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Fokus Naturmedizin

Rosskastanien- und Weinlaubextrakte bei chronischer Venenschwäche

Evidenzbasierte Therapie und mögliche Prävention

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

Neben invasiven Maßnahmen empfehlen Phlebologen bei venöser Insuffizienz physikalische und pharmakologische Ansätze. In der Phytotherapie besitzen Flavonoide aus Rotem Weinlaub und Saponine aus Rosskastaniensamen klinische Evidenz und eignen sich für alle Stadien der Venenschwäche.

Gemäß eines Konsensus-Papiers, das Dermatologen, Gefäßchirurgen und Angiologen erstellt hatten, stellen invasive Eingriffe die First-Line-Therapie einer chronischen Venenschwäche dar. Wenn das nicht machbar oder nicht erwünscht ist oder wenn die Symptomatik nach einer Intervention persistiert, wird ein symptombasiertes Vorgehen empfohlen. Das bedeutet eine Kompressionstherapie oder eine orale Pharmakotherapie, oft sogar in Kombination. Entschieden wird dabei anhand von objektiven ­Zeichen und subjektiven Symptomen. Bei unspezifischen Symptomen wie schwere Beine, Spannungsgefühl und Kribbeln, die alle Stadien einer Veneninsuffizienz begleiten, sind Phytotherapeutika in oraler Form besonders erfolgreich. Die Wirkung der Phytoextrakte beruht vor allem darauf, dass die Gefäßdurchlässigkeit konzentrationsabhängig ­normalisiert wird. Klinisch führt das zu einer Verringerung der Ödeme und zu einer Verbesserung der Symptomatik.

Ebenso wirksam wie eine Kompression

Für die Behandlung kommen zwei Phytoextrakte infrage, deren Evidenz klinisch bestätigt wurde. Das ist zum einen der ­Samenextrakt der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), der die lysosomalen Enzyme im Blut hemmt, welche die Glykokalyx der Endothelzellen schädigen. Damit wird die Gefäßbarriere ­wiederhergestellt und ein Rückgang der Ödeme erreicht. Verantwortlich für diese Wirkung ist ­Aescin, ein standardisiertes Gemisch aus veresterten Triterpensaponinen. Aescin wirkt spas­mo­lytisch, antiphlogistisch und ödemhemmend, erhöht die ­Kapillarpermeabilität und ist auch diuretisch wirksam. In einem Cochrane-Review ­erwies sich der Samenextrakt der Rosskastanie als wirksam und sicher in der Kurzzeitbehandlung der chronischen Veneninsuffizienz. Im Vergleich zu ­Placebo verbesserten sich die Zeichen und Symptome, so auch der Beinschmerz, der in sechs von sieben Studien eine ­signifikante Verbesserung zeigte, in einer ­Studie im Vergleich zur Basislinie. Beim Parameter Beinvolumen wurde in sechs von sieben ­Studien ein Vorteil des Rosskastanienextraktes im Vergleich zu Placebo deutlich (gewichtete Mittelwertdifferenz 32,1 ml (95%-KI 13,49–50,72). Und in einer Studie war Rosskastanie vermutlich ebenso effektiv wie die Behandlung mit Kompressionsstrümpfen. Unerwünschte Wirkungen waren mild und eher selten. Dass Rosskastanienextrakt und Kompression gleichermaßen ödemreduzierend wirken, war bereits in einer grundlegenden Studie mit 240 Patienten bestätigt worden. Nach 12 Wochen hatte sich das Unterschenkelvolumen des stärker betroffenen Beines im Durchschnitt um 43,8 ml unter Rosskastanienextrakt und um 46,7 ml mit Kompressionsstrümpfen verringert. Dagegen nahm das Volumen im Unterschenkel unter Placebo um 9,8 ml zu ­(95%-KI Rosskastanienextrakt 21,1–66,4; Kompression 30,4–63,0; Placebo 40,0–20,4). Mit Rosskastanienextrakt und Kompression konnte eine signifikante Ödemreduktion erreicht werden (p = 0,005 bzw. p = 0,002). Dabei erwiesen sich beide Behandlungen als gleichwertig (p = 0,001) und wurden gut vertragen. Eingesetzt wurden Kompressionsstrümpfe der ­Klasse II bzw. 50 mg Aescin 2x täglich. Generell wird Rosskastanienextrakt in einer Gesamtdosis von 100 mg Aescin pro Tag in zwei Portionen dosiert. Cave: Bei gleichzeitiger Einnahme von gerinnungshemmenden Mitteln.

Mögliche Venostase-Prophylaxe

Endothelunterstützend wirken auch die Flavonoide aus dem Roten Laub der Färberrebe (Vitis vinifera), einer sehr alten Rebsorte. Wirksamer Bestandteil des Trockenextraktes ist Quercetin. Dieses wird nach der Resorption glukuroniert und in den Blutkreislauf abgegeben. Das Quercetin-Glukuronid lagert sich hauptsächlich in den Endothelzellen der Venen an. So wurde in einem In-vitro-Modell der menschlichen Venenwand deutlich, dass die Glukuronide konzentrationsabhängig wirken. Sie verhindern, dass sich die Interzellularspalten öffnen, wenn Entzündungsmediatoren vorliegen. Es konnte auch die weitgehende Reparatur von Endothelbarrieren induziert werden, als diese bereits zusammengebrochen ­waren. Glukuroniertes Quercetin hemmte außerdem die Synthese des plättchenaktivierenden Faktors und die von Leukotrien B4. So kann auch der Aktivierung von Thrombozyten und Leukozyten bei einer Veno­stase vorgebeugt werden, wie es nach langem Sitzen oder Stehen der Fall ist. Verbessert wurde auch die kutane Mikro­zirkulation und die Sauerstoffversorgung, das ist das Ergebnis einer randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Studie bei 71 Patienten mit Veneninsuffizienz im Stadium I und II. Diese hatten 6 Wochen lang 360 mg des Extraktes AS 195 aus Rotem Weinlaub oder ­Placebo erhalten und nach einer vierwöchigen ­Placebo-Auswaschphase crossover die jeweils ­andere Medikation. Nach 6 Wochen Behandlung mit AS 195 wurde ein erhöhter mikrovaskulärer ­Blutfluss beobachtet (+241,8 ± 18,7 Einheiten; ­Placebo: reduzierter Blutfluss -41,0 ± 18,7 Einheiten (p < 0,0001). Auch der transkutane Sauerstoffpartialdruck war ­erhöht (1,35 ± 0,97 mmHg; Placebo: Abnahme um -7,27 ± 0,97 mmHg; p < 0,0001). Der Umfang an ­Knöchel und Wade hatte sich verringert (Knöchel: -0,39 ± 0,09 cm vs. Placebo +0,29 ± 0,09 cm; p < 0,0001; Wade: -0,54 ± 0,05 cm vs. Placebo +0,14 ± 0,05 cm; p < 0,0001). Damit verbesserte der Extrakt AS 195 die objektiven Symptome der Venenschwäche und könnte nach Ansicht der Autoren möglicherweise einer Verschlechterung der Erkrankung vorbeugen.

Klinisch relevante Reduktion des Beinvolumens

Höher dosiert reduzierte der Extrakt AS 195 aus ­Rotem Weinlaub signifikant das Unterschenkel­volumen und verbesserte die subjektiven Beschwerden, so das Fazit einer doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Studie mit 248 Patienten, die unter moderaten bis schweren Symptomen litten. Sie erhielten 12 Wochen lang täglich 720 mg Extrakt, danach war das Unterschenkelvolumen signifikant um durchschnittlich 19,9 ml (Standardfehler 8,9 ml) gegenüber Placebo reduziert (95%-KI -37,5 bis -2,3; p = 0,0268). Die Effektgröße betrug 0,28 und war damit klinisch relevant. Der Beinschmerz hatte im Vergleich zu Placebo abgenommen (Mittelwertdifferenz -6,6; 3,3 mm; 95%-KI -13,1 bis -0,1; p = 0,047). Bereits in einer früheren Studie hatte der Weinlaubextrakt AS 195 in Dosierungen von 360 und 720 mg die Ödeme signifikant reduziert und die Symptome klinisch relevant verbessert. Beobachtet wurde das nach 6 bzw. 12 Wochen bei 219 Patienten mit Veneninsuffizienz im Stadium I und beginnendem Stadium II. Die Unterschenkelschwellung war mindestens in gleichem Ausmaß zurückgegangen wie bei Kompressionsstrümpfen oder anderen ödemreduzierenden Agenzien. Unter Placebo nahm das Unterschenkelvolumen im Vergleich zur Basislinie zu (nach 6 Wochen 15,2 ± -90,1 g verdrängte Wassermasse; nach ­12 Wochen 33,7 ± -96,1 g). Im Gegensatz dazu verringerte sich das Unterschenkelvolumen nach 12 Wochen bei einer Dosis von 360 mg Extrakt (Mittelwertdifferenz -75,9 g; 95%-KI -106,1 bis -45,8 g). Noch deutlicher hatte das Volumen bei einer Dosierung von 720 mg pro Tag abgenommen (-99,9 g; 95%-KI -130,3 bis -69,6 g). Beide Dosierungen reduzierten den ­Wadenumfang signifikant (95%-KI nach 12 Wochen -1,40 bis -0,56 cm für 360 mg bzw. -1,73 bis -0,88 cm für 720 mg; p < 0,001), während dieser unter Placebo größtenteils unverändert blieb. Nach 12 Wochen wurden bei beiden Behandlungsgruppen signifikante Verbesserungen in der VAS festgestellt (p < 0,001). Beide Dosierungen wurden gut vertragen. Etwas größere und anhaltendere Verbesserungen wurden unter 720 mg AS 195 beobachtet.

Optimale Wirkung nach vier Wochen

Der Effekt von pflanzlichen Therapeutika setzt nicht von heute auf morgen ein. So werden optimale ­Effekte der Ödemprotektiva nach circa drei bis fünf Wochen beobachtet. Darauf sollten die Patienten explizit hingewiesen werden. Mit Rosskastanien­samen steht eine wirksame und sichere Kurzzeit­behandlung zur Verfügung, die über 12 Wochen angewandt wird. Ob die Therapie verlängert wird, liegt im Ermessen des behandelnden Arztes. Rotes Weinlaub wird mindestens 3 Monate lang eingenommen, wobei auch eine langfristige Anwendung möglich ist. Vorsicht bei einer bekannten Hypersensibilität, hier sollten die Weinlaubextrakte nicht verwendet werden. Zeigen sich unerwünschte Wirkungen wie gastrointestinale Symptome oder Hautreaktionen, kann, wenn nötig, auf einen anderen evidenzbasierten Phytowirkstoff umgestellt werden. Ein Einfluss auf den Verlauf einer chronischen Veneninsuffizienz wurde für Ödemprotektiva nicht nachgewiesen.

Das Expertenstatement

Prof. Dr. med. Markus Stücker
Geschäftsführender Direktor der
Klinik für Dermatologie und
Allergologie des St. Josef-Hospitals
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum

Phytopharmaka zur Ergänzung
Für oral zu applizierende Venenmedikamente liegen mehrere prospektive randomisierte kontrollierte Studien vor, die die Wirksamkeit von Extrakten aus Rotem Weinlaub und aus Rosskastaniensamen belegen. Bei der Behandlung von Venenleiden hat die invasive Normalisierung der Hämodynamik beispielsweise durch eine offene Varizenchirurgie, endovenös thermisch ablative Verfahren oder Sklerosierungsverfahren Priorität vor einer konservativen Therapie. Nicht selten jedoch persistieren auch nach sorgfältiger Refluxausschaltung Stauungsbeschwerden mit Schweregefühl und Schwellungsneigung bei den Patienten. Dies kann z. B. durch eine ­funktionelle chronische Veneninsuffizienz bei einer Adipositas bedingt sein. In diesen Fällen hat sich in der täglichen Praxis der Einsatz von Rosskastaniensamenextrakten und Extrakt aus Rotem Weinlaub als Ergänzung zu einer Kompressionstherapie sehr bewährt. Entsprechende Empfehlungen werden von den Patienten dankbar aufgegriffen.

FAZIT:
Für chronische Venenerkrankungen gibt es keine konservative Therapie. Eine gute Evidenz besteht jedoch für die symptombezogene Wirksamkeit von Kompression und Phytotherapie. Ist die Adhärenz an die Kompressionstherapie gut, machte es Sinn, die beiden Ansätze zu kom­binieren. Die klinischen Effekte von Rotem Weinlaub und Rosskastaniensamen beruhen auf ihren antiinflammatorischen Inhaltsstoffen, die auch die Venenpermeabilität normalisieren. So verbesserte Aescin signifikant den Beinschmerz und die Symptomatik, wobei der Effekt gleich­wertig mit einer Kompression war. Emp­fohlen wird eine dreimonatige Kurzzeittherapie. Quercetin aus Weinlaubextrakt verbesserte die Mikrozirkulation und die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff. In einer Dosierung von 720 mg verringerte sich das Unterschenkel­volumen in einem signifikanten und klinisch relevanten Ausmaß, der Beinschmerz wurde reduziert. Schließlich die Salben: Über die Wirk­samkeit liegen keine neueren Daten vor. Das bedeutet aber nicht, dass die Beschwerden nicht gelindert werden können, wenn ein kühlendes Gel aufgetragen wird.

Die Autorin

Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart

dres.reinecke@t-online.de
www.hello-biology.com

Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und ­seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie

Literatur bei der Autorin

Bildnachweis: privat

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