Medizinisches Cannabis ist in aller Munde, und Patienten sprechen es gezielt an. In Interventionsstudien ist Cannabis bei Spasmen, Nausea und Emesis sowie bei Anorexie und chronischen Schmerzen wirksam. Untersucht ist es auch bei entzündlichen Hauterkrankungen. Weniger eindeutig ist die Evidenz bei Hauttumoren.
Patienten mit lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität stark beeinträchtigenden Erkrankungen haben Anspruch auf die Versorgung mit Cannabis-Blüten oder -Extrakten sowie mit Dronabinol, einem Tetrahydrocannabinol, und dem synthetischen Nabilon. Das gilt, wenn therapeutische Alternativen nicht möglich sind und die nicht ganz entfernte Aussicht auf eine positive Entwicklung von Krankheitsverlauf oder -symptomatik besteht. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedeutet das vereinfacht: Cannabis soll mehr nutzen als schaden. Fertigarzneimittel haben laut Arzneimittel-Richtlinie vom 30.06.2023 Vorrang vor Blüten und Extrakten. Weiterhin verordnen dürfen Mediziner, die als Hausärzte tätig sind.
Cannabinoid-Rezeptoren in der Haut
Cannabinoide sind pharmakologisch aktive Komponenten, die entweder vom Echten Hanf, Cannabis sativa, gebildet (Phytocannabinoide), vom Körper selbst produziert (Endocannabinoide) oder synthetisch hergestellt werden. Zu den Phytocannabinoiden gehört das psychoaktive delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) sowie Cannabidiol (CBD), das nicht psychotrop wirkt. Dank der antiproliferativen, immunmodulatorischen und antiinflammatorischen Wirkung sind die bioaktiven Inhaltsstoffe des Cannabis zur Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen wie Akne, atopischer Dermatitis und Psoriasis sowie des Pruritus geeignet [1]. Bei Pruritus liegen Studien mit Cannabinoiden (CNB) und CNB-Ölen vor; diese könnten vor allem wegen der unerwünschten Wirkungen der Antipsoriatika eingesetzt werden. Darüber hinaus wirkt CBD photoprotektiv, denn es schützt die Keratinozyten vor UV-bedingten oxidativen Schäden und stimuliert die Bildung von Melanin [1].
Die körpereigenen Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 haben endogene Liganden in der Haut, sodass diese gewissermaßen ihr eigenes Endocannabinoid-System besitzt. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Homöostase und Barrierefunktion, da die Rezeptoren in die Regulation der neuroimmunoendokrinen Hautfunktionen eingebunden sind. Eine Störung könnte zu Erkrankungen wie Dermatitis, Akne oder Pruritus führen. Nachgewiesen wurden die beiden Rezeptoren in epidermalen Keratinozyten, Melanozyten, Dermis- und Mastzellen, in Schweißdrüsen, Haarfollikeln und kutanen Nervenfasern. Cannabinoide beeinflussen auch das Wachstum, die Proliferation, Differenzierung und Apoptose von Keratinozyten, Melanozyten, Fibroblasten und der Adnexe. Darüber hinaus reagieren Cannabinoide rezeptorunabhängig über spezifische Ionenkanäle. In Sebozyten, Melanozyten, Fibroblasten und Immunozyten wurden zudem Enzyme nachgewiesen, die für das endogene Cannabinoid-System wichtig sind. Das alles spricht dafür, dass die Haut in den komplexen Cannabinoid-Stoffwechsel eingebunden ist [1].
Hautwirksam im Modell
Wie Cannabinoide in der Haut wirken, wurde bei Mäusen und in Zellkulturen gezeigt. In einer Übersichtsarbeit identifizierte man die spezifischen Angriffspunkte bei malignen Hauttumoren [2]. Beim malignen Melanom im Mausmodell erhöhte Cannabidiol das Überleben und verringerte die Tumorigenität, wie eine Arbeitsgruppe aus den USA zeigte. Intraperitoneal verabreichtes CBD bewirkte einen signifikanten Rückgang der Tumorgröße im Vergleich zu den Kontrollen (p = 0,01) sowie ein signifikant verlängertes Überleben (p = 0,04). Beides wurde auch unter Cisplatin beobachtet, wobei die Mäuse hier die längste Überlebenskurve hatten. Allerdings waren die Lebensqualität und die Qualität der Bewegung bei den mit CBD behandelten Mäusen besser. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse könnten Cannabinoide möglicherweise adjuvant beim Melanom eingesetzt werden, so die Autoren [3].
Während der Tumorprogression bildet die Mikroumgebung ein hoch immunsuppressives Milieu, das von regulativen myeloiden Zellen verursacht wird. Aktiviert werden diese von Zytokinen, die der Tumor sezerniert. Dezimiert man diese Zytokine, wäre das eine mögliche Antitumor-Strategie, so die Studienautoren aus Haifa und Jerusalem [4]. Tatsächlich nahm die Zytokin-Sekretion nach der Behandlung mit Cannabis-Extrakt ab, wofür der bioaktive Inhaltsstoff Cannabigerol verantwortlich gemacht wurde. In Zellmedien, die mit reinem Cannabigerol oder mit einem Cannabigerol-Extrakt behandelt wurden, waren die Expansion und Makrophagen-Transition der myeloiden Suppressorzellen reduziert. Die so behandelten Zellen exprimierten niedrigere Spiegel der Stickstoffoxid-Synthase und stellten damit die Aktivierung der zytolytisch aktiven CD8+ T-Zellen wieder her. Insgesamt war bei Mäusen, die mit Cannabigerol behandelt wurden, die Tumorprogression reduziert, und es fielen weniger tumorassoziierte Makrophagen auf. Auch das Verhältnis dieser Makrophagen zu proinflammatorischen M1-Makrophagen war verringert. Dieser neuartige Mechanismus einer modulierten Tumormikroumgebung und verstärkten Immuncheckpoint-Blockade durch Cannabigerol sei ein vielversprechender Therapieansatz, so die Wissenschaftler [4].
Wo Cannabinoide bei Hauttumoren ansetzen
Beim nicht melanozytären Hautkrebs erhöht die Aktivierung der epidermalen Rezeptoren CB1 und CB2 möglicherweise die DNA-Methylierung und hemmt die Proliferation der Keratinozyten. Unabhängig davon können Endocannabinoide den Prozess der Keratinozytenproliferation an zwei speziellen Rezeptoren hemmen. Damit ließe sich möglicherweise die Entwicklung eines Plattenepithelzellkarzinoms oder Basalzellkarzinoms verringern, so die Autoren [2]. Beim Melanom hemmte THC die Proliferation und Lebensfähigkeit des Tumors im Vergleich zu einer Chemotherapie. Das Fazit der Autoren: Die wachstumshemmenden Effekte von THC beruhen möglicherweise auf der Hemmung der charakteristischen proinflammatorischen Mikroumgebung [2].
Eine Genexpressionsanalyse menschlicher Melanomzellen (A375) und die folgende Stimulation mit Cannabis-Extrakten (THC + CBD) ergab im Vergleich zu einer Vero-Zelllinie, dass beide Fraktionen die Apoptose bei A375-Zellen induzierten. Damit verbunden war eine deutliche Aufregulierung der Gene von Transkriptions-, Nervenwachstums- und koloniestimulierenden Faktoren und der Gene für den Wachstumsstillstand sowie von Zytokinen, die typisch für maligne Erkrankungen sind. Gene, die im Zellzyklus, für Membranproteine und weitere Transkriptionsfaktoren wichtig sind, wurden herunterreguliert. Die Behandlung der Melanomzellen mit THC + CBD hemmte die Phosphorylierung eines Signalwegs, der die Proliferation der Melanomzellen reguliert. Gezeigt wurde auch, dass THC + CBD die Migration der Melanomzellen unterbrach. Extrakte, die THC und CBD in gleicher Menge enthalten, eignen sich daher möglicherweise zur Behandlung des Melanoms, so die Arbeitsgruppe aus Thailand [5].
Im Hinblick auf das Kaposi-Sarkom zeigte sich präklinisch, dass ein synthetisches Cannabinoid (WIN-55, 212-2) Kaposi-Zelllinien in die Apoptose führte. In Endothelzellen, die von Kaposi betroffen waren, hemmte CBD die viralen, G-Protein gekoppelten Rezeptoren und die Rezeptoren des endothelialen Wachstumsfaktors. Dadurch wurden das Tumorzellwachstum und die Angiogenese unterbunden. THC wirkt beim Kaposi-Sarkom möglicherweise dosisabhängig: In niedriger Dosis verstärkte THC das mit dem Kaposi-Sarkom assoziierte Herpesvirus, indem es die Virusreplikation und Transmission erleichterte [2].
Kaum Studien zu Cannabis in der Dermatoonkologie vorhanden
Die Studienlage zur Anwendung von Cannabis bei dermatologischen Tumoren ist sehr übersichtlich. Es liegt eine Untersuchung zum adjuvanten Konsum (Rauchen/Dampfen) von Cannabis beim kutanen Lymphom vor, außerdem ein Fallbericht, in dem Cannabis-Öl gegen die unerwünschten Wirkungen einer Vismodegib-Therapie eingesetzt wurde.
Cannabis gegen Juckreiz, Angst und Depressionen
In einer Online-Querschnittsstudie in den US-Bundesstaaten Kalifornien und Washington wurde der Frage nachgegangen, wie Patienten mit kutanem Lymphom Cannabis nutzen. Die 119 Patienten im Durchschnittsalter von 59 Jahren wiesen größtenteils eine Mycosis fungoides oder das Sézary-Syndrom im Frühstadium (IA–IIA) auf. Der mittlere VAS-Score für Juckreiz war mit 3,2 + 2,8 etwas niedriger als bei Lymphomen üblich. Über die Hälfte der Teilnehmer hatten schon einmal Cannabis genutzt, 22 % konsumierten es zum Zeitpunkt der Studie (55 % rauchten, 46 % dampften). Cannabis wurde am häufigsten gegen Depression und/oder Angstzustände und gegen Schmerzen angewendet. Ein Viertel der Teilnehmer nutzte Cannabis, um den Juckreiz zu lindern (inhalativ oder topisch). Den Berichten zufolge verbesserte sich der Juckreiz moderat (im Mittel 6,6/10), die Symptomatik verbesserte sich generell (im Mittel 6,2/10). Das Fazit: Die Patienten hatten ein großes Interesse, mehr über Cannabis bei Tumorerkrankungen zu erfahren, am liebsten von ihrem behandelnden Arzt [6].
Fallbericht: Cannabis bei Muskelkrämpfen
Muskelkrämpfe sind eine häufige Nebenwirkung von Vismodegib, das bei metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom (BCC) eingesetzt wird. Die Muskelkrämpfe beeinträchtigen die Lebensqualität und können bis zum Therapieabbruch führen. Ein 45-jähriger Patient (BCC mit keratolytischer Differenzierung) sprach nach 8 Monaten vollständig auf die Therapie (150 mg Vismodegib pro Tag) an, die Narbe heilte, kleine Rest-Verkrustungen blieben. Nach weiteren 48 Monaten zeigte er keine Krankheitsanzeichen, die Medikation wurde weitergeführt. Nach 24 Monaten traten nächtliche Muskelkrämpfe und Muskelschmerzen auf, die die Lebensqualität sehr beeinträchtigten. Die Behandlung wurde für 4 Monate ausgesetzt, danach erschienen die BCC-Läsionen erneut, sodass die reguläre Therapie wieder aufgenommen wurde. Aufgrund der Muskelkrämpfe kam es zu einer schweren Insomnie, die die Tagesaktivität stark beeinträchtigte. Dazu kamen schmerzhafte Bauchkrämpfe. Die Spiegel der Kreatinphosphokinase waren über das 10-Fache erhöht. Die Therapie: Cannabis-Öl (mit 15 % delta-9-tetrahydrocannabinol und 3 % Cannabidiol), 1 Tropfen sublingual 2 × pro Tag, dann 2 Tropfen 2 × pro Tag. Nach 2 Wochen besserten sich die Muskelkrämpfe, der Patient war jedoch nach der morgendlichen Einnahme desorientiert. Nach Umstellung auf 4 Tropfen abends reduzierten sich die Muskelkrämpfe und das Schmerzniveau. Die Kreatinphosphokinase-Spiegel und die Abdominalkrämpfe normalisierten sich nach 4 Wochen. Der Patient nahm die Dosis für weitere 4 Monate ein, dann setzte er aus. Niedriggradige Muskelkrämpfe kehrten zurück, die mit einem Additiv behandelt werden konnten. Durch Verbesserung der unerwünschten Wirkungen konnte die Vismodegib-Therapie weitergeführt werden, sodass sich der Patient 4,5 Jahre nach Beginn der Therapie in kompletter Remission befand. Dieser Fall würde das Cannabis-Dilemma gut illustrieren, so die Wissenschaftler aus Haifa. Obwohl viele Patienten und Ärzte Cannabis bei einer Reihe von Symptomen als nützlich ansehen, bestehe aber bisher nicht genügend Evidenz für den Einsatz [7].
Ohne Zweifel besitzen Phytocannabinoide großes Potenzial in der Behandlung von Hauterkrankungen – von der Photoalterung über Entzündungen und Immunstörungen bis hin zu Schmerzen und Pruritus [1]. Das sollte durch klinische Forschung verifiziert werden, zu der auch Studien mit malignen Hauterkrankungen gehören, bei denen die Rolle der Cannabinoide noch nicht gut untersucht ist, auch, weil die Kenntnis über das Endocannabinoid-System bei Hauterkrankungen noch unzureichend ist. Begrenzte Studien weisen auf eine stärkere Wirkung von Cannabis-Extrakten im Vergleich zu einzelnen Phytocannabinoiden hin [8].
Da Patienten mit Hauttumoren einen hohen Informationsbedarf haben – und das auch zur Behandlung mit Cannabis –, sollte der behandelnde Arzt im Zuge der erwarteten Legalisierung den eigenständigen Cannabis-Konsum im Vorfeld einer Therapie ansprechen. Therapiebegleitend ist medizinisches Cannabis als Co-Analgetikum und zur Unterstützung der Lebensqualität denkbar, auch bei einer Chemotherapie. Hier zeigten Interventionsstudien mit medizinischem Cannabis und Cannabinoiden eine leicht verstärkte Wirkung der antiemetischen Standardtherapie, eine leichte Appetitsteigerung, eine mögliche Verbesserung von Geschmacksstörungen sowie eine leichte Analgesie bei neuropathischen Schmerzen. Häufige, dosisabhängige unerwünschte Wirkungen auf das zentrale Nervensystem wurden beobachtet (Euphorie, Dysphorie, Gedächtnisstörungen, verschwommenes Sehen, Schwindel, Mundtrockenheit). Das Risiko für Arzneimittelinteraktionen scheint dabei gering zu sein [9].
1 Martins AM et al., Pharmaceuticals (Basel) 2022; 5: 210
2 Shao K et al., Clin Dermatol 2021; 39: 784–95
3 Simmermann E et al., J Surg Res 2019; 235: 210–5
4 Wyrobnik I et al., Oncoimmunology 2023; 12: 2219164
5 Poommarapan K et al., Anticancer Res 2023; 43: 1221–37
6 Mahurin HM et al., Complement Ther Med. 2022; 67: 102830
7 Shentzer Kutiel T et al., J Pain Symptom Manage 2018; 55: e1–e2
8 Martinelli G et al., Planta Med 2022; 88: 492–506
9 Onkopedia [Internet]; https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/medizinischer-cannabis-und-cannabinoide/@@guideline/html/index.html, Stand: 13.09.2023
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