim Sprechen

Nonverbal

  • Blickkontakt, Lächeln
  • gleiche Ebene schaffen, offene Körpersprache
  • Standpunkt einnehmen, aufstehen oder entgegengehen

Die ersten Minuten einer Begegnung sind oft entscheidend für den weiteren Verlauf des Gespräches. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung kann z. B. mit internem Videotraining erstaunliche Veränderungen bewirken.

Benimmregeln sind immer dann sinnvoll, wenn Menschen zusammentreffen und unterschiedliche Interessen gewahrt werden müssen. Gute Manieren sind vor allem dazu da, damit der andere ganz deutlich merkt, dass man nichts ­Böses gegen ihn im Schilde führt. Dass man daran ­interessiert ist, gut miteinander auszukommen. Dass man Wertschätzung und Wohlwollen ausdrückt. Die private Facharztpraxis kann die subtile Kraft der unerschütterlichen Kommunikation und der unbedingten Höflichkeit kontinuierlich ausbauen und veredeln. Sie kultiviert damit ein nicht zu unterschätzendes Markenzeichen. Man sagt, Sterne sind die Währung eines sehr guten Hotels. Wie viele Sterne bekäme Ihre Privatpraxis für Patientinnen-Kommunikation und Höflichkeit in Verhalten und Sprache?

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

Bildnachweis: privat

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