Infektprävention durch Stärkung des Immunsystems gilt als wesentliches Anliegen der Naturheilkunde. Mit SARS-CoV-2 ist das Interesse an primärer Prävention gestiegen. Bei der Auswahl geeigneter Phytotherapeutika liegt es nahe, sich an den Erfahrungen mit der Prävention anderer (Atemwegs-)Virusinfektionen zu orientieren.
Stange et al. stellten 2020 Überlegungen zu Voraussetzungen von phytotherapeutischen Empfehlungen zur COVID-19-Prävention vor [1]. So sind Effekte für Prävention und Therapie von grippalen Infekten u. a. für Grüntee, Kapland-Pelargonie, Echinacea und Zistrose bekannt. Auch heute, zweieinhalb Jahre später, steht die klinische Forschung zum Einsatz von immunstimulierenden Phytotherapeutika bei COVID-19 in westlichen Ländern noch am Anfang. Die Grundlagenforschung liefert dagegen eine Reihe von Forschungsansätzen.
Grüntee
Dass Katechine, eine Klasse von polyphenolischen Flavonoiden und Hauptwirkstoffe des Grüntees, die Immunität gegen Viruserkrankungen erhöhen können, war aus der Grundlagenforschung bereits bekannt. Mehrere ältere epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass die Einnahme von Grüntee-Kapseln, wie auch das Gurgeln mit Grüntee, immunstimulierende Effekte haben.
In einer japanischen Studie erhielten 200 Angehörige der Gesundheitsberufe über 150 Tage Grüntee-Extrakt in Kapselform, der auf 1 000 mg/Tag standardisiert war, oder Placebo [2]. Die Inzidenz für klinisch nachweisbare Influenza war in der Verum-Gruppe signifikant erniedrigt (p = 0,022), gleichzeitig verkürzte sich die Symptomdauer.
Weitere Studien belegen in Bezug auf Influenza hohe Risikoreduktionen durch tägliches Gurgeln mit Grüntee. Influenzaviren nehmen ähnlich wie SARS-CoV-2 im Rachen ersten Kontakt mit der Schleimhaut auf, sodass ein lokaler immunstimulierender Effekt durch Grüntee postuliert werden kann. Diese Annahme bestätigt ein neuerer In-vitro-Versuch, in dem Grüntee die als Wirksamkeitsmaß dienende Gewebekulturdosis 50 (TCID50) für SARS-CoV-2 um ≥ 97 % verringerte [3].
Echinacea
In der Grundlagenforschung weist Echinacea immunstimulierende Eigenschaften auf. Für die Pflanze liegen zahlreiche klinische Studien mit teils unterschiedlichen Ergebnissen vor. Erschwert wird die wissenschaftliche Diskussion durch die große Vielfalt an Zubereitungen aus unterschiedlichen Spezies (vor allem Echinacea angustifolia, E. pallida und E. purpurea) und Pflanzenteilen (Blüte, Stängel, Wurzel). Ein Cochrane-Review von 2014 ergab kleine Vorteile in Hinblick auf Inzidenz und Verlauf von Erkältungen [4].
Eine bulgarische randomisierte Studie ohne Kontrolltherapie testete von 11/2020 bis 7/2021 einen in Deutschland nicht erhältlichen Extrakt aus E. purpurea in einem Studienkollektiv von 120 gesunden Probanden [5]. Mindestens irgendein Vertreter der Corona-Viren konnte in der Interventionsgruppe (n = 60) bei 10 (16,7 %) und in der Kontrollgruppe (n = 60) bei 20 Teilnehmern (33,3 %, p = 0,0046) nachgewiesen werden; davon SARS-CoV-2 bei 5 Probanden (8,3 %) in der Echinacea-Gruppe und bei 14 (23,3 %, p = 0,03) in der Kontrollgruppe.
Kapland-Pelargonie
Der immunmodulierende, antibakteriell und antiviral wirkende Extrakt der Kapland-Pelargonie hat in zahlreichen randomisierten Doppelblindstudien seine Wirkung bei akuter Bronchitis bewiesen. Eine aktuelle Publikation in „Frontiers in Pharmacology“ bescheinigt dem Extrakt eine antivirale und antiinflammatorische Wirkung gegen SARS-CoV-2 in menschlichen Lungenzellen [6]. Der Extrakt hemme den Viruseintritt in die Zellen.
Zistrose
Präklinische Arbeiten beschrieben antivirale Eigenschaften der traditionellen Mittelmeer-Heilpflanze Zistrose (insbesondere Cistus incanus L. und C. creticus L.). Bisher liegt nur eine randomisiert kontrollierte Studie zum Einsatz von Zistrose bei Patienten mit Atemwegsinfektionen vor [7]. Hier erwies sich ein Zistrosen-Extrakt als wirksam in der Linderung von Symptomen von Atemwegsinfektionen.
Myrtole
Die pflanzliche Stoffgruppe der Myrtole, bewährt bei akuten Atemwegsinfektionen, hat offenbar das Potenzial, im langfristigen Gebrauch die Abwehr der Atemwegsschleimhäute zu steigern: In einer placebokontrollierten Studie nahmen COPD-Patienten ein seit Jahren eingeführtes Myrtolpräparat über sechs Monate täglich ein [8]. In diesem Zeitraum traten deutlich weniger Exazerbationen auf, die Lebensqualität verbessert sich und der Antibiotikagebrauch sank. Letzterer war nur ein sekundärer Zielparameter der Studie.
Die Autorin
Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt
Wissenschaftliche
Autorin & Referentin
18439 Stralsund