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Gynäkologie

Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen

Schlagen Frauenherzen wirklich anders?

Prof. Dr. med. Uwe Nixdorff

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind evident. Doch worauf sind sie zurückzuführen? Wir gehen der Frage nach, ob Frauenherzen wirklich anders schlagen.

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind nach wie vor Todesursache Nr. 1 – und der Faktor Stress ist dabei nicht unwesentlich beteiligt.1 Und Frauen haben nach dieser Studie ein höheres Risiko für Herzinfarkt und Herztode durch „Job Strain“ als Männer. Seit einigen Jahren existieren hierzu sogar Posi­tionspapiere wie das zur Psychokardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.2 Und schon seit Längerem wird durch umfassende Studien klar belegt, dass sich Frauenherzen in vielerlei Hinsicht auf eine ganz andere Art bemerkbar machen als Männerherzen.

Dabei ist die Herzfunktion zwischen den Geschlechtern ähnlich, bei Herzgesunden wird eine dem Körperbedarf gerecht werdende Blutmenge in das Gewebe gepumpt: ca. 5 Liter pro Minute ergeben ca. 7.000 Liter an einem Tag; 2,6 Mio. Liter im Jahr und ca. 210 Mio. Liter in einem 80-jährigen Leben. Unter Belastung ist das Herzzeitvolumen von ca. 5 Liter/min auf 30 Liter/min steigerbar.

Geschlechterunterschiede zeigen sich bezüglich einiger Risikofaktoren und Biomarker. Details wurden auf dem Kardiologen-Kongress 2018 anhand von insgesamt mehr als 78.000 Personen aus vier europäischen Kohorten-Untersuchungen des BiomarCaRE-Konsortiums vorgestellt, die zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung keine Herzinsuffizienz hatten.3 Analysiert wurde die Geschlechter-spezifische Inzidenz der Herzinsuffizienz und deren Assoziation mit Mortalität, sowie der Zusammenhang von Risikofaktoren und Biomarkern mit Herzschwäche bei Männern und Frauen.

Während eines mittleren Follow-ups von knapp 13 Jahren wurden weniger Fälle von Herzinsuffizienz bei Frauen (5,9 %) als bei Männern (7,3 %) beobachtet. Die Inzidenz der Herzinsuffizienz stieg in beiden Geschlechtern relevant nach dem 60. Lebensjahr an, wobei Männer initial einen rascheren Anstieg hatten, den Frauen erst mit über 85 Jahren aufholten. Signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigten sich in der Assoziation von systolischem Blutdruck, Herzfrequenz, CRP und Nt-proBNP.

Schutz durch Hormone

Auch Untersuchungen zur Gefäßwanddicke und -funktion sind bei Frauen im entsprechenden Alter günstiger als bei Männern. Hierzu wird eine Schutzwirkung der weiblichen Geschlechtshormone diskutiert. Es ist belegt, dass es bei primär gesunden Frauen durch Estrogene zu einem niedrigen Spiegel von LDL-Cholesterin, zu einer Erhöhung von schützendem HDL-Cholesterin, besseren Glucosespiegeln, geringerer Gerinnungsneigung und einer Verbesserung der Gefäßfunktion kommt. Leider kommt es aber zu einem überproportionalen Anstieg der Herzinfarktrate nach der Menopause, sodass im Endeffekt über das gesamte Leben hinweg betrachtet Frauen sogar etwas häufiger Herzinfarkte erleiden als Männer.

Aktuelle Auswertungen der WHI-Studie zeigen für eine frühe Hormongabe eine signifikant verminderte Mortalität[4]: Im gepoolten Kombi- und Monoarm resultierte in der Interventionsphase eine signifikant geringere Mortalität (HR 0,61; 95 %-KI 0,43–0,87) bei der frühen im Vergleich mit der sehr späten Hormongabe. Diese reduzierte Mortalität war auch nach 18 Jahren Follow-up noch vorhanden, allerdings nicht mehr signifikant (HR 0,87; 95 %-KI 0,76–1,00). Dass sich ein kardiovaskulärer Schutz im Gesamtkollektiv nicht gezeigt hat (Hormone vs. Placebo HR 1,00; 95 %-KI 0,92–1,08; 8,9 versus 9,0 % kardiovaskuläre Mortalität), ist für die Autoren dem späten Beginn der Hormongabe in der WHI geschuldet. Eine Metaanalyse von 2015 weist ein nahezu halbiertes Risiko (RR 0,52; 95 %-KI 0,29–0,96) für tödliche kardiovaskuläre Ereignisse und nicht-tödliche Herzinfarkte für den frühen Beginn der Hormontherapie aus, eine signifikant reduzierte Gesamtmortalität und kein erhöhtes Risiko für Hirninsulte.[5] Weiterhin ist zu beachten, dass bekannte Risikofaktoren für Atherosklerose und Herzinfarkt sich bei Frauen stärker auswirken als bei Männern, wenn auch hier bis zur Menopause ein gewisser Schutz besteht. Nach der Nurses Health Study ist das Risiko des Zigarettenrauchens bei Frauen 6-fach erhöht, das von Diabetes 3- bis 6-fach und das von Bluthochdruck 3-fach.[6]

Epigenetische Faktoren

Zunehmend geht man davon aus, dass auch epi­genetische Faktoren eine Rolle spielen, die durch die Geschlechtschromosomen gesteuert werden.[7] Mehrere Mechanismen kommen dafür infrage (Abb. S. 12):

• die erhöhte Expression von X-chromosomalen Genen bei Frauen, von denen einige für epigenetische Modifikationen verantwortlich sein können (a),

• die Expression Y-chromosomaler epigenetischer Modifikatoren bei Männern (b),

• die Wirkung von Steroidhormonen und ihren Rezeptoren auf epigenetische Regulatoren, wie DNA-Methylierungsenzyme, Histonmodifikatoren und miRNAs (c),

• genomische Prägung, die zum Beispiel zur DNA-Methylierung von mütterlichen oder väterlichen Allelen führt. Geschlechtsspezifische epigenetische Markierungen könnten in der Folge Veränderungen in der Genexpression bewirken, die zu Geschlechtsunterschieden bei kardiovaskulären Erkrankungen führen.

Herzbeschwerden sind bei Frauen anders

Herzbeschwerden äußern sich bei Frauen anders als bei Männern. Der typische drückende und beengende Brustschmerz besteht bei Frauen oft nicht. Sie klagen stattdessen eher über diffuse Oberbauchbeschwerden, was zu Verzögerungen in Diagnostik und Therapie führen kann. Dabei gilt auch hier „Time saves muscle“ – Zeit rettet Muskel; umso eher ein akuter Herzinfarktpatient zur effektiven Herzkathetertherapie gelangt, umso höher die Überlebensrate und die Wahrscheinlichkeit, möglichst viel Herzmuskel zu erhalten.

In der Diagnostik zeigen Frauen z. B. im Belastungs-EKG häufig falsch-positive Befunde. So treten EKG-Veränderungen, die eigentlich typisch für eine Mangeldurchblutung des Herzmuskels sind, auch ohne vorliegende Mangeldurchblutung auf. Dieses Phänomen kann unter Umständen zu einer ganzen Reihe von unnötigen Untersuchungen und letztlich zu einer Übertherapie führen.

Generell zeigt sich bei der Therapie des Herzinfarktes aber eher ein umgekehrtes Phänomen. So werden Frauen weitaus seltener mit Herzkathetern behandelt als Männer. Frauen sind bei der Anwendung solcher Verfahren meist älter (allein das erhöht das Risiko des Eingriffs), es handelt sich um mehr Notfalleingriffe (auch das erhöht das Risiko des Eingriffs) und die Komorbiditäten sind höher (z. B. Diabetes, Bluthochdruck). Hinzu kommt, dass Frauen kleinere Herzkranzarterien haben, was den Eingriff wiederum komplikationsträchtiger macht.

So kommt es dazu, dass die Rate an Komplikationen der Herzkatheterintervention bei Frauen höher ist als bei Männern. Bei einer Bypass-Operation haben Frauen geringere Offenheitsraten der Bypässe, sie sind postoperativ seltener beschwerdefrei, es kommt zu mehr Komplikationen, höheren Re-Operationsraten und die Mortalität ist mehr als doppelt so hoch.

Erfreulich ist, dass sich diese ungünstigen Verhältnisse in der letzten Zeit reduziert haben, was auf die medizintechnische Entwicklung und die Verbesserung der fachärztlichen Expertise zurückzuführen sein dürfte. Schon seit 20 Jahren ist bekannt, dass es bei Frauen zu einer höheren Todesrate des Herzinfarktes bis zum Alter von ca. 75 Jahren kommt, was sich danach wieder gering umdreht.[8]

Prävention für beide Geschlechter gleich

Zusammenfassend ist aufgrund der wissenschaftlichen Daten davon auszugehen, dass Frauenherzen in der Tat „anders schlagen“ als die von Männern. Nach den Europäischen Leitlinien der Herz-Kreislauf-Prävention ist aber eindeutig belegt, dass das Risiko dennoch ähnlich dem von Männern erheblich reduziert werden kann.[9] Dies wird erreicht, wenn nicht geraucht, ein körperlich aktives Leben geführt und Übergewicht gemieden wird. Zudem sollte auf einen regulierten Blutdruck sowie auf ­einen Cholesterinspiegel im Normbereich geachtet werden (Evidenzklasse I).

Bei aller Unterschiedlichkeit von Symptomen, Untersuchungsbefund und Therapie ist in präventiver Hinsicht der Schutz des Herzens bei Frauen und Männern gleich. So zeigt die INTERHEART-Studie: Mit einem rundum gesunden Lebensstil können wir ca. 80 % der vorzeitigen Herz-Kreislauf-Tode verhindern – bei Frauen und Männern gleichermaßen. Und vor allem Frauen, die ja gerne impulsiver reagieren als Männer, sollten sich dabei eine Detailauswertung der Studie zu eigen machen: Mit Wut im Bauch Sport zu treiben, kann gefährlich werden. Jeder siebte der 12.461 im Mittel 58-jährigen Infarktpatienten berichtete von Ärger und Aufgebrachtheit oder körperlich starker Anstrengung in der Stunde vor dem Ereignis. Emotionale Aufgebrachtheit war mit einem 2,4-fach und starke Anstrengung mit einem 2,3-fach erhöhtem Infarktrisiko assoziiert.[10]

Risiken rechtzeitig erkennen

Die Rate an tödlichen Herzinfarkten ist in den vergangenen 25 Jahren um fast 20 % gesunken. Diese erfreuliche Tatsache beruht im Wesent­lichen auf einer besseren Behandlung, vor allem auf einer besseren Notfallbehandlung. Patienten mit einem Herzinfarkt gelangen inzwischen schneller in ein Krankenhaus, bekommen dort zumeist umgehend einen Herzkatheter, um das Gerinnsel schnell zu beseitigen, die Herzdurchblutung wiederherzustellen und anschließend intensivmedizinisch nachbetreut zu werden. Je schneller, desto besser (time saves muscle).

Ziel für die Zukunft sollte es aber sein, nicht nur die Überlebensrate nach einem Herzinfarkt zu erhöhen, sondern auch die Infarktrate selbst zu senken. Gegenwärtig beruht die Vorsorge von Herzerkrankungen im Wesentlichen auf drei Maßnahmen: der Messung des Blutdrucks, der Cholesterinbestimmung und – wenn es hochkommt – der Durchführung eines Belastungs-EKGs. Das ist für die Risikoabschätzung eines Herzinfarktes aber völlig unzureichend.

Für die präventive Kardiologie brauchen wir vor allem Verfahren, die direkt arteriosklerotische Veränderungen sichtbar machen, etwa die Intima-Media-Messung. MRT-Messungen erlauben inzwischen sogar eine Ganzkörperangiografie. Bei dieser Art der Vorsorge kommt man als Patient um eine Eigenbeteiligung nicht herum, wenn man vernünftige Resultate haben will. Die erwähnten MRT-Messungen sind dabei zweifellos teuer und aufwendig. Die Intima-Media-Messung mittels Ultraschall ist dagegen durchaus erschwinglich.

Der Autor

Prof. Dr. med. Uwe Nixdorff
EPC GmbH
European Prevention Center
Luise-Rainer-Straße 6–10
40235 Düsseldorf

nixdorff@epc-checkup.de

[1] Kivimaki M et al., Lancet 2012; 380: 1491–1497
[2] Ladwig KH et al., Kardiologe 2013; 7: 7–27
[3] Magnussen C et al., Clin Res Cardiol 2018; 107, Suppl 1
[4] Manson et al., JAMA 2017; 318: 927–938
[5] Boardman HM et al., Cochrane Database Sys Rev. 2015: CD00229
[6] www.nurseshealthstudy.org/
[7] Hartman RJG et al., Biol Sex Diff 2018; 9: 19–26
[8] Vaccarino V et al., N Engl J Med 1999; 341: 217–225
[9] Piepoli MF et al., Europ Heart J 2016; 37: 2315–2381
[10] Smyth A et al., Circulation 2016; 134: 1059–1067

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