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Fokus Naturmedizin

Krebs

Naturheilverfahren individuell an Patienten anpassen

Prof. Dr. med. Jutta Hübner

Viele Patienten haben den Wunsch, zusätzlich zur Behandlung etwas beizutragen. In Deutschland nutzen im Durchschnitt die Hälfte aller onkologischen Patienten irgendwann im Verlauf ihrer Tumorerkrankung sowie -therapie komplementäre und alternative Medizin (KAM).

In einer Befragung bei Patienten mit Hautkrebs gaben 53 % an, Interesse an komplementär und alternativer Medizin (KAM) zu haben, aktuell nutzen 22 % diese. Informationsquellen sind überwiegend Familie und Freundeskreis, zunehmend aber auch Medien, insbesondere das Internet. Ärzte, insbesondere Fachärzte und Onkologen, werden seltener gefragt. Wichtige Ziele für die Verwendung von KAM sind aus Patientensicht die Stärkung des Immunsystems und der körpereigenen Kräfte.

Vorab KAM-Einsatz ärztlich absprechen

Grundsätzlich ist der Einsatz von komplementärer Medizin unter dem Aspekt der Patientenautonomie und des Patient Empowerment wünschenswert. Allerdings ist unter dem Aspekt von Neben- und Wechselwirkungen sehr genau darauf zu achten, welche Therapien Patienten einsetzen. Ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten möchte mit kom­plementärer und/oder alternativer Medizin den Tumor direkt bekämpfen. Zunehmend geben Patienten auch an, sich damit „entgiften“ oder Gifte „ausleiten“ zu wollen. Dies rührt auch daher, dass im Erleben des Patienten die Wirkungen (bzw. besser Nebenwirkungen) der Tumortherapie auch Tage und Wochen nach der Therapie anhalten und kumulieren. Hier hilft eine Aufklärung über Halbwertszeiten und den unmittelbaren Austritt von Strahlenpartikeln aus dem Körper.

Patientenaufklärung ist wichtig

Hinter der Nutzung von komplementärer und alternativer Medizin stehen häufig Laien-ätiologische Vorstellungen zur Krebsentstehung. Diese stimmen in aller Regel nicht mit unseren modernen Erkenntnissen zur Tumorentstehung überein. Aufgrund dieser Diskrepanzen sind auch die hochkomplexen Therapievorgänge in der modernen Onkologie für viele Patienten kaum verständlich. Eine wesentliche Chance, Patienten zu einer sicheren Nutzung von komplementärer Medizin und zur Vermeidung von alternativer Medizin zu bewegen, ist deshalb die gute Arzt-Patienten-Kommunikation.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die gute supportive Therapie, d. h., die frühe Aufklärung der Patienten über mögliche Nebenwirkungen der Therapie und über die Möglichkeiten, hier aktiv in guter Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient tätig zu werden.

Körperlich aktiv sein

Für Ärzte, die Patienten seriös und wissenschaftlich basiert zu komplementären und alternativen Medizin beraten wollen, sind körperliche Aktivität und Ernährung die wesentlichen Pfeiler einer evidenzbasierten Beratung. Dabei muss körperliche Aktivität nicht nur aus klassischen Sportarten bestehen, sondern kann in jeder Form von körperlicher Aktivität also z. B. auch in Gartenarbeit bestehen. Wichtig ist die regelmäßige Ausübung. Bei Patienten mit Hautkrebs ist evtl. darauf zu achten, ob es sich um Freizeitaktivitäten handelt und ob Patienten ausreichend über die notwendigen Hautschutzmaßnahmen informiert sind.

Viele Patienten klagen auch über kognitive Dysfunktion in Form von Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Hier wissen wir aus der Geria-trie, dass ebenfalls körperliche Aktivität gerne mit konzentrativen Elementen hilfreich sein kann. Hierzu gehören aus dem Formenbereich der asiatischen Bewegungsübungen Qigong, Tai Chi und Yoga, aber nachweislich auch das Tanzen.

Nahrungsergänzungsmittel und Interaktionen

Auch bei Patienten mit Hautkrebs sind Nahrungsergänzungsmittel eine der häufigsten verwendeten Methoden. Zu den Nahrungsergänzungsmitteln gehören Vitamine und Spurenelemente, aber auch sekundäre Pflanzenstoffe, ein Teil der Heilpflanzen, die niedrig dosiert als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, und Kombinationen all dieser Präparate. Wissenschaftlich gibt es derzeit keinen Hinweis, dass Nahrungsergänzungsmittel in der Onkologie wirklich von Vorteil sind, allerdings gibt es zwei Ausnahmen, nämlich Vitamin D, was insbesondere in der Dermatoonkologie von Bedeutung ist, und möglicherweise auch Selen. Bei einem Mangel eines dieser beiden Mikronährstoffe gibt es gute Hinweise, dass die Prognose der Patienten verschlechtert ist. Dies bedeutet für Patienten mit Hautkrebs, dass eine Vitamin-D-Bestimmung sinnvoll ist und auch in gewissen Abständen wiederholt werden sollte. Patienten sollten ausreichend hochdosierte Präparate bekommen.

Interaktionen können beim Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln, Phytotherapeutika, aber auch Heiltees u. Ä. zu einem wesentlichen Problem werden. In einer Untersuchung bei Hautkrebspatienten konnten wir zeigen, dass ein Viertel der Patienten unter einer Tumortherapie eine parallele Nutzung von KAM-Methoden hat, die zu Interaktionen führen können. Von denjenigen Patienten, die substanzgebundene KAM nutzen, also Nahrungsergänzungs­mittel etc., haben 85 % das Risiko von Interaktionen.

Misteltherapie

Eine Sonderstellung nimmt immer noch die Misteltherapie in der Onkologie ein. Eingeführt durch die anthroposophische Therapie war sie lange Zeit in Deutschland weit verbreitet. Aber auch heute nutzen viele Patienten die Misteltherapie. In der anthroposophischen Medizin ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Bereits vor einigen Jahren hat sich die S3-Leitlinie Melanom eindeutig gegen den Einsatz von Mistel ausgesprochen (derzeit in der Konsultationsfassung). Dies basiert auf einer EORTC-Studie, die im Mistelarm eine tenden­ziell (statistisch nicht signifikant) höhere Metastasierungsrate gezeigt hat. Da bisher für die Misteltherapie kein Nutzen nachgewiesen werden konnte, ist die Bilanz negativ und damit die Empfehlung der S3-Leitlinie sinnvoll.

Eine wichtige Diskussion ist die Kombination von Misteltherapie mit immunologischen Therapien. Es gibt eine Publikation aus anthroposophischen Kliniken, in der von 16 Patienten unter immunologischer Therapie berichtet wurde, von denen neun zusätzlich eine Misteltherapie erhalten haben. Die Autoren berichten, dass es kein Unterschied in den Nebenwirkungen gibt. Allerdings ist angesichts der kleinen Patientenzahl auch nicht mit einem statistisch oder klinisch relevanten Unterschied zwischen der Gruppe, die eine Kombination, und der Gruppe, die eine alleinige immunologische Therapie erhalten hat, zu erwarten. Da die Mistel nachweislich zu Aktivierungen von Zytokinen und Subpopulation der Lymphozyten führt, ist bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, dass Interaktionen möglich sind und dass durch eine parallele Misteltherapie immunologische Nebenwirkungen der modernen Immuntherapien verstärkt werden können. Seriöse Publikationen liegen dazu leider bisher nicht vor.

Ingwer, Probiotika und spezielle Ernährung

Das Potenzial der Komplementärmedizin liegt in den unterstützenden, die Patienten autonomiefördernden Aspekten, aber auch teilweise konkret im Einsatz gegen Nebenwirkungen. Einfache Möglichkeiten der komplementären Therapie sind Ingwer, bei Übelkeit und Erbrechen. Dabei kann der Ingwer in Form von Ingwertee, aber auch in der Apotheke erhältlichen Präparaten erfolgen. Durchfall kann z. B. durch die Gabe von Probiotika (einfachheitshalber in Form von Joghurt u. a. vergorenen Milchprodukten), aber auch Ernährungsmaßnahmen wie gekochte Möhren und geriebenen Apfel oder Banane verbessert werden. Allerdings sollte die Anamnese unbedingt ausschließen, dass der Durchfall aufgrund einer Nebenwirkung durch eine immunologische Therapie bedingt ist.

Fatigue behandeln

Ein der wesentlichen Probleme der modernen onkologischen Therapien ist die sich bei Patienten einstellende Fatigue. Selbst wenn sie leichtgradig ist, wirkt sie sich negativ auf die Lebensqualität aus. Die beste Maßnahme gegen die Fatigue ist ein Bewegungsprogramm bis hin zum Sport ggf. sogar zunächst unter Anleitung, damit die Patienten geeignete und ihnen auch Spaß machende Übungen finden. Aus dem Ernährungsbereich sind möglicherweise Omega-3-Fettsäuren hilfreich. Kleine Studien zeigen, dass auch Koffein und koffeinhaltige Präparate oder Ingwer wirksam sein können. Aus der Pflanzentherapie hat sich Ginseng bewährt. Mehrere Studien zeigen eine Wirksamkeit bei Tumortherapie induzierter Fatigue. Allerdings ist zu beachten, dass eine ausreichend hohe Dosierung von mindestens 1.000, eher 2.000–3.000 mg pro Tag erreicht wird. Damit ist die Ginseng-Therapie teuer und sicherlich nur am Ende unterschiedlicher Therapieversuche einzusetzen und nur unter Kenntnis, ob die Therapie für den Patienten auch über mehrere Wochen finanzierbar ist, da die Kosten von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Dagegen kann Sport über eine Rehasport-Verordnung durch die Krankenkassen finanziert werden.

Die Autorin

Prof. Dr. med. Jutta Hübner
Professorin für Integrative Onkologie
Abt. Hämatologie und Intern. Onkologie
Klinik für Innere Medizin II
07747 Jena

jutta.huebner@med.uni-jena.de

Literatur bei der Autorin

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