Die Anwendung von Hyaluronsäure-basierten Fillern gehört heute zum Standard in der minimalinvasiven ästhetischen Medizin. Mit zunehmender Zahl an Behandlungen rücken jedoch auch unerwünschte Ereignisse verstärkt in den Fokus. Prävention und strukturiertes Komplikations-Management sind hier essenziell.
„Die Prävention von Komplikationen ist das A & O“, so PD Dr. med. Wolfgang Philipp-Dormston (Köln). Wichtig sei, sich zunächst einmal klar zu machen, welche Komplikationen durch welchen Faktor ausgelöst werden, d. h. welche Punkte auf den Arzt (physician), welche auf den Patienten und welche auf das gewählte Produkt zurückzuführen seien („P-Prinzip“) [1]. „Unerlässlich für das Vermeiden von Komplikationen ist eine fundierte anatomische Ausbildung, um Gefahrenzonen zu erkennen und Injektionsrisiken zu minimieren. Entscheidend sind aber auch die Wahl des passenden Fillers in Bezug auf Kohäsivität, Vernetzungsgrad und Viskosität sowie eine sterile und standardisierte Injektionstechnik mit risikoarmen Injektionsplänen. Darüber hinaus muss das individuelle Risikoprofil der Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden [2-4].“ Und auch das Prozedere selbst müsse reflektiert erfolgen: Eine langsame Injektion mit wenig Druck und kleinen Volumina sei ebenso wichtig wie die richtige Verwendung von stumpfer Kanüle und spitzer Nadel [1].
Welche Arten von Nebenwirkungen gibt es?
„Ein modernes Komplikationsmanagement muss strukturiert, evidenzbasiert und dynamisch sein – mit klarer Differenzierung nach Pathomechanismus und Zeitpunkt des Auftretens“, erläuterte der Experte. Die Einteilung unerwünschter Ereignisse kann klinisch nach dem Schweregrad in milde, moderate und schwere Formen erfolgen [1,5,6]. Während milde Reaktionen wie Rötung, Hämatome oder Schwellungen meist selbstlimitierend sind, können moderat verlaufende wie Spannungsgefühle, Dysästhesien oder papulöse Hautveränderungen durchaus behandlungsbedürftig sein. Schwerwiegende Ereignisse umfassen v. a. vaskuläre Okklusionen, Embolisierung mit Erblindungs- oder Apoplex-Gefahr, allergische Reaktionen sowie Injektionstraumata und erfordern umgehendes Handeln [1].
Nach dem zeitlichen Auftreten unterscheidet man akute Komplikationen, die unmittelbar nach der Injektion auftreten (z. B. Gefäßverschluss, Hämatome), Frühkomplikationen innerhalb der ersten 2–4 Wochen nach Injektion (z. B. sterile Entzündungen) und verzögerten Reaktionen, die sich nach mehr als 4 Wochen manifestieren (z. B. granulomatöse Reaktionen, Biofilme, immunvermittelte Reaktionen) [1,5,6].
Der Notfall: Die vaskuläre Okklusion
Es gibt zwei verschiedene Arten der vaskulären Komplikation: die intravaskuläre Obliteration durch Filler-Material im Gefäßlumen und die extravaskuläre Kompression durch Filler-Material oder Hämatome oder möglicherweise einen reaktiven Angiospasmus [1,7]. Beim intravaskulären Verschluss unterscheidet man den lokalen Gefäßverschluss von der embolischen retrograden Verschleppung mit konsekutiver Erblindung. Klinisch verläuft ein Gefäßverschluss in Stadien: Der plötzlichen schmerzhaften Weißfärbung der Haut im Moment der Injektion folgt innerhalb von Minuten die Livedo, die im Bereich von Stunden in eine Dunkelfärbung der Haut übergeht (Stadien I–III). Innerhalb von Tagen folgen Blasen- und Pustelbildung als Zeichen des Gewebeniedergangs sowie schließlich Demarkation und Ulzeration (Stadien IV–VI). „Wichtig ist: Wir behandeln in allen Stadien. Auch wenn wir nur in den Stadien I bis maximal III die Chance haben, das Gewebe zu retten, können wir in den Stadien IV bis VI durch eine Reperfusion zumindest die Heilungschancen verbessern“, betonte der Experte. Essenziell sei für ihn auch die Kenntnis der Karte der Angiosmen, also der anatomischen Hautgefäßversorgungsgebiete [8]. Denn bei Auffälligkeiten in bestimmten Hautarealen – und wichtig sei auch das Beobachten der mukokutanen Bereiche –, könne man ziemlich genaue Rückschlüsse darauf ziehen, in welchen Gefäßästen die Obliteration vorliegen muss.
Was tun bei akutem Gefäßverschluss?
„Das Wichtigste bei einem Gefäßverschluss ist die wiederholte Injektion von Hyaluronidase“, betonte Philipp-Dormston. „Demzufolge sollte man sich bewusst machen, dass eine Filler-Injektion nur dann erfolgen darf, wenn man auch das Rescue-Medikament Hyaluronidase im Kühlschrank vorrätig hat – selbst wenn es sich dabei um ein Off-Label-Medikament handelt.“
Hyaluronidase muss bei Filler-Injektionen immer vorrätig sein.
Hyaluronidase wirkt über eine Spaltung der Hyaluronsäure-Matrix und wird neben vaskulären Okklusionen auch bei zu großen Mengen an injiziertem Filler, zur Reduktion von Ödemen sowie zum Aufbrechen von Biofilmen auf dem Filler-Material eingesetzt [1]. Die Notwendigkeit der repetitiven Gabe beruht auf dem Vorhandensein von Anti-Hyaluronidase im menschlichen Gewebe, die die Hyaluronidase schneller zersetzt als diese den Filler-Bolus auflösen kann [1]. Da Hyaluronidase Bestandteil von Bienen- und Insektengiften ist, besteht für diesbezügliche Allergiker ein erhöhtes Risiko für allergische Reaktionen nach Injektion von Hyaluronidase. Das Anaphylaxierisiko wird mit bis zu 10 % angegeben. „Im vaskulären Notfall setze ich auch bei bekannter Bienen- oder Wespengiftallergie Hyaluronidase ein, allerdings unter liegendem venösen Zugang und nach Information der Anästhesie. Bei Filler-Spätkomplikationen dagegen wäre ich eher zurückhaltend bei diesem Personenkreis“, so der Experte.
Nach Claudio DeLorenzi sollte Hyaluronidase im akuten Notfall als Hochdosis-Intervall-Therapie mit 300–600 IE alle 60 Min. injiziert werden, nach dem Prinzip: „So lange und so viel, bis die Reperfusion des Gewebes wiederhergestellt ist“ [9]. Überprüfen lässt sich die Wiederherstellung der Perfusion mit dem Capillary Refill Test (CRT). „Nach meiner Erfahrung wird die Reperfusion meist nach etwa 3 Runden Hyaluronidase im Abstand von 20 bis 30 Minuten erreicht“, so Philipp-Dormston. „Steht ein hochauflösendes Ultraschallgerät zur Verfügung, kann die Gefäßokklusion natürlich auch direkt anhand der Kollateralkreisläufe, dem „Medusen-Zeichen“,detektiert und die Hyaluronidase ultraschallgesteuert gezielt im Bereich der Okklusion injiziert werden [10].“
Gerade bei schwereren Gefäßverschlüssen können neben der Primärtherapie mit Hyaluronidase zusätzlich noch andere Ansätze hilfreich sein, darunter warme Kompressen und Massagen zur Förderung der Mikrozirkulation, rheologische Wirkstoffe wie Aspirin oder niedermolekulares Heparin sowie die hyperbare Sauerstofftherapie zur Verbesserung der Gewebeoxygenierung [11]. In besonderen Fällen kommen auch Steroide und Antibiotika in Betracht. Einen guten Überblick über die empfohlenen Maßnahmen bei Hautischämie gibt das FIVO-Schema (FIVO: filler-induced vascular occlusion) [12].
Vorsicht bei Bienen- und Wespengift-Sensibilisierten und Hyaluronidase.
Vaskuläre Komplikationen mit Erblindungsgefahr treten am häufigsten nach Eingriffen im Bereich der Nase auf [8,13-15]. Hier muss die Hyaluronidase direkt retrobulbär injiziert werden (1 500 IE in 4 ml) – was aber augenärztlich erfolgen sollte, betonte der Experte [16,17]. Zuvor solle man das Areal um das Injektionsgebiet herum bereits mit Hyaluronidase fluten, da diese auch durch die Gefäßwand ins Lumen übertritt [11]. Bei Gefäßverschlüssen mit Augenbeteiligung sollte die betroffene Person zusammen mit der Hyaluronidase direkt zum nächsten Augenarzt gefahren werden – unter Bulbusmassage und Rückatmung in eine Papiertüte, um den CO2-Haushalt zu verändern.
Späte inflammatorische Reaktionen
Gemäß Expertenkonsens spricht man von einer verzögerten Komplikation, wenn später als 4 Wochen nach der Behandlung klinische Zeichen einer Schwellung, Induration und Knoten auftreten [5,6]. Histologisch zeigt sich diese späte inflammatorische Reaktion als ins Gewebe integrierte Hyaluronsäure mit umgebender palisadenartiger Granulombildung. In der PCR können häufig Keime nachgewiesen werden, die die Biofilm-These stützen. Präventiv empfehlen sich auch hier eine genaue Patientenselektion, die Wahl der richtigen anatomischen Lokalisation sowie eine aseptische Technik, um eine Keimverschleppung in die Tiefe zu vermeiden. Als Trigger kommen neben Bakterien, zumeist solche der normalen Hautflora [18-20], auch virale Infekte infrage, z. B. eine Komplikation 2–3 Monate nach Injektion zusammen mit einer Influenza [21], aber auch Immuntrigger wie Impfungen oder die Substanz selbst (Autoimmune-inflammatory Syndrome Induced by Adjuvants, ASIA-Syndrom) [22,23].
Behandlungsschema differenziert nach Typ und Verlauf
Therapeutisch wird auch hier primär Hyaluronidase eingesetzt, um die Hyaluronsäure aufzulösen. Dabei habe sich laut Philipp-Dormston neben der Standardauflösung von 150 IE Hyaluronidase in 1 ml NaCl 0,9 % auch eine (nicht zugelassene) Rekonstitution mit 150 IE Hyaluronidase in 3 ml NaCl 0,9 % bewährt, sodass man pro 1 ml Injektionsflüssigkeit 50 IE/ml des Enzyms erhält. Der Gewebeinflammation kann mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Steroiden begegnet werden, aber auch Antibiotika wie Clarithromycin wirken antientzündlich. Gegen die Biofilmbildung werden Antibiotika eingesetzt und bei Granulombildung Steroide und ggf. 5-FU [1].
Als wichtige Take-home-Message betonte Philipp-Dormston: „Steroide wirken bei den inflammatorischen Spätreaktionen nur symptomatisch, nicht kausal. Das muss man wissen. Bei Absetzen des Steroids treten die Hauterscheinungen meistens wieder auf.“ Steroide sollten laut dem Experten daher nur dann gegeben werden, wenn der Zustand für die betroffene Person nicht erträglich sei. Bei bakterieller Ursache plädierte er für die kombinierte Gabe von Hyaluronidase und dem Antibiotikum Clarithromycin, da sich unter alleiniger Hyaluronidase der Biofilm wieder reorganisieren könne [1].
PD Dr. med. Wolfgang Philipp-Dormston
Hautzentrum Köln – Privatpraxis und Praxisklinik Dermatologikum Köln
Senior-Präsident und Aufsichtsrat der DGBT
Strukturierte Planung ist ein Muss
Ein professionelles Management ästhetischer Komplikationen basiert auf drei Säulen – dem Behandlungsplan, dem Interventionsplan und dem Komplikationsplan. Neben fundierten anatomischen Kenntnissen und einer guten Aus- und Weiterbildung bezüglich der Injektionstechniken ist es wichtig, eine gute Patientenselektion zu beachten sowie hochwertige und für die geplante Intervention geeignete Produkte zu wählen. Dokumentation, Patientenedukation und Notfallbereitschaft sind weitere essenzielle Punkte. Denn Qualität entsteht erst, wenn Wirksamkeit, Sicherheit und Individualität zusammenkommen.