- Anzeige -
Dermatologie

Dermatoonkologie

Aktuelle Studien und Trends – Neues vom ASCO 2023

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

16.8.2023

Auch in diesem Jahr brachte das ASCO Annual Meeting in Chicago, weltweit größter und wichtigster Kongress der klinischen Onkologie, eine Fülle an Daten auch zu den dermatologischen Tumorentitäten. Prof. Dr. med. Axel Hauschild im Interview zu den aktuellsten Erkenntnissen aus klinischen Studien sowie Trends in der Forschung.

Was war Ihr diesjähriges persönliches Highlight auf dem ASCO?

Das Late Breaking Abstract (Nr. 9503) zur randomisierten Keynote-942-Studie war in diesem Jahr ­meiner Meinung nach der Höhepunkt. Vorgestellt wurde eine personalisierte mRNA-Vakzine, ausgerichtet auf Neoantigen-Material aus Primärtumor oder ­Metastasen mit im Median 34 dort identifizierten Epitopen, die zur Entstehung T-Zell-spezifischer ­Klone führt. Die Daten zum rezidivfreien Überleben (RFS) aus der randomisierten Pilotstudie waren bereits im April auf dem Kongress der AACA, der ­American ­Association of Cancer Research, vorgestellt worden. Mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,561 lag das RFS weit im positiven Bereich, wenn es auch beim 95%-KonfidenzintervaIl (95%-KI) mit einer Obergrenze von 1,02 nicht ganz Signifikanz erreicht ­hatte. Auf dem ASCO gab es jetzt die Daten der rando­misierten Phase-II-Studie zum fernmetastasenfreien Überleben, das mit einer HR von 0,347 sogar noch besser und diesmal auch signifikant ausgefallen ­ist: es wurden 9 Tumorrezidive bei 107 mRNA-­vakzi­nier­ten Patienten und (umgerechnet) 24 bei 107 Kontrollen festgestellt – ein wirklich tolles Ergebnis.  Auch bei der Sicherheit sind die Daten vielversprechend, außer lokalen Reaktionen an der Einstichstelle, etwas Fieber oder Schmerzen gab es quasi keine ­zusätzliche Toxizität im Vergleich zum Placebo.

Also ein Ergebnis, das auch für andere Tumorentitäten – über die Dermatologie hinaus – Auswirkungen haben könnte?

Tatsächlich, nach Meinung einiger Experten könnte die mRNA-Vakzinierung vielleicht der Weg der Zukunft in der gesamten Krebstherapie sein. Denn wenn es beim Melanom funktioniert, könnte es auch bei anderen Tumorentitäten erfolgreich sein – und damit eine ähnliche Revolution wie die Immuncheckpoint-Blockade ­vor gut 10 Jahren darstellen. Nach dem durchschlagenden Erfolg dieser Phase-II-Studie –  ­übrigens weltweit die erste randomisierte ihrer Art in der adjuvanten Situation – startet nun bis zum Jahresende auch die Phase-III-Zulassungsstudie bei uns in Deutschland.

Gab es noch weitere relevante Daten zum malignen Melanom?

Es gab ganz wichtige Daten aus der aktuell laufenden Studie zu Cemiplimab zusammen mit dem LAG3-Antikörper Fianlimab in Erstlinie bei fortgeschrittener Erkrankung (Abstract Nr. 9501). Die Ansprechrate der 98 zum Teil bereits mit einem PD-1-Antikörper vortherapierten Studienpatienten lag bei 61,2 %, dabei hatten 12 eine ­komplette und 48 eine partielle Remission, was ein sehr gutes Ergebnis darstellt. Die Remissionen halten ­bisher alle an, allerdings läuft die Nachbeobachtungszeit auch erst ein Jahr.

Aktuell startet in Deutschland eine 3-armige, multizentrische Zulassungsstudie zu der Kombination aus Cemiplimab und Fianlimab. Diese Kombination soll zu der Monotherapie mit Cemiplimab und zu der bereits zugelassenen Monotherapie mit Pembrolizumab verglichen werden.

Gleichzeitig wird für Fianlimab/Cemiplimab auch eine Zulassungsstudie für die adjuvante Therapie starten und zusätzlich ist auch noch eine neoadjuvante Studie in Planung. Der Sponsor der Studie testet seine Kombination somit in mehr oder weniger allen Tumorstadien.

Hat das 2-Jahres-Update der RELATIVITY-­047-Studie neue Erkenntnisse gebracht?

Das Update (Abstract Nr. 9502) hat im Prinzip das bestätigt, was vorher schon gezeigt worden war, nämlich dass RELA-NIVO besser ist als NIVO alleine. Was dabei aber wirklich interessant ist: hier wurde nicht das Overall Survival (OS) präsentiert, in das ­ja jede Art von Tod eingeht, sondern das MSS, das ­Melanom-spezifische Überleben, bei dem nur zählt, ob ein Patient am Melanom verstorben ist. Für dieses MSS lag die HR bei 0,77 und das 95%-KI bei 0,61–0,97, es war also statistisch signifikant. Als es um die Kostenerstattungsfrage für RELA-NIVO in Deutschland ging, wurde das OS herangezogen, dessen 95%-KI-Obergrenze bei 1,02 lag, also die Signifikanz ganz knapp verfehlt hatte. Mit 0,99 wäre es signifikant gewesen, d. h. 1 oder 2 Patienten, die vielleicht an etwas ganz anderem als dem Melanom verstorben sind, haben den Unterschied gemacht. Wäre gleich das MSS ausgewählt worden, hätten unsere Kostenregulatoren der Erstattung eigentlich zustimmen müssen. Es wäre daher spannend zu sehen, was passiert, wenn der Hersteller nun auf Grundlage dieser neuen ­Resultate die Kostenerstattung erneut beantragen würde – mit dem Argument, dass das MSS der eigentlich relevante Endpunkt ist. Daher sind die ­Ergebnisse des Updates gerade für Deutschland ­richtig interessant und möglicherweise auch relevant. Bisher steht uns die Kombination aber nach wie vor nicht zur Verfügung.

Wie sieht es mit den anderen Haut­krebsentitäten aus? Gab es neue Erkenntnisse zum Plattenepithelkarzinom?

Zum kutanen Plattenepithelkarzinom gab es mit dem Abstract Nr. 9507 sehr interessante Daten aus der Phase-II-Studie MATISSE aus Holland. Hier lautete die Fragestellung, ob die neoadjuvante Gabe von Ipilimumab (IPI) plus Nivolumab in einem fortgeschrittenen Stadium, das unter Umständen eine mutilierende Operation erfordert, im Vergleich zu Nivolumab alleine dazu beiträgt, das Organ zu erhalten. Und das Ergebnis ist frappierend: Von den 60 teilnehmenden Patienten zeigten 50 % unter Nivolumab eine Major Pathological Response, also mehr oder weniger keinen nachweisbaren Tumor mehr, unter IPI-NIVO waren es 61 %. Ein tolles Ergebnis, und dazu noch mit ganz wenig Toxizität. Es gab keinen einzigen Studien­abbruch, da nur 2 Zyklen gegeben wurden.

Und das Interessante ist: 9 Patienten haben sich nach der neoadjuvanten Therapie nicht mal mehr operieren lassen, da kein Tumor mehr sichtbar ­­­war. Bei diesen Patienten konnte man daher keine ­Re­sponse-Evaluierung machen, aber es hat sich ­gezeigt, dass alle 9 auch noch nach einem Jahr ­keinen nachweisbaren Tumor hatten. Das bedeutet, dass man sich jetzt fragen muss, ob man Patienten ohne sichtbaren Resttumor wirklich noch operieren sollte.

Die Daten sprechen also klipp und klar für die neoadjuvante Therapie – so wie übrigens auch die Daten zu neoadjuvantem Cemiplimab, die letztes Jahr im New England Journal of Medicine publiziert wurden und die ebenso gut ausgefallen sind. Meiner Meinung nach ist die neoadjuvante Therapie vor mutilierender Operation daher Standard of Care, und es ist ethisch nicht mehr vertretbar, den Patienten eine muti­lierende Operation zuzumuten.

Wie sieht es mit den selteneren Entitäten in der Dermatoonkologie aus? Gibt es hier neue Daten?

Diesmal hat es tatsächlich eine Präsentation zum metastasierten Merkelzellkarzinom in die Plenarsitzung geschafft – mit den Daten zur CheckMate-358-Studie (Abstract Nr. 9506), einer multizentrischen Phase-I/II-Studie zu NIVO (n = 25) und NIVO plus IPI (n = 43). Dazu muss vorausgeschickt werden, dass im September letzten Jahres in Lancet eine Arbeit publiziert worden ist, die eine 100%ige Ansprechrate auf IPI-NIVO gezeigt hatte, allerdings nur für die Firstline-Therapie. In der CheckMate-358-­Studie findet sich nun ein Mix aus First- und Secondline-Therapie, wobei die meisten Patienten vortherapiert waren. In diesem Patientenkollektiv hat sich jetzt in den Studienergebnissen kein großer Unterschied zwischen NIVO und IPI-­NIVO gezeigt: Die Ansprechrate für NIVO alleine lag bei 60 %, die der Kombination bei 58 %. Die Zahl der kompletten Remissionen war mit 32 % unter NIVO sogar höher als die unter IPI-NIVO mit 19 %. Auch die Dauer der Remission fiel unter NIVO alleine ­besser aus. Noch dazu kam es unter der Kombination zu deutlich mehr Toxizität, sodass man zusammenfassend sagen muss: IPI-NIVO in Secondline wirkt nicht so gut wie in Firstline.

Wie sieht es bei den entitätenübergreifenden Therapieansätzen aus? Gibt es neben der mRNA-Vakzinierung noch weitere vielversprechende Entwicklungen?

Tatsächlich führt die IGNYTE-Studie (Abstract Nr. 9509), die beim Melanom, aber auch beim Non-­Melanoma-Skin-Cancer durchgeführt wurde, das ­gesamte Gebiet des Hautkrebses zusammen. Hier wurde im Rahmen einer Secondline-Therapie eine Herpes-simplex-Virus-1-basierte onkolytische Vakzine mit dem Namen RP1 – das steht für Replimune – in den jeweiligen Tumor gespritzt, mit der Absicht, den Tumor möglichst „heiß“ zu machen – nach dem ­Konzept „make a cold tumor hot“. Das bedeutet: ein kalter Tumor hat keine Tumorantigene, die vom ­Immunsystem erkannt werden, keine hohe PD-L1-Expression und ganz wenige tumorinfiltrierende Lymphozyten, er ist also vom Immunsystem nicht gut attackierbar. Der nach Vorbehandlung mit der Vakzine heiße Tumor ist besser vom Immunsystem erkennbar und sollte damit auch besser für eine Systemtherapie empfänglich sein. Daher wurde RP1 in dieser Studie mit NIVO kombiniert. Und das ­Ergebnis ist richtig gut: die Remissionsrate betrug 37,4 %, mit 18,7 % kompletten Remissionen beim therapieresistenten metastasierten Melanom im Stadium IV. ­Bemerkenswerterweise fand man nicht nur in den injizierten Läsionen die Remission, sondern auch bei anderen Metastasen. Es wird wahrscheinlich schon in Kürze eine randomisierte Zulassungsstudie zu RP1 plus NIVO geben. Zusätzlich hat der Hersteller auch für Patienten mit kutanem Platten­epithelkarzinom, Basalzellkarzinom, Merkelzell­karzinom und Angiosarkom eine aktuell noch rekrutierende Studie. Eines der wenigen ­Studienzentren in Deutschland findet sich bei uns in Kiel.

Ich persönlich finde, dass dieser Ansatz derzeit die beste intraläsionäre Therapie ist. Interessanterweise kann RP1 auch in innere Organe, beispielsweise die Leber, injiziert werden, und es könnte sich daraus auch ein interventionelles Therapiekonzept zusammen mit internistischen Onkologen und interventionellen Radiologen ergeben.

Der Experte

Prof. Dr. med. Axel Hauschild
Leiter der dermato­onkologischen Arbeitsgruppe und Professor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
24105 Kiel

ahauschild@dermatology.uni-kiel.de

Bildnachweis: privat

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt