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Gynäkologie

Neues Kongressformat

Integrative Onkologie: Fokus auf das Nebenwirkungsmanagement

Prof. Dr. med. Harald Meden

15.2.2024

Im Herbst 2023 fand der erste Weltkongress Integrative Onkologie (WOCOIO) in Ludwigsburg statt. Kongresspräsident war Prof. Dr. Gary Deng vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York. Mit diesem Kongress gelang die erfolgreiche Premiere eines neuen wissenschaftlichen Konzepts.

Im Nebenwirkungsmanagement bei schulmedizinischen Behandlungen haben Komplementärmedizin und Naturheilverfahren eine wachsende Bedeutung. Durch ihren Einsatz, ergänzend zu schulmedizinischen Behandlungen, ist es bei vielen Patientinnen möglich, schulmedizinische onkologische Behandlungskonzepte planmäßig durchführen zu können. Somit kann die Komplementärmedizin dazu beitragen, dass schulmedizinische Behandlungen optimal umgesetzt werden können. Ergänzend dazu können komplementärmedizinische Behandlungen zur Optimierung der Lebensqualität, während onkologischer Behandlungen und danach, beitragen.

Themenschwerpunkte im Kongressprogramm

Zu den Themenschwerpunkten im Kongressprogramm gehörten Immunstimulation bei onkologischen Erkrankungen, Schmerztherapie, Nebenwirkungsmanagement, Ernährung, Sport und Be­wegung, Psychoonkologie, sowie die Implementierung von Komplementärmedizin in onkologische Gesamtkonzepte. Nachfolgend ausgewählte Aspekte.

Fatigue-Syndrom

Chronische Müdigkeit ist bei onkologischen Patienten häufig. Das Cancer-related Fatigue Syndrome (CRFS) wurde multidisziplinär thematisiert. Einigkeit bestand zur Definition des CRFS: 1) Außerordentliche Müdigkeit, mangelnde Energiereserven oder massiv erhöhtes Ruhebedürfnis, das absolut unverhältnismäßig zur vorangegangenen Aktivität ist. 2) Die Erschöpfung lässt sich nicht durch normale Erholungsmechanismen ausgleichen. 3) Vermehrter Schlaf führt nicht zur erhofften Regeneration.

Bei Patientinnen mit Mammakarzinom wird die ­Häufigkeit des CRFS mit 28–91 % angegeben. CRFS trägt zu negativem Stress bei und reduziert die ­Lebensqualität. CRFS kann in jeder Phase der onkologischen Erkrankung auftreten. Risikofaktoren sind Schlafstörungen, Schmerzen, Depression und endokrine Therapie. Auch mit der Häufigkeit und Dauer einer Chemotherapie steigt das CRFS-Risiko. Zahlreiche Ansätze zur Behandlung wurden aufgezeigt.

Neuere Studien belegen den Wert einer Mistel­therapie zur Fatigue-Behandlung. Unter anderem wurden Studienergebnisse zur Misteltherapie i. v., mit verschiedenen Präparaten und verschiedenen Dosierungen, aus der Johns Hopkins Universität in ­Baltimore (USA) vorgestellt.

Neue Studienresultate zu Selen

Prof. Dr. Lutz Schomburg, Carité Berlin, präsentierte neue Studiendaten zu Selen. Bei Mammakarzinompatientinnen wurden Serum-Selenspiegel, Selenoprotein P und Glutathionperoxidase-3 als Prädiktoren für Rezidive und für die Mortalität identifiziert. Vorgestellt wurde eine multizentrische Kohortenstudie mit 1 996 Patientinnen, die 9 Jahre lang nachbeobachtet wurden. Patientinnen mit einem Mangel an Selenoprotein P (unterste Quintile) hatten eine signi­fikant schlechtere Prognose, mit einer Verdoppelung des Mortalitätsrisikos.

Besonders ausgeprägt war die Verschlechterung der Prognose, wenn alle drei genannten Parameter ­(Serum-Selenspiegel, Selenoprotein P und Glutathion­peroxidase-3) gleichzeitig deutlich erniedrigt waren (unterste Quintile). In dieser Gruppe waren nach 8 Jahren 50 % der Patientinnen verstorben.

In einer weiteren Studie wurde der Zusammenhang zwischen Fatigue-Syndrom und Autoantikörpern gegen Selenoprotein P (SELENOP-aAB) beschrieben.

Autoantikörper gegen Selenoprotein fanden sich bei 2 % in einer Kontrollgruppe, bei 7,7 % der untersuchten Patientinnen mit Mammakarzinom und bei 15 % der Patientinnen mit Fatigue-Syndrom. Der Nachweis von Autoantikörpern gegen Selenoprotein war mit einem reduzierten T3/T4-Quotienten, verminderter Dejodierung und reduzierter Jodausscheidung im Urin assoziiert.

In weiteren Beiträgen wurden zusätzliche Aspekte zu Selen beleuchtet, unter anderem die durch ­Selentherapie reduzierte Diarrhoerate bei Bestrahlung des kleinen Beckens.

PD Dr. med. Ralph Mücke vom Brust- und Darmzentrum Bad Kreuznach stellte eine Analyse zur Komplementärmedizin bei 1 013 Patientinnen vor. In diesem Kollektiv verwendeten 71 % mindestens eine Methode aus der Komplementärmedizin in Ergänzung zur Strahlentherapie. Zur Prophylaxe und Therapie von Diarrhoe bei Strahlentherapie des kleinen Beckens oder des Abdomens wurde in dem Vortrag auf die Vorteile einer hinreichenden Versorgung mit Selen hingewiesen. Zielparameter war dabei ein Selenspiegel von 100–130 µg/l. Der positive Einfluss auf Diarrhoe war vom Referenten in einer eigenen randomisierten Studie nachgewiesen worden, mit signifikanten Vorteilen in der Selen-behandelten Gruppe im Vergleich zur Gruppe ohne Selenbehandlung.

Mammakarzinom: Bedeutung von Vitamin D

Frauen mit zu niedrigen Vitamin-D-Spiegeln haben ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Mammakarzinoms. Bei Mammakarzinompatientinnen, die vor Beginn der Chemotherapie erniedrigte ­Vitamin-D-Serumspiegel haben, sinkt dieser Spiegel unter der Chemotherapie weiter ab. Brustkrebs­patientinnen mit erniedrigten Vitamin-D-Serumspiegeln haben eine schlechtere Prognose im Vergleich zu Frauen mit normalen Vitamin-D-Werten. Bei Brustkrebspatientinnen sollte ein Vitamin-D-Mangel erkannt und behandelt werden. Die orale Substitutionsbehandlung mit Vitamin D kann täglich, wöchentlich oder monatlich erfolgen. Der individuelle Bedarf kann sehr unterschiedlich sein. Ziel der Behandlung sind Vitamin-D-Spiegel im Normbereich. Die Normwertbereiche für Vitamin D können in verschiedenen Laboren unterschiedlich sein. Es gibt Hinweise, dass der Ausgleich erniedrigter Vitamin-D-Spiegel die Symptome eines Fatigue-Syndroms bessern kann.

Der Kongress zeigte, dass die Therapie onkologischer Patientinnen und Patienten immer individueller und komplexer wird. Somit gewinnt der fachliche und persönliche Austausch, wie auf diesem Kongress, zunehmend an Bedeutung.

Im Interview

Prof. Dr. med. Harald Meden
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
1. Vorsitzender der NATUM e. V.

meden@bluewin.ch

Bildnachweis: privat

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