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Fokus Naturmedizin

Supportivtherapie

Mammakarzinom: Komplementärmedizin ergänzt Schulmedizin

Prof. Dr. med. Harald Meden

12.12.2025

Immer mehr Leitlinien bewerten Komplementärmedizin positiv, basierend auf einer kontinuierlich wachsenden wissenschaftlichen Evidenz. Wie können diese Erkenntnisse und Empfehlungen konkret für Patientinnen mit Mammakarzinom in der Sprechstunde umgesetzt werden?

Jede achte Frau erkrankt an einem Mammakarzinom. Die Möglichkeiten der Behandlung haben zugenommen, die Therapien sind differenzierter geworden. Meist werden multimodale Behandlungen durchgeführt. In der Summe konnten dadurch eine Verbesserung der Überlebenszeit und der rezidivfreien Intervalle erreicht werden.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass mit mehr Therapien bei den meisten Patientinnen auch mehr Nebenwirkungen auftreten. Dies kann zu deutlichen Einschränkungen der Lebensqualität führen. Zudem ist das „Cancer-related Fatigue”-Syndrom häufiger geworden. Die wissenschaftliche Datenbasis zu Komplementärmedizin und Naturheilverfahren ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Gleichzeitig haben die Anfragen seitens der Patientinnen und Patienten hierzu zugenommen.

Komplementärmedizin

Komplementärmedizin ist eine Gruppe verschiedener medizinischer Konzepte, die üblicherweise nicht in der konventionellen Medizin eingesetzt werden.

Die Anwendung von Komplementärmedizin ist in der Bevölkerung weitverbreitet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert mehr Anerkennung für die Komplementärmedizin sowie für Naturheilverfahren und hat hierzu entsprechende Programme entwickelt. Das Ziel dieser Programme ist es, die Schulmedizin mit der Komplementärmedizin zu ergänzen.

Komplementärmedizin bei Frauen mit Mammakarzinom ist patientinnenzentriert und zunehmend evidenzbasiert. Dabei kommen Modifikationen des Lebensstils zur Anwendung, und es werden Methoden aus der Mind-Body-Medizin eingesetzt.

Bei vielen Frauen mit Mammakarzinom persistieren Symptome wie Fatigue, Schlafstörungen, Schmerzen und Angst, obwohl schulmedizinische Standardtherapien eingesetzt wurden. Unzureichende Behandlungen von Symptomen, welche die Lebensqualität sowie die Leistungsfähigkeit einschränken, und die Suche nach ganzheitlichen Behandlungskonzepten sind für Erkrankte zentrale Motivationen für die Offen­heit gegenüber Komplementärmedizin und für die Suche nach wirksamen Methoden.

Komplementärmedizinische Methoden werden von bis zu 80 % der onkologischen Patientinnen eingesetzt, jedoch informiert nur ein Bruchteil die schulmedizinischen Therapeuten bzw. Therapeutinnen darüber. Gegenüber Komplementärmedizin abzugrenzen ist Alternativmedizin. Letztere basiert oft auf unbewiesenen Behauptungen und kann zur Ablehnung von konventionellen Therapien wie Operation, Chemotherapie oder Strahlentherapie führen.

Der Einsatz von Alternativmedizin anstelle von konventionellen onkologischen Behandlungen führt nachweislich zu reduzierten Überlebenszeiten.

Hingegen hat die ergänzend zur konventionellen Onkologie eingesetzte Komplementärmedizin den Anspruch nach bestmöglicher Sicherheit und Wirksamkeit auf wissenschaftlicher Basis. Komplementärmedizin hat immer mehr Anerkennung gefunden und ist seit Jahren in die onkologischen Empfehlungen großer schulmedizinischer Fachgesellschaften integriert, beispielsweise bei den Practice Guidelines der Amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie, ASCO.

Therapeutischer Einsatz in der Onkologie

Komplementärmedizinische Therapien gehören zum festen Leistungsangebot in vielen großen onkologischen Kliniken. Dabei und damit werden folgende Ziele verfolgt: Kontrolle von malignombedingten Symptomen, Unterstützung bei Änderungen des Lebensstils und Optimierung der Lebensqualität der Erkrankten. Die nachfolgend genannten Interventionen haben die stärkste Evidenz zur Optimierung des Symptommanagements:

Sport und körperliche Aktivität

150 Minuten moderate Bewegung oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche sind die aktuellen Empfehlungen der Amerikanischen Krebsgesellschaft für onkologische Erkrankte. Fatigue und Schmerzen sind für viele Betroffene ein Hindernis, dies umzusetzen; sie profitieren von Hilfen und Anleitungen zur Implementierung dieser Empfehlung, insbesondere bei postoperativen Einschränkungen oder bei Nebenwirkungen onkologischer Therapien.

Während früher onkologischen Patientinnen und Patienten unter Therapie oft körperliche Schonung empfohlen wurde, hat sich hier ein Paradigmenwechsel ergeben: Regelmäßige körperliche Aktivität während einer onkologischen Therapie ist vorteilhaft mit Blick auf Fatigue, körperliche Funktionen und insbesondere die kardiovaskuläre Situation. Auch Selbstwertgefühl und die Lebensqualität werden dadurch gesteigert.

Ernährung

„Soll ich meine Ernährung umstellen?“ ist eine der häufigsten Fragen von Patientinnen mit Mammakarzinom. Dem Thema Ernährung wurde in den vergangenen Jahren auch von Seiten der Therapeutinnen und Therapeuten zunehmende Aufmerksamkeit gewidmet. Einerseits soll Mangelzuständen infolge der Krankheit und onkologischer Therapien entgegengewirkt werden. Andererseits wird oft nach einem medizinischen Nutzen der Ernährung oder bestimmter Nahrungsanteile gefragt. Von „Krebsdiäten” zum Aushungern der Krebserkrankung ist dringend abzuraten.

Wenn vor oder während einer onkologischen Therapie Mangelzustände bestehen, kann eine Zusammenarbeit mit ernährungstherapeutischen Personen hilfreich sein, ebenso bei negativer Energiebilanz und Gewichtsverlust.

Fasten: In einer randomisierten Cross-over-Pilotstudie zum Kurzzeitfasten begleitend zur Chemotherapie zeigten sich positive Effekte zur Lebensqualität und zu Fatigue. Nachfolgend veröffentlichte Studien ergaben kontroverse Resultate.

Schlaf

Schlafstörungen, insbesondere Schlaflosigkeit, sind bei Brustkrebspatientinnen häufig. Die Gründe dafür sind oft multifaktoriell und beinhalten Nebenwirkungen von Medikamenten sowie die Entkoppelung in zirkadianen Rhythmen infolge therapiebedingter Fatigue. Auch psychosoziale Faktoren spielen oft eine Rolle. Die Wirksamkeit zahlreicher nicht-pharmakologischer Methoden ist in dieser Situation wissenschaftlich belegt. Im Vordergrund steht die kognitive Verhaltenstherapie bei Schlaflosigkeit. Auch Akupunktur, Tai-Chi und Achtsamkeits-basierte Stressreduktion können bei Schlaflosigkeit eingesetzt werden, die Wirksamkeit ist durch randomisierte Studien belegt.

Stressmanagement

Nach der Krebsdiagnose führen die physischen, emotionalen und sozialen Folgen bei den meisten Erkrankten zu einer Stressreaktion.

Es hat sich gezeigt, dass Strategien zur Krankheitsbewältigung wie Entspannungstechniken oder ­Methoden zur Stressreduktion, Depressionen, Angst und den Symptomen der Krankheit sowie den Nebenwirkungen onkologischer Therapien entgegenwirken. Zur Stressbewältigung haben sich Achtsamkeits-basierte Methoden und Yoga bewährt.

Mind-Body-Techniken

Hierzu gehören Tai-Chi, Yoga, Entspannungstechniken und Meditation sowie Massagetherapie und Akupunktur (NCI). Diese Methoden zeigen den engen Zusammenhang zwischen mentalem und körperlichem Wohlbefinden.

Akupunktur

Mehr als 80 % der großen onkologischen Zentren in den USA empfehlen Akupunktur zur symptomatischen Behandlung bei Frauen mit Mammakarzinom. Im Vordergrund steht dabei die Behandlung von Schmerzen, Fatigue, Übelkeit, Erbrechen und Hitzewallungen. Zudem erfolgt der Einsatz in der Palliativsituation.

Massage

Massage wird bei onkologischen Patientinnen und Patienten zur Behandlung von cancer-related ­fatigue syndrome (CRFS), Schmerzen, Stimmungsschwankungen, Depression und Stress eingesetzt und wurde in klinische Leitlinien aufgenommen. Ferner konnte in Studien eine signifikante Reduktion von Übelkeit gezeigt werden. Im Vergleich zu anderen Interventionen setzt die Wirkung der Massage schnell ein und ist von kurzer Dauer.

Achtsamkeits-basierte Methoden

Die am besten untersuchte Form der Meditation ist die Achtsamkeits-basierte Stressreduktion. Randomisierte Studien hierzu zeigen eine positive Wirkung gegenüber Fatigue, Depression, Angst und Furcht vor einem Rezidiv. Ergänzend dazu ließen sich positive Effekte zu Schlafqualität, Lebensqualität und Langzeitnebenwirkungen onkologischer Therapien zeigen.

Die meisten dieser Studien wurden bei Frauen mit Mammakarzinom durchgeführt. Auch bei Personen mit anderen Tumorentitäten zeigten sich positive Effekte auf die Stimmung, das allgemeine Wohlbefinden und die Stressintensität sowie Reduktion von chronischen Schmerzen.

Yoga

In mehreren großen Metaanalysen und in systematischen Reviews ist die Wirksamkeit von Yoga bei Patientinnen mit Mammakarzinom belegt. Dabei zeigten sich Verbesserungen der Lebensqualität und der seelischen Gesundheit. Darüber hinaus konnte eine Verbesserung der Schlafqualität und, bei Schlafmitteleinnahme, eine Reduktion der Menge der eingenommenen Medikamente gezeigt werden.

Tai-Chi

In Studien zeigte Tai-Chi bei chemotherapierten Erkrankten einen günstigen Einfluss auf Fatigue, bei älteren onkologischen Patientinnen und Patienten konnte damit das Gleichgewichtsempfinden verbessert und das Sturzrisiko vermindert werden. Auch Schlafstörungen konnten mit Tai-Chi günstig beeinflusst werden.

Evidenzbasierte Anwendung und Kommunikation

Im Gegensatz zur Alternativmedizin ist die Komplementärmedizin in der Onkologie evidenzbasiert. Nachdem wissenschaftliche Untersuchungen begonnen haben, die Wirksamkeit und Sicherheit komplementärmedizinischer Methoden nachzuweisen, ist einerseits eine kritische Würdigung der Literatur erforderlich und andererseits ein kontinuierlicher Lern- und Ausbildungsprozess, um die konventionellen onkologischen Therapien mit komplementärmedizinischen Ansätzen zu ergänzen.

Patientinnen mit Mammakarzinom haben unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich des Nutzens von Komplementärmedizin. Unrealistische Erwartungen können zur Ablehnung konventioneller onkologischer Therapien führen. Unrealistische Erwartungen sollten im Patientengespräch erkannt und in einen realistischen Bereich gebracht werden.

Der Einsatz von Komplementärmedizin bei Patientinnen mit Mammakarzinom kann dazu beitragen, dass konventionelle onkologische Therapien planmäßig eingesetzt werden können und Dosisreduktionen, Intervallverlängerungen, Wechsel auf weniger toxische und weniger wirksame Medikamente sowie Therapieabbruch vermieden werden können.

Somit können Patientinnen mit Mammakarzinom durch den zusätzlichen Einsatz von Komplementärmedizin das Potenzial konventioneller onkologischer Therapien mit Blick auf Remissionsraten, rezidivfreien Intervallen und Überlebenszeit besser ausschöpfen. Ergänzend dazu kann die Lebensqualität optimiert werden.

Der Autor

Prof. Dr. med. Harald Meden
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Swiss Institute for New Concepts and Treatments (SINCT)

meden@bluewin.ch

Literatur beim Verfasser

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