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Fokus Naurmedizin

Evidenzbasierte Naturheilkunde

Den Juckreiz lindern – was Bakterien zu bieten haben

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

13.5.2024

Ein neuer Therapieansatz in der klinischen Prüfung: Nach vier Wochen topischer Anwendung reduzierte das metabolisch aktive Bakterium Nitrosomonas eutropha schweren Juckreiz bei der atopischen Dermatitis. Dies betont einmal mehr die Rolle des Hautmikrobioms bei der Behandlung.

Das häufigste und zugleich am meisten belastende Symptom der atopischen Dermatitis (AD) ist der Pruritus. Das schwer erträgliche Gefühl ruft den Drang hervor, sofort zu kratzen. Dieser typische Juck-Kratz-Zyklus verschlimmert die Schäden in der Hautbarriere und führt zu transdermalem Wasserverlust und Hauttrockenheit. Gleichzeitig wird ein Milieu geschaffen, das die Ansiedlung von Hautpathogenen fördert. Pathogene Bakterien bewirken Infektionen, Entzündungsreaktionen und eine Verschlimmerung der Symptome. So sind verschiedene Ausprägungen von Juckreiz und Hautläsionen kennzeichnend für die klinische Symptomatik.

Schwerer Juckreiz und milde bis moderate Läsionen kommen bei 21–29 % der Betroffenen vor; milder bis moderater Juckreiz und milde bis moderate ­Läsionen dominieren bei ungefähr 60 %. Das macht insgesamt zwischen 80 und 90 % aller AD-Phänotypen aus. Das Management der Symptome ist eine große therapeutische Herausforderung. Auch wenn die topische antientzündliche Therapie ein Meilenstein in der Behandlung ist, bleiben nach wie vor „Unmet Needs“.

Die Pathogenese der atopischen Dermatitis ist mit einer Immundysregulation im Sinne einer Typ-2-­Entzündungsantwort verbunden, außerdem mit einer Störung der Hautbarriere und einer Dysbiose. Diese beruht auf einem Verlust der mikrobiellen Diversität, weil das virulente Bakterium Staphylococcus (S.) aureus überwiegt. Diese Spezies wird durchgängig in den ekzemartigen Hautläsionen bei atopischen Patientinnen und Patienten gefunden. Eine Korrelation zwischen der Krankheitsschwere und der Anwesenheit von S. aureus ist bekannt.

Ein lebendes Biotherapeutikum

Das neue Therapeutikum B244 besteht aus einem gereinigten Stamm von Nitrosomonas eutropha, einem Ammoniak-oxidierenden Bakterium, das aus Bodenproben isoliert wurde. In der Umwelt sind die spezialisierten Bakterien nötig für den ersten Schritt der Nitrifizierung, der Oxidation von Ammoniak (NH3) zu Stickstoffmonoxid (NO) und Nitrit (NO2-). Nitrosomonas ist nicht Bestandteil der normalen Hautflora, es wird jedoch diskutiert, dass das ­Bakterium durch die zunehmende Hygiene verloren ging [1]. Therapeutisch aufgebracht, könnte es die normale Zusammensetzung des Hautmikrobioms wiederherstellen [2].

Wie in einer aktuellen Studie beschrieben, reduziert Nitrosomonas B244 möglicherweise das Überleben von Staphylococcus aureus, das bei der Zerstörung der Hautbarriere und bei der Verschlimmerung der Symptome eine Rolle spielt. In vitro zeigte sich außerdem, dass B244 Interleukin(IL)-4, IL-5 und IL- 13 verringerte, die mit Th2-Helferzellen assoziiert und damit pathogenetisch bedeutsam sind. Durch die besondere Stoffwechselaktivität und die fehlende Virulenz ist Nitrosomonas ein attraktiver Kandidat für die topische Zufuhr von Stickstoffmon­oxid und Nitrit, die antiinflammatorisch bzw. antimikrobiell wirken und dadurch die klinischen Symp­tome der AD verbessern können.

Schlimmster Juckreiz deutlich reduziert

Die Wirksamkeit und Sicherheit im Vergleich zur ­Trägersubstanz wurde in einer randomisierten, doppel­blinden, placebokontrollierten Dosisfindungsstudie der Phase IIb in 56 US-amerikanischen Studienzentren überprüft. Eingeschlossen waren 547 Erwachsene (18–65 Jahre) mit milder bis moderater AD und ­moderatem bis schwerem Pruritus [3]. Die Randomisierung erfolgte 1 : 1 : 1 in eine Gruppe mit niedriger Dosis B244 (optische Dichte bei 600 nm [OD] 5,0), eine Gruppe mit hoher Dosis (OD 20,0) und eine, die die Trägersubstanz als Placebo erhielt. Behandelt wurde 4 Wochen lang zweimal täglich mit einem topischen Spray, nachbeobachtet wurde über einen Monat. ­Primärer Endpunkt war die durchschnittliche Veränderung des Pruritus anhand der Worst Itch Numeric Rating Scale (WI-NRS) nach 4 Wochen. Die Sicherheit wurde über die gesamte Studie protokolliert, und zwar bei allen Teilnehmenden, die mindestens eine Dosis erhalten hatten. Die primäre Wirksamkeitsanalyse schloss die modifizierte Intention-to-Treat-Population ein, also alle Personen, die mindestens eine Dosis erhalten und an mindestens einer Visite nach Studienbeginn teilgenommen hatten.

Nach 4 Wochen hatten sich alle Studienendpunkte im Vergleich zu Placebo deutlich verbessert. Speziell der WI-NRS-Score reduzierte sich um 34 % unter den beiden B244-Dosierungen (-2,8 vs. -2,1 unter Placebo; p = 0,014 [OD 20,0] und p = 0,015 [OD 5,0]), ausgehend von einem Baseline-Score von > 8. Dabei wurde B244 gut und ohne schwerwiegende unerwünschte Ereignisse vertragen. Dokumentiert wurden leichte und vorübergehende Nebenwirkungen, die während der Behandlung auftraten (18 % [OD 5,0], 16 % [OD 20,0] und 9 % [Placebo]), insgesamt am häufigsten waren Kopfschmerzen (3 %, 2 % bzw. 1 %).

Wie die Studiengruppe betonte, stellt B244 als topisches lebendes Biotherapeutikum eine neue Klasse in der Behandlung der atopischen Dermatitis mit assoziiertem Pruritus dar. Eine zukünftige Studie soll Langzeitdaten zur Wirksamkeit und Sicherheit über ein Jahr liefern. So lassen die zunehmenden Behandlungseffekte in der Erst-Studie eine weitere Verbesserung über 4 Wochen hinaus erwarten. In Zukunft wird B244 auch bei einer pädiatrischen Studienpopulation untersucht werden.

Bei Erwachsenen mit atopischer Dermatitis ist eine Phase-III-Studie in Japan, den USA und Europa geplant. In der Praxis sei ein Einsatz als Früh-Intervention für Betroffene vorstellbar, die andere Erst- oder Zweitlinienoptionen nicht nutzen könnten oder wollten, resümierte die Arbeitsgruppe um ­Jonathan Silverberg von der George Washington University School of Medicine and Health Sciences in Washington (USA) [3].

Auch andere Mikroorganismen wurden getestet (Abb.). Die Studien mit Roseomonas mucosa FB- 401 und ­Staphylococcus hominis A9 (ShA9) wurden ­jedoch wegen eines fehlenden Wirksamkeitsbenefits im Vergleich zu Placebo abgebrochen bzw. ­abgeschlossen [2].

In Zukunft auch pflanzlich?

Eine interessante phytotherapeutische Substanz stammt aus der chinesischen Zierquitte (Chaenomeles sinensis). Der Inhaltsstoff Euscaphissäure wirkt antiinflammatorisch, antikoagulierend und antioxidativ. Wie effektiv die Substanz bei Hautentzündungen und starkem Pruritus ist, wurde experimentell im Vergleich zu Phosphatpuffer und Dexamethason überprüft – in menschlichen aktivierten epidermalen Keratinozyten und Th2-Lymphozyten sowie im AD-Modell der Maus. In den aktivierten Keratinozyten und Th2-Lymphozyten linderte Euscaphissäure die inflammatorische Signalgebung über Transkriptionsfaktoren (STAT1/NF-κB). Im Maus-Modell verbesserte sich unter Euscaphissäure die Expression entzündungsrelevanter Zytokine (IL-4, IL-31, TNF-α, IFN-β, IL-17A, IL-22), pruritogene Faktoren wurden reduziert, beispielsweise die übermäßige Bildung von Immunglobulin E, die Invasion von Mastzellen und die Expression von IL-33. Kurz, Euscaphissäure aus der Zierquitte schwächte im AD-Modell Entzündung und Pruritus effektiv ab. Damit würde man ein wirkungsvolles Naturprodukt zur Behandlung von entzündlichen Hauterkrankungen in der Hand haben, schlussfolgerten die Forschenden aus Korea [4].

Bei der Behandlung der atopischen Dermatitis dominieren topische Kortikosteroide, Calcineurin-Inhibitoren und ­Immunsuppressiva, die die klinische Symptomatik verringern. Nicht zuletzt durch die Wechselwirkungen zwischen Immun­system und Hauterkrankungen ist das Mikrobiom zu einem Hot Topic der Forschung geworden. Zukünftige Strategien werden daher in Richtung Diversität des Hautmikrobioms zielen [5]. So auch bei der atopischen Dermatitis, deren Pathogenese mit einer Immundysregulation im Sinne einer Typ-2-­Entzündungsantwort verbunden ist und die mit einer Störung der Hautbarriere und einer Dysbiose einhergeht, welche auf einem Verlust der mikrobiellen Diversität mit Überwiegen des virulenten Bakteriums Staphylococcus (S.) aureus beruht. Modulierend greift hier das Biotherapeutikum Nitrosomonas eutropha B244 ein. Die topische Anwendung war im Vergleich zu Placebo bei sehr starkem Juckreiz effektiver und wirkte auch auf ekzematöse Läsionen. Damit könnte das nitrifizierende Bakterium in Zukunft eine Option bei milder bis moderater AD sein, die mit schwerem Juckreiz einhergeht.

  1. Callewaert C et al., Comput Struct Biotechnol J 2021; 19: 624–31
  2. Pinto ML et al., Pharmaceutics 2022; 14: 2767
  3. Silverberg JI et al., EClinicalMedicine 2023; 60: 102002
  4. Yeong NH et al., Inflammation 2022; 45: 1680–91
  5. Gatmaitan JC et al., Int J Mol Sci 2023; 24: 11380

Bildnachweis: medicalstocks, pialhovik, RedKoalaDesign (gettyimages)

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