- Anzeige -
Gynäkologie

Wir brauchen mehr Offenheit für das Thema Wechseljahre

Ausblick auf den Menopausekongress 2025

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

17.10.2025

Im November 2025 findet wie jedes Jahr der Menopausekongress in Frankfurt statt. Wir haben uns mit der diesjährigen Kongresspräsidentin unterhalten. Natürlich über die Kongress-Highlights, aber auch über gelungene Kommunikation, eine erfolgreiche Menopausensprechstunde und die gesellschaftliche Relevanz des Themas.

Dr. med. Susanne Theis
Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit Universitätsmedizin Mainz

susanne.theis2@unimedizin-mainz.de

Frau Dr. Theis, viele Frauen empfinden die Wechseljahre nach wie vor als „Tabuthema“. Wie gelingt es in der Praxis, Patientinnen behutsam abzuholen und das Gespräch zu eröffnen?

Ganz allgemein kann man erst mal offene Fragen stellen. Die Patientin fragen, ob sie in der letzten Zeit Veränderungen bemerkt hat, körperlich oder im Wohlbefinden. Und wenn dann Unsicherheiten bemerkbar sind, frage ich ein paar typische Symptome einfach ab, ohne das Wort Wechseljahre zu verwenden. Also zum Beispiel: Wie ist der Schlaf? Wie ist die Stimmung über den Zyklus? Gibt es Veränderungen in der Sexualität? Vielleicht aufgrund von Scheidentrockenheit?

Also einfach abfragen, Verständnis zeigen und ganz wichtig: Signalisieren, dass diese Veränderungen ein ganz normales Thema sind und dass „frau“ sich dafür nicht schämen muss – dass sie ganz offen darüber sprechen darf.

Welche Kommunikationsstrategien sind besonders hilfreich, um Sorgen oder Vorurteile gegenüber bestimmten Behandlungsmöglichkeiten zu adressieren?

Also erstmal natürlich die Sorgen ernst nehmen und dann versuchen, das realistisch einzuordnen. Das beste Beispiel sind Hormone. Da gilt es zu besprechen: Was ist der Nutzen, was sind vielleicht die Risiken? Und ich finde, man kann die Risiken gut an konkreten Zahlen verdeutlichen. Indem man sagt: Wenn tausend Frauen das nehmen, werden davon 5 oder 10 diese Nebenwirkung haben. Wir haben ja die wissenschaftlichen Daten und die müssen wir verständlich darstellen.

Dann sollten wir auch Alternativen, die ja häufig vorgeschlagen und genannt werden, neutral einordnen und entsprechend dazu informieren. Was kann man machen, was schadet nicht und was interagiert auch nicht. Dazu ist es ganz wichtig, über alle Möglichkeiten zu sprechen und auch klarzustellen, dass nicht alles das Gleiche ist. Das sind unterschiedliche Dosierungen, Präparate, Applikationswege. Die muss man dann mit der Patientin zusammen sortieren.

Was sind typische Missverständnisse oder Informationslücken, mit denen Patientinnen in die Sprechstunde kommen – und wie können Ärztinnen und Ärzte diesen begegnen?

Eine Hauptsorge ist ja, dass jede hormonelle Therapie irgendwann Krebs verursachen würde. Und auch  hier sollten wir die Sorgen ernst nehmen, das Risiko anhand von konkreten Zahlen wieder realistisch einordnen.

Ein weiteres Vorurteil ist für mich, dass viele Patientinnen denken, die Wechseljahre fangen erst an, wenn die letzte Blutung aufhört: Hier ist es wichtig, dass wir aufklären. Dass die Umstellung eben nicht erst dann beginnt, sondern dass es eine Phase des Übergangs gibt, die vielleicht sogar mit mehr Symp­tomen behaftet sein kann.

Manche Frauen denken, dass die Lebensqualität in und nach den Wechseljahren automatisch abnehmen würde oder die Sexualität schlechter würde. Und ich glaube, das ist etwas, was wir auch aktiv ansprechen können. Wir können sagen, dass das gar nicht so sein muss. Dass nicht jede Frau Symptome hat und dass man denen, die Symptome haben, helfen kann.

Welche Elemente sollte eine moderne Menopausensprechstunde enthalten, damit sie Patientinnen umfassend unterstützt?

Am Anfang steht natürlich immer eine ausführliche Anamnese, um zu sehen: Was sind im individuellen Fall denn jetzt die Beschwerden der Patientin? Das bringt uns dann nämlich gleich zu der Frage: Was könnten mögliche weitere Disziplinen sein, die man im individuellen Fall hinzuziehen sollte?

Ich denke da an die Kardiologen, an die Osteologen und so weiter, aber ganz wichtig auch an die Hausärzte. Die sind häufig die ersten Ansprechpartner bei unspezifischen Beschwerden. Und müssen daran denken, das könnten auch Wechseljahresbeschwerden sein und die Patientin entsprechend weiterleiten.

Man kann ja nicht alles auf einmal verändern oder verbessern, aber man kann eine Priorisierung vornehmen und das dann Stück für Stück abarbeiten. Das heißt Folgetermine anbieten und zwischendurch auch kurzfristig mal einen Telefontermin vereinbaren, wenn eine neue Therapie begonnen wird. Einfach um zu hören, wie kommt die Patientin zurecht. Wichtig ist, dass sich der Bedarf während der Therapie ändern kann und dann eine Anpassung nötig wird.

Wenn man die Sprechstundenzeit gut strukturiert, braucht es gar nicht unbedingt so viel mehr Zeit. Weil man mit gezielten Fragen relativ gut die Symptome und Beschwerden der Patientin erfassen und dann auch gezielt helfen kann. Eine hohe Struktur spart viel Zeit.

Wie hat sich der gesellschaftliche Blick auf die Wechseljahre in den vergangenen Jahren verändert?

Die Menopause ist einfach präsenter geworden, sodass die Gesellschaft sich vielleicht einfach bewusster ist, dass es diese Phase gibt. Und dass es eine Phase ist, die zum Leben dazugehört und dass es bestimmte Unterstützungen gibt, die man in dieser Zeit vielleicht anbieten kann.

Ich denke jetzt insbesondere auch an die Arbeitgeber. Die haben schon verstanden, dass es möglicherweise so ist, dass Frauen, die unter Wechseljahresbeschwerden leiden, etwas mehr oder andere Unterstützung brauchen als zuvor. Dass sie aber trotzdem immer noch erfahrene, langjährige Mitarbeiterinnen sind, die sich weiter gut einbringen können und wollen. Und dass sie nicht nur wegen der Wechseljahre in den vorzeitigen Ruhestand abdriften müssen.

Der Glaube ist weitverbreitet, dass Hitzewallungen das einzige Symptom bei Wechseljahresbeschwerden sind. Hier müssen wir vielleicht noch ein wenig mehr Aufklärung leisten, was denn alles Symptome sein könnten. Zum einen natürlich fürs Umfeld, aber auch für die Patientinnen selbst. Viele wissen noch gar nicht, das könnten Wechseljahresbeschwerden sein, was sie da so belastet.

Welche politischen Entwicklungen wären nötig, um Frauen in dieser Lebensphase besser zu unterstützen?

Dann würden wir uns natürlich erstmal wünschen, dass Menopausensprechstunden im Kassensystem so abgebildet werden, dass Ärztinnen und Ärzte nicht immer das Gefühl haben müssen, sie können sich die Zeit nicht nehmen. Dass man diese Beratung so integriert, wie eigentlich auch der Bedarf ist. Dann bekommen wir eine gute Versorgung und das ist ja letztlich auch wieder etwas, was das Gesundheitssystem langfristig entlastet.

Gibt es Vorbilder aus anderen Ländern, von denen das deutsche Gesundheitssystem lernen könnte?

Es gibt natürlich Länder, die sind schon etwas weiter als wir. Hier wird immer Großbritannien genannt, wo auch politisch schon ein paar Strukturen geschaffen wurden, dass auch in Unternehmen und in der Allgemeinbevölkerung ein Bewusstsein entsteht. Bestimmte Voraussetzungen am Arbeitsplatz sind dort verpflichtend geworden für die Arbeitgeber, man muss also darauf Rücksicht nehmen. ­Sicher muss man nicht alles übernehmen, aber an manchen Teilen können wir uns gewiss ein Beispiel nehmen.

Die Schweiz ist auch relativ weit, und langfristig wäre es schön, dass das auch in Deutschland ­integriert wird. Nicht nur im politischen Bewusstsein, sondern auch in der Ausbildung. Je früher Menschen darüber erfahren, desto normaler wird es. Insbesondere wünschenswert wäre die Integration in der Ausbildung von Medizinerinnen und ­Medizinern sowie in der Facharzt-Weiterbildung.

Sie sind zusammen mit unserem Herausgeber, Prof. Thomas Römer, Kongresspräsidentin beim Menopause­kongress 2025. Welche Schwerpunkte setzt der Kongress in diesem Jahr und warum wurden gerade diese ausgewählt?

Wir haben versucht, ein interdisziplinäres Programm zusammenzustellen, um das Bewusstsein dafür zu stärken, dass Wechseljahre ein interdisziplinäres Thema sind, dass also sehr viele Nachbardisziplinen betroffen sein können. Die Betriebsmediziner zum Beispiel. Solche Ansprechpartner sind extrem wichtig, um die Botschaft in die Breite zu tragen. Und dann haben wir als Anspruch, dass wir das aktuelle Wissen so verständlich aufbereiten, dass die Kolleginnen und Kollegen, die den Kongress besucht haben, das direkt umsetzen können und es nicht abstrakte, wissenschaftliche Vorträge bleiben. Für Kolleginnen und Kollegen, die nicht aus der Gynäkologie kommen, ist es natürlich ganz wichtig, einfach zu sehen, was könnten Symptome sein, die vielleicht in ihrem Fach auftreten? Eine Kollegin aus der Psychosomatik hat mir kürzlich gesagt: Ich kann mir vorstellen, dass viele unserer Patientinnen einfach Wechseljahresbeschwerden haben. Denen könnten wir helfen.

Frau Dr. Theis,
vielen Dank für dieses Gespräch.

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt