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Dermatologie

Früherkennung von Melanomen

Sequenzielle digitale Dermatoskopie und Ganzkörperfotografie

Dr. med. Ulrich Koch

6.9.2022

Moderne digitale Untersuchungsgeräte mit entsprechenden Bildanalyse- und Diagnostiktools ermöglichen eine gründliche und sehr genaue Hautkrebsfrüherkennung. Mit ihnen können kurzfristig auftretende Veränderungen bei auffälligen Läsionen aufgedeckt werden, aber es kann auch ein langfristiges Screening erfolgen.

Bei Patienten, die ausgedehnte und meist schon in der Kindheit erworbene Lichtschäden der Haut und eine überdurchschnittliche Anzahl melanozytärer Nävi aufweisen, sollte die Hautkrebsfrüherkennung so gründlich und genau wie möglich erfolgen – obwohl diese Patienten nach wissenschaftlichen Kriterien nicht als Risiko- oder Hochrisikopatienten für ein malignes Melanom gelten. Die sequenzielle digitale Dermatoskopie und sequenzielle Ganzkörperfotografie stellen hierfür eine wichtige Ergänzung der normalen Dermatoskopie dar. Denn die eingehende makroskopische Untersuchung der Hautoberfläche und die Auswahl von Stellen für die Auflichtmikroskopie werden objektivierbar und reproduzierbar. Außerdem können Pigmentläsionen systematisch erfasst und überwacht werden. Die üblichen Kontrollintervalle liegen dabei zwischen drei und zwölf Monaten.

Auflichtmikroskopische Diagnostik von Hautkrebs

Die Mehrzahl der malignen Melanome entsteht de novo und nicht in Assoziation mit einem präexistenten ehemals unauffälligen Nävus. Sogenannte dysplastische Nävi haben kein höheres Risiko, ein Melanom zu werden – sie haben aber sehr wohl ein höheres Risiko, ein Melanom zu sein. Schon bei Vorliegen nur eines dysplastischen Nävus ist das Melanomrisiko etwa doppelt so hoch wie normal.

Handliche alltagstaugliche Geräte zur Untersuchung der Hautoberfläche existieren schon seit über 40 Jahren. Bei Geräten mit bis zu 10-facher Vergrößerung spricht man von Dermatoskopen, bei höheren Vergrößerungen (bis zu 200-fach) wird der Begriff Auflichtmikroskop verwendet. Seit den 90er-Jahren gibt es digitale Auflichtmikroskope, die erheblich höhere Vergrößerungen als nicht digitale Geräte liefern und Bilder digital speichern können. Dies allein macht sie aber noch nicht zu modernen digitalen Untersuchungsgeräten: Dafür benötigen sie spezielle Software. Untersucht werden die morphologischen Strukturen der epidermalen und der subepidermalen Hautschichten. Neben der Morphologie der Pigmentierung spielen Kapillargefäßmuster bei der auflichtmikroskopischen Diagnostik von Hautkrebs eine gleich wichtige Rolle. Lichtquellen, Optiken, Monitore und Software digitaler Untersuchungssysteme müssen für die Erkennung und Darstellung der Gefäßmuster optimiert sein.

Sequenzielle digitale Dermatoskopie

Goldstandard beim Screening von Risikopatienten auf Hautkrebs ist heute die sequenzielle digitale Dermatoskopie (SDD). Melanome in der Frühphase ihrer Entstehung und solche ohne eindeutige Melanomkriterien können erfahrungsgemäß bei einer Untersuchung zur Hautkrebsfrüherkennung übersehen werden. Die SDD nutzt bei Verlaufskontrollen melanozytärer Hautveränderungen als zusätzliches Diagnostikkriterium die Veränderung der Pigmentmale im Laufe der Zeit.

Besonders wichtig für die Diagnostik ist in diesem Zusammenhang die objektivierbare Feststellung von Größen-, Farb-, Struktur- oder Formveränderungen. Die S3-Leitlinie „Malignes Melanom“ (Empfehlungsgrad B; Evidenzlevel 2b) dazu: „Die SDD kann die Früherkennung von malignen Melanomen, die keine spezifischen dermatoskopischen Malignitätskriterien aufweisen, in der Verlaufskontrolle verbessern“ und „Durch die Speicherung und digitale Analyse des Bildmaterials ermöglicht die SDD zusätzliche Aussagen zu den aufgenommenen Läsionen. Damit können sowohl kurzfristig auftretende Veränderungen bei auffälligen Läsionen aufgedeckt werden als auch ein langfristiges Screening erfolgen. Im Vergleich zur alleinigen Dermatoskopie hat die sequenzielle Dermatoskopie den Vorteil, über den Verlauf auch Veränderungen zu detektieren, die keine typischen dermatoskopischen Malignitätskriterien aufweisen, jedoch eine morphologische oder farbliche Dynamik besitzen“. Das mag kompliziert klingen. Es wird jedoch erfahrungsgemäß von Patienten, für die diese Unter­suchungstechnik wichtig ist, gut verstanden und ­gewünscht.

Die dermatoskopischen Befunde werden von digitalen Auflichtmikroskopen unter standardisierten Aufnahmebedingungen aufgezeichnet. Leistungsfähige Systeme kalibrieren ihre Lichtbedingungen selbst nach, um Alterungsprozesse der Technikkomponenten zu kompensieren. Sie messen und standardisieren automatisch viele optische Eigenschaften der Aufnahmen und den Abbildungsmaßstab. Zur Befundung durch den Untersucher bei Folgeuntersuchungen stellt die Software die dermatoskopischen Aufnahmen von unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten nebeneinander dar (Abb. 1). Liegen mehr als zwei Befunde derselben Stelle vor, so können diese auch im zeitlichen Ablauf dargestellt werden.

Bildanalysetools und Künstliche Intelligenz

Bildanalyse- und Diagnostiktools gelten vielfach noch als optionale add-ons. Dabei sind sie längst essenzielle Werkzeuge zur Diagnostik. So können beispielsweise Daten von neuronalen Netzwerken während der Untersuchung in Echtzeit mit infrage kommenden histologischen Untersuchungsbefunden abgeglichen werden, um eine Risikobewertung für das Vorliegen eines malignen Melanoms durchzuführen. Einige Systeme nutzen außerdem Deep Learning, ein Teilgebiet des maschinellen Lernens. Dabei werden Bilddaten als komplexe, mehrschichtige Netzwerke modelliert, um diagnostische Fragestellungen zu lösen. Der Computer verfügt quasi über „maschinelle Erfahrungen“, die anderswo bei Untersuchungen gemacht wurden.

Computer Vision, die Erkennung von Bilddetails, erhöht die diagnostischen Fähigkeiten der Computer. Denn Bildklassifizierungsmodelle können eine Vielzahl von Objekten anhand bestimmter Auswahlkriterien erkennen – in der Robotik wie auch in der Früherkennung von Hautkrebs.

Sequenzielle Ganzkörperübersichtsfotografie

Die diagnostische Aufgabe gewöhnliche von dysplastischen Nävi zu unterscheiden, hat eine Vorgehensweise geprägt, bei der eine Stelle als melanom­verdächtig gilt, die nicht zur patiententypischen Morphologie der übrigen Pigmentflecke passt. In Analogie zu einem bekannten Märchen wird hierfür der Begriff vom „hässlichen Entlein“ (engl.: ugly duckling) verwendet. Bei der Suche nach diesen Läsionen kann die Ganzkörperübersichtsfotografie (engl.: Total Body Photography, TBP) einen wichtigen Beitrag leisten. Die Software der TBP setzt Einzelbilder von bis zu 25 Megapixeln automatisch zu einer Körperübersicht des Patienten oder je nach System sogar zu einem 3D-Avatar zusammen. Je nach Gerät werden 16 bis 92 Aufnahmen angefertigt. Wegen der standardisierten Aufnahmetechnik kann bei jeder späteren Wieder­holung die TBP für sich allein schon für aussage­kräftige Verlaufskontrollen verwendet werden – also auch ohne auflichtmikroskopische Bildbefunde. Der Computer markiert nämlich auf der Hautoberfläche neue Läsionen und Veränderungen an bereits früher abgebildeten Läsionen. Er bringt dafür die Ganzkörperfotos trotz unterschiedlicher Körperhaltungen und -eigenschaften zur Deckung (Abb. 2).

Untersuchungsvorgänge

SDD und Ganzkörperübersichtsfotografie können je nach Hauttyp, Risikoanamnese oder individuellen ­Gegebenheiten einzeln eingesetzt werden. In vielen Fällen ist allerdings nur die Kombination beider ­Methoden sinnvoll. Es wird bei jeder Untersuchung eine Ganzkörperübersicht angefertigt, die von der Bildverarbeitungssoftware verarbeitet wird und ­danach für eine Einschätzung und Festlegung der auflichtmikroskopisch zu untersuchenden Stellen zur ­Verfügung steht (Abb. 3a und 3b). Bei Wiederholungsuntersuchungen werden zusätzlich die Informationen herangezogen, die die Software zu neu aufgetretenen oder seit der letzten Verlaufskontrolle veränderten Läsionen liefert. Im nächsten Schritt erfolgt die auflichtmikroskopische Untersuchung (SDD) aller gekennzeichneten Hautstellen mit Befundung und ­gegebenenfalls Therapieentscheidung. TBP und SDD können an unterschiedlichen Tagen erfolgen und sind delegierbar – müssen also nicht vom Facharzt ausgeführt werden. Die Befundung kann ebenfalls später erfolgen. Wenn man die auflichtmikroskopische Untersuchung an Assistenzpersonal delegiert, verzichtet man allerdings eventuell auf wichtige Informationen zur räumlichen Struktur der Läsionen oder zur Morphologie der Blutgefäße. Manche ­Details sieht man nur, während man das Auflichtmikroskop auf der Haut bewegt oder den Druck auf die Hautoberfläche variiert. In vielen dermatologischen Praxen wird daher die SDD, obwohl unter Umständen sehr zeitaufwendig, stets von den Ärzten selbst vorgenommen.

Grenzen der Methode und Fehlerquellen

Man sollte einige Fehlerquellen kennen, um Fehler zu vermeiden:

  • systematische Bedienungsfehler durch nicht eingewiesenes Personal,
  • nicht standardisierte Umgebungsbedingungen bei der TBP,
  • nicht objektivierbare Auswahl der Läsionen zur Untersuchung mittels SDD,
  • Nichtbeachtung saisonaler Einflüsse auf die Pigmentierung der Haut,
  • blindes Vertrauen auf Softwarekomponenten, die eigentlich nur zur Diagnoseunterstützung gedacht sind (z. B. automatische Scoring-Systeme),
  • unvollständige körperliche Untersuchung – die TBP kann aus anatomisch-perspektivischen Gründen nicht alle Körperregionen aufnehmen.

Potenzielle Nachteile von SDD und TBP:

  • Die Untersuchungen sind meist zeit- und personalaufwendig.
  • Das System sollte vernetzt in mehreren Unter­suchungsräumen und im OP eingesetzt werden. Das erfordert leistungsfähige und damit teure Geräte und Netzwerkinfrastruktur.
  • Die Untersuchungen sind nicht im Leistungs­katalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten.
  • Die marktüblichen Systeme sind untereinander entweder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt kompatibel.

Sequenzielle Untersuchungen mit digitaler Dermatoskopie und Ganzkörperfotografie sind zur Früherkennung von Hautkrebs optimal. Patienten mit erhöhtem Melanomrisiko oder dem Wunsch nach gründlicheren, objektivierbaren und reproduzierbaren Untersuchungen erkennen die Vorteile unmittelbar. Empirisch zeigt sich, dass mit dieser Technik oft Veränderungen festgestellt werden, die keine typischen dermatoskopischen Malignitätskriterien haben, aber eine morphologische oder farbliche Dynamik aufweisen und sich als Melanome herausstellen.

Der Autor

Dr. med. Ulrich Koch
Facharzt für Dermatologie
Hautarztpraxis Uerdingen in Krefeld
Wissenschaftlicher Berater für die
Canfield Scientific und Mitarbeiter
bei der Visiomed AG

dr.koch@hpue.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: Canfield scientific, Abb. 1 und 2: U. Koch, U. Koch

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