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Dermatologie

Hyaluronidase

Evidenzbasiertes Management bei Filler-Komplikationen

Ines Schulz-Hanke

29.5.2025

Nachdem die Produktion der Hylase® Dessau endet, arbeitet die Deutsche Gesellschaft für ästhetische ­­ Botulinum- und Fillertherapie an Empfehlungen zur zukünftigen Versorgung mit Hyaluronidase. In einem Webinar bot sie zunächst einen Überblick zum Einsatz von Hyaluronidase auf der Basis aktueller Daten.

Die native Hyaluronsäure wird kontinuierlich vor allem durch Hyaluronsäure-Synthasen (HAS1–3) in den kutanen Fibroblasten produziert und hat unter dem Einfluss von körpereigenen Hyaluronidasen, Sonne und oxidativem Stress eine Halbwertszeit von 24 Stunden. Hyaluronsäure ist physiologisch bedeutsam, unter anderem für den Haut-Turgor und als Bestandteil der Gelenkflüssigkeit. Sie spielt jedoch auch bei pathologischen Prozessen wie Entzündungen, Typ-1- und Typ-2-Diabetes, Leberzirrhose oder Al­lergien eine Rolle. Klinisch scheint sie den Adipozyten-Transfer zu verbessern und sie wird als Faltenfüller eingesetzt, wie Prof. Dr. med. Peter Arne Gerber (Düsseldorf) einführend erklärte [1].

Da Filler eine längere Halbwertszeit brauchen als natürliche Hyaluronsäure (HA), enthalten sie veränderte, meist quervernetzte Hyaluronsäure, die langsamer abgebaut wird. Hierfür werden verschiedene Cross-Linker zwischen den HA-Ketten eingebaut, z. B. 1,4-Butanediolether (BDDE). Das Filler-Spektrum reicht vom „Skin Booster” mit gering vernetzter Hyaluronsäure bis hin zu sehr festen und haltbaren Volumen-Fillern [2].

Trotzdem lassen sich Hyaluronsäure-basierte Filler durch Einspritzen einer Hyaluronidase auch beschleunigt auflösen [3]. Das Enzym war ursprünglich als medikamentöser Zusatz für die Lokalanästhesie zugelassen worden: Es spaltet Hyaluronsäure-Ketten der extrazellulären Matrix in Fragmente und beschleunigt so die Verteilung des Anästhetikums über eine größere Fläche [2].

Zu beachten sei aber auch, dass niedrigmolekulare Fragmente, die aus den Fillern abgespalten werden, unter Umständen sterile Entzündungen triggern können, die infektiösen Entzündungen ähneln, führte Gerber aus. Entzündliche Prozesse und Granulome im Zusammenhang mit Fillern seien also nicht immer auf einen Biofilm zurückzuführen.

Mit Hyaluronidase „fluten“: das DeLorenzi-Protokoll

Als Therapie-Goldstandard für einen Gefäßverschluss nach Hyaluronsäure-Anwendung gilt das DeLorenzi-Protokoll (auch High-Dose-Pulse-/Flooding-Protokoll) [4]. Als potenzielle Ursache eines Gefäßverschlusses postulierte DeLorenzi zum einen die versehentliche HA-Injektion in ein Gefäß mit anschließender Embolus-Bildung. Zum anderen könne das Gefäß vollständig durchstochen werden und das Hyaluron durch den Stichkanal in das Gefäß zurückfließen, insbesondere bei größeren Injektionsvolumina. Als dritte Hypothese hielt DeLorenzi eine vaskuläre Kompression durch große HA-Volumina für denkbar. Und schließlich könne ein HA-bedingter äußerlicher Stimulus der Gefäßinnervation einen Vasospasmus triggern, der wie die vaskuläre Kompression das Gefäß funktionell verschlösse.

In der Praxis entstünden Nasenspitzennekrosen vor allem durch äußeren Druck auf einzelne Gefäße, ergänzte Dr. med. Konstantin Frank (Mühldorf). An der Nasenspitze wie auch am subdermalen Plexus und der Glabella liege wenig Fettgewebe zwischen Haut und Knochen, sodass es hier zu einer Komprimierung insbesondere von subkutanen Arteriolen im Endstromgebiet kommen könne.

Nach DeLorenzi dringt eingespritzte Hyaluronidase (HYAL) in (kleine) Gefäße ein, verliert aber an Wirkung durch Verdünnung, Leckage ins Serum, Deaktivierung und Diffusion. Deswegen werden nach dem Flooding-Protokoll bei einem Filler-bedingten Gefäßverschluss stündlich 500, 1 000 oder 1 500 Einheiten HYAL nachgespritzt, bis das betroffene Areal vollständig „geflutet“ und klinisch eine Reperfusion festzustellen ist.

Geht es Ultraschall-kontrolliert besser?

Alternativ könnte man Hyaluronidase Ultraschall-kontrolliert direkt in ein verschlossenes Gefäß spritzen [5]. Das Verfahren wurde retrospektiv beleuchtet, nachdem es bei 39 Fällen mit Filler-assoziierten vaskulären Symptomen angewendet worden war, die auf das Flooding-Protokoll unzureichend oder nicht angesprochen hatten [6]. Behandelnde mit hoher Ultraschallexpertise prüften mithilfe eines Farbdoppler-Ultraschalls, wo der Blutfluss abgebrochen war, und injizierten 25–400 IE Hyaluronidase in das Depot der gestauten Arterie. In 85 % der Fälle war innerhalb von 60 Sekunden der Durchfluss wiederhergestellt. In den verbleibenden 15 % konnte durch eine Wiederholung am Folgetag ebenfalls eine komplette Reperfusion ohne bleibende Schäden erzielt werden.

In der Diskussion der Studie vermutete Gerber, dass man hier weniger einen peripheren Embolus aufgelöst, als vielmehr eine externe vaskuläre Kompression oder die Ursache für einen vaskulären Spasmus beseitigt hätte. Prof. Dr. med. Berthold Rzany (Wien) kritisierte, dass die Hälfte der Betroffenen weiterhin mit dem High-Dose-Protokoll und die andere mit dem Ultraschall-kontrollierten Verfahren hätte behandelt werden müssen, um einen klinischen Vergleich vornehmen zu können. Frank, selbst Co-Autor der Studie, ergänzte, dass das Verfahren eine zu hohe Ultraschall-Expertise voraussetze, um praxistauglich zu sein, und dass der im Farbdoppler nachgewiesene Effekt auch auf eine reaktive Hyperämie nach HA-Injektion zurückzuführen sein könnte. Er empfahl, beim regionalen Flooding zu bleiben, zumal auch der Abgang des Verschlusses im Ultraschall nur sehr schwer zu finden sei. Der im Vergleich zum Flooding geringere HYAL-Verbrauch sei unter finanzieller Abwägung bisher nicht dringend geboten. Die Hyaluronidase habe zudem eine hohe Diffusions­kapazität und dringe auch durch die Gefäßwand, sodass ein Thrombus mit Flooding auch ohne Ultraschall aufgelöst werden müsste, ergänzte Gerber.

Hyaluronidase kann auch durch die Gefäßwand dringen.

Am Kaninchenohr-Modell konnte gezeigt werden, dass sich bei einem Filler-Verschluss durch eine ­frühe Intervention innerhalb eines Zeitfensters von 4 Stunden mehr Gewebe erhalten lässt, wenn die Hyaluronidase wiederholt infiltriert werde. Dennoch sollte man auch intervenieren, wenn der Patient oder die Patientin erst nach mehr als 4 Stunden komme, betonte Rzany [7]. Eine weitere Vergleichsstudie am Kaninchenohr-Modell belegte, dass nach einer intra­vaskulären HYAL-Injektion ein nekrotischer Rand im Endstromgebiet verbleibt und das regionale High-Dose-Flooding einen besseren Effekt erzielt [8]. Offensichtlich könne die Hyaluronidase also durch die Gefäßwand in das Gefäß dringen, so Gerber [7].

Lassen sich alle Filler vergleichbar gut auflösen?

Die Inkubation verschiedener Filler in einem Hyalu­ronidase-haltigen Medium hat gezeigt, dass sich verschiedene Filler-Präparate nach 20 Stunden komplett auflösen. Nach 4 Stunden und bei geringer Hyaluronidase-Dosis ließen sich jedoch Unterschiede zwischen verschiedenen Fillern feststellen [2,9]. Außerdem ist die Auflösung eines Fillers abhängig von der Hyaluronidase-Dosis (5, 10 oder 20 E/ml HYAL). Unter der höchsten HYAL-Konzentration lösten sich alle Filler auf, wobei die Geschwindigkeit durch den Hyaluron-Gehalt, den Vernetzungsgrad und vor allem durch die Art der Vernetzung beeinflusst werde, erklärte Gerber [10]. Eine höhere Resistenz könne ein Bonus für die Haltbarkeit sein, für die Sicherheit aber vielleicht eher ein Malus.

Zeitfenster und Dosis der Hyaluronidase-Injektion machen den größten Effekt aus.

Hyaluronidase bei Unterlidödemen

Unterlidödeme, die nach einer Trear-Through-­Augmentation oder veranlagungsbedingt entstanden sind, sprächen insgesamt auf eine Hyaluronidase-Behandlung gut an. Erfahrungsgemäß solle das applizierte Hyaluronidase-Volumen dem geschätzten Ödem-Volumen entsprechen. Als günstig habe sich erwiesen, kleinere Dosen in mehreren Sitzungen zu spritzen, um den gewünschten Filler-Effekt möglichst zu erhalten und weil sich die ­Ödeme über 2 bis 4 Wochen nach Hyaluronidase-Anwendung weiter zurückbildeten, erklärte Gerber. Eine Überdosierung könne neben dem Filler auch das körpereigene Hyaluron abbauen, das jedoch resynthetisiert werde. Ein frühes Eingreifen innerhalb weniger Wochen nach Ödembildung führe schneller zum gewünschten Ergebnis [11].

Allergietestung: eminenzbasiert oder notwendig?

Patientinnen und Patienten vor der Anwendung medizinischer Hyaluronidase auf eine Insektengift-Allergie zu testen, wird immer wieder empfohlen, weil auch Wespen- und Bienengift eine Hyaluronidase enthält, die die Verbreitung des Gifts im Gewebe erhöht. Der einfach durchzuführende Pricktest sei allerdings im Praxisalltag vieler ophthalmologischer Praxen nicht üblich, obwohl in der Lid- und Ophthalmo­chirurgie Hyaluronidase als Zusatz zur Lokalanästhesie sehr häufig genutzt werde, berichtete Gerber.

Wie eine aktuelle Studie an 90 Personen mit bestätigter Insektengift-Sensibilisierung gezeigt hat, reagieren rund 20 % der Menschen mit Wespengift-Allergie, die keine Allergen-Immuntherapie (AIT) durchlaufen haben, tatsächlich auf medizinische Hyaluronidase. Bei den 30 Kontrollen ohne Insektengift-Allergie oder nach einer AIT und bei Menschen mit Bienengift-Allergie wurde hingegen keine Reaktion auf medizinische HYAL festgestellt. Aufgrund des häufigeren Auftretens Insektengift-bedingter Anaphylaxien und der gefundenen Sensibilisierungsrate, rät das Autorenteam dazu, alle Menschen mit potenzieller Insektengift-Allergie vor einer HYAL-Anwendung zu testen und ggf. einer AIT ­zuzuführen [12]. Die Vortragenden widersprachen dem jedoch: Die Daten zur Insektengift-Anaphylaxie seien schwach und belegten kein häufiges Auftreten. Insektenstiche lösten eher eine verzögerte immunologische Reaktion aus. Bei einem akuten Filler-­bedingten Verschluss zunächst eine AIT vorzuschalten, sei zudem „schwierig“, so Gerber. Ob eine Testung durchgeführt werden sollte, ist seiner Ansicht nach noch immer kontrovers zu beurteilen. Die ­Diskussion werde auch von der Angst geleitet, Fehler zu machen, und sie verunsichere Patientinnen und Patienten, befürchtete Rzany.

Post-Hyaluronidase-Syndrom oder beschleunigte Wundheilung?

Es gebe Fälle, in denen Patientinnen und Patienten nach einer HYAL-Behandlung über ein „eingefallenes“ Gesicht klagten, berichtete Gerber. Anhand von ­Vorher-Nachher-Bildern sei dies jedoch kaum nachzuvollziehen gewesen. Allerdings müsse man davon ausgehen, dass das eingespritzte Hyaluron „wie ein Expander“ wirke. Löse man es nach Jahren mit Hyaluronidase wieder auf, könne das Gesicht in sich zusammenfallen. Die Ursache sei jedoch nicht, dass die körpereigene Hyaluronsäure aufgelöst würde, wie sich in einem Wundheilungsmodell habe zeigen lassen.

In dem Modell wurden Fibroblasten mit Hyaluronsäure, HA-Fragmenten oder Hyaluronidase inkubiert [13]. Mittels Zeitraffer-Videomikroskopie ließ sich beobachten, wie Fibroblasten bei Zugabe von HA oder HYAL innerhalb von etwa 22 Stunden signifikant schneller in die Wunde einwanderten als im Kontrollansatz mit Nährmedium oder HA-Fragmenten. HA erwies sich als bioaktiv: Sie regelte die Gen­expression von HA-Synthase 1 und 2 in den Fibroblasten hoch. Zugesetzte HYAL hatte einen noch stärkeren Effekt (auch auf HAS 3), sie provozierte über ein „negatives Feedback“ eine verstärkte Hyaluronsäure-Produktion, um das Defizit aufzufüllen.

Das Ergebnis ließ sich auch an Hautpräparaten bestätigen, die mit Medium, HA oder unterschiedlich hohen HYAL-Dosen inkubiert wurden: Bei der niedrigsten HYAL-Konzentration wurde im Vergleich zur Kontrolle hochsignifikant mehr Hyaluron im Gewebe nachgewiesen. Offenbar habe dies die HA-Produktion in diesem Gewebe ex vivo getriggert, schloss Gerber. So stimuliere sie wohl die Fibroblasten, die das Defizit ausglichen, wenn natürliche Hyaluronsäure abgebaut werde. Wie dieser Effekt vermittelt wird, sei noch nicht klar. Das Ergebnis der Studie liefere aber ein Gegenargument zu der Annahme, dass die Hyaluronidase das Gesicht einfallen lassen könnte.

  1. Drygalski K et al., Diabetes 2023; 72: 159–69
  2. Weber GC et al., Adv Exp Med Biol 2019; 1148: 255–77
  3. Buhren BA et al., Euro J Med Res 2016; 21: 1–7
  4. De Lorenzi C, Aesth Surg J 2017; 37: 814–25
  5. Schelke LW et al., Aesth Surg J 2023; 43: 86–96
  6. Schelke LW et al., Plast Reconstr Surg Glob Open 2022; 10: e4639
  7. Li J et al., Aesth Plast Surg 2019; 43: 1362–70
  8. Wang M et al., Dermatol Surg 2017; 43: 246–54
  9. Buhren BA et al., Eur J Med Res 2018; 23: 37
  10. Gerber PA et al., Plast Reconstr Surg 2023; 151: 560–7
  11. Hilton S et al., Eur J Med Res 2014; 19: 30
  12. Bertlich M et al., Br J Dermatol 2024; 191: 1000–7
  13. Buhren BA et al., Eur J Med Res 2020; 25: 60

Webinar „Hylase: Evidenz – Datenlage und aktuelle Literatur“ (Veranstalter: DGBT), März 2025

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