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Allgemeinmedizin

Gelenkentzündungen nicht bei allen gleich

Gendermedizin bei rheumatischen Erkrankungen

Prof. Dr. med. Xenofon Baraliakos

23.9.2022

Bei rheumatischen Autoimmunerkrankungen lassen sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen. So sind von der rheumatoiden Arthritis überwiegend Frauen betroffen, Gleiches gilt für die Psoriasis-Arthritis, während die axiale Spondyloarthritis eine männlich-dominierte Erkrankung ist.

Bei den Autoimmunerkrankungen sind die rheumatoide Arthritis (RA) und die Spondyloarthritiden (SpA) die am häufigsten vorkommenden Erkrankungen. Die RA ist eine chronische Entzündungskrankheit, von der überwiegend Frauen betroffen sind (Verhältnis zwischen Frauen und Männern: 3 : 1). Sie ist gekennzeichnet durch eine symmetrische Beteiligung mehrerer Gelenke, die zu einer fortschreitenden Gelenkschädigung führt. Geschlechtsspezifische Unterschiede sind bei der Häufigkeit sowie in der Schwere der von den Patienten berichteten Symptome und dem Schmerzempfinden bekannt – was sich wiederum auf das Ansprechen der Behandlung auswirkt. Die axSpA – größter Repräsentant der Spondylo­arthritiden – ist hingegen eine überwiegend männlich-dominierte Erkrankung (Verhältnis Männer und Frauen: etwa 2–3 : 1). Im Gegensatz dazu zeigt sich die Psoriasis-Arthritis (PsA), eine chronisch-entzündliche Erkrankung bei Psoriasis, von der bis zu einem Drittel aller Psoriasis-Patienten betroffen sind, häufiger bei Patientinnen.

Die Unterschiede im Immunsystem von Frauen und Männern sind bisher wenig erforscht, obwohl aus klinischen Untersuchungen bekannt ist, dass es beispielsweise bei rheumatisch bedingten Erkrankungen und bei Infektionskrankheiten deutlich geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Bei den unterschiedlichen Krankheitsmanifestationen zwischen den Geschlechtern bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen spielen Sexualhormone mit eine Rolle. So beeinflussen Estrogen und Testosteron sowie die Geschlechtschromosomen nachweislich die Immunantwort auf vielfältige Weise.

Rolle der Hormone und Studienlage

Estrogen hat eine entzündungshemmende Wirkung auf axSpA-Manifestationen, indem es z. B. die Produktion des Entzündungsfaktors TNF-alpha hemmt. Im Allgemeinen wirken sich Estrogene sowohl bei der Verstärkung als auch bei der Hemmung von Immunantworten aus, während Androgene und Progesteron viele Immunantworten unterdrücken.

Darüber hinaus haben Estrogene und Androgene einen gemeinsamen finalen Steroidumwandlungsweg (Steroide wirken in der Regel antientzündlich) am Ort des entzündeten Gewebes, der bei Männern und ­Frauen unterschiedlich ist. Das erklärt die stärkere Ausbreitung lokaler entzündlicher Symptome bei Männern. Diverse Studien haben zudem anhand von Mausmodellen gezeigt, dass bei weiblichen Mäusen mit hohen Estrogenspiegeln signifikant weniger schwere Arthritis- und axSpA-Manifestationen (wie Spondylitis, Enthesitis und Darmentzündung) auftreten als bei Mäusen mit niedrigen Estrogenspiegeln.

Eine ältere Studie am Menschen zeigte einen Rückgang der Arthritis und der klinischen Aktivität bei axSpA-Patienten nach oraler Estrogentherapie. Außerdem existieren Daten darüber, dass bei prämenopausalen Patientinnen mit aktiver axSpA die Estrogenspiegel im Vergleich zu Frauen mit inaktiver Erkrankung numerisch niedriger und im Vergleich zu Kontrollen signifikant niedriger waren. Postmenopausale axSpA-Patientinnen wiesen im Vergleich zu Kontrollpersonen ebenfalls niedrigere Estrogenspiegel auf.

Unterschiedliches Ansprechen auf die Behandlung

Bei den SpA können geschlechtsspezifische Unterschiede für die klinische Forschung und in Bezug auf die Epidemiologie (Inzidenz, Prävalenz, Lebenszeitrisiko, Überleben und Mortalität) wichtig sein. Zudem haben sie vermutlich Auswirkungen auf klinische, radiologische und labortechnische Merkmale sowie auf das Ansprechen der Patienten auf die Behandlung. Darüber hinaus spielen komplexe Wechselwirkungen zwischen der Genetik und der Epigenetik mit eine Rolle, ebenso hormonelle Komponenten einschließlich des Menopausenstatus, Umwelteinflüsse wie die körperliche Belastung des Skeletts und psychologische Variablen, z. B. die ­jeweilige Schmerzverarbeitung.

Bei den Spondylo­arthritiden ist bekannt, dass bei Patientinnen die Diagnose im Vergleich zu den Patienten später gestellt wird. Möglicherweise ist das auf das unterschiedliche klinische Erscheinungsbild bei Frauen und Männern zurückzuführen. Die axSpA tritt beispielsweise bei Frauen häufiger im Nacken auf und in den peripheren Gelenken. Bei Männern ist hingegen öfter die Brust- und Lendenwirbel­säule betroffen. Außerdem sind Frauen mit einer axSpA-Diagnose meistens in ihren körperlichen ­Funktionen stärker eingeschränkt, obwohl sie im Vergleich zu Männern in frühen Stadien weniger radiografisch nachweisbare Schäden aufweisen.

Zudem neigen Frauen zu einem schlechteren ­Ansprechen auf die Behandlung, z. B. auf Biologika. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, nicht rheumatologisch tätige Ärzte für die geschlechtsspezifischen Unterschiede zu sensibilisieren. Gegebenenfalls ist eine frühzeitige Überweisung an eine rheumatologische Facharztpraxis sinnvoll. Außerdem müssen Patientinnen im gebärfähigen Alter, die an rheumatischen Erkrankungen leiden, ebenfalls über Besonderheiten der Konzeption unter ihrer Therapie aufgeklärt werden sowie vor, während und nach einer Schwangerschaft von gut geschultem Personal begleitet werden.

Bei den unterschiedlichen Manifestationen der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen spielen Sexualhormone mit eine Rolle. So hat z. B. Estrogen eine entzündungshemmende Wirkung auf axSpA-Manifestationen, während Andro­gene und Progesteron viele Immunantworten unterdrücken. Konkret bedeutet das, dass z. B. von der rheumatoiden Arthritis und der Psoriasis-Arthritis überwiegend Frauen betroffen sind, während die axiale Spondyloarthritis männlich-dominiert ist.

Der Autor

Prof. Dr. med. Xenofon Baraliakos
Ärztlicher Direktor
Rheumazentrum Ruhrgebiet Herne
Ruhr-Universität Bochum

xenofon.baraliakos@elisabethgruppe.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: privat

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