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Fokus Naturmedizin

Atopisches Ekzem

Phytotherapie bei Kindern

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

11.8.2023

Die kindliche Haut befindet sich funktionell und anatomisch in der Entwicklung. Deshalb ist sie besonders anfällig für Barrierestörungen wie die Neurodermitis. Pflanzliche Wirkstoffe können die Hautbarriere schützen und Entzündung und Juckreiz lindern.

Eine chronische Hauterkrankung wirkt sich bei ­Kindern nicht nur körperlich aus, sondern beeinflusst auch das Verhalten und die Regulierung der Emotionen. Für die Familien bedeutet das Disstress im ­Alltag. Besonders herausfordernd ist die atopische Dermatitis, denn die Eltern sorgen sich zusätzlich hinsichtlich der Wahl der Medikation und der verfügbaren Behandlungsoptionen. Über die Hälfte von ihnen bevorzugt komplementäre Behandlungen wie etwa die Phytotherapie [1].  

Die Neurodermitis ist eine entzündliche, stark pruriginöse Hauterkrankung mit chronisch-rezidivierendem Verlauf. Die eosinophile, spongiotische Dermatitis wird von T2-Helferzellen angetrieben, die gegen Antigene aus der Umwelt gerichtet sind. In der Folge bilden die Plasmazellen verstärkt Immunglobulin E, das sich auf der Oberfläche von immunkompetenten Zellen anlagert. Als sichtbares Zeichen dominiert in den ersten Lebensmonaten eine gelbliche Schicht aus seborrhoischen, verkrusteten Schuppen auf der Kopfhaut. Hier kann nur lindernd behandelt werden. Später prägt sich die Atopie im Gesicht aus, bei kleineren Kindern mit exsudativen Läsionen an den Wangen, sowie an den Oberflächen der Streckmuskeln von Armen und Beinen und am Körperstamm. Im chronischen Stadium ist die Basispflege essenziell, hier spielen Ceramide eine wichtige Rolle. Ceramide sind natürliche Hautlipide, die einen wesentlichen Teil der Fettsäuren in der Hautschutzbarriere ausmachen. Beispielsweise fungieren die Omega-Hydroxy-Ceramide als Lipidkomponenten des Stratum corneum und sind mit dem Involucrin verbunden, das die Korneozyten umhüllt und schützt.

Regulierende Ceramide

Welche Herausforderungen bei der Pflege der kindlichen Haut auftreten, wie die Hautbarriere am besten geschützt wird und welche Rolle die Ceramide in Reinigungs- und Feuchtigkeitsprodukten spielen, stellte ein internationales Team von pädiatrischen Dermatologen in einem Konsensuspapier vor. Die Übereinstimmung wurde mithilfe einer modifizierten Delphi-Methode erreicht, also durch systematisches mehrstufiges Befragen der Experten. Zusammen mit einer Literaturrecherche konnte eine Stellungnahme verabschiedet werden, die klinische Daten für pädi­atrische Dermatologen, Dermatologen und pädiatrische Gesundheitsdienstleister bereitstellt. Das ­Ergebnis: Es besteht zunehmende Evidenz, dass die Hautpflege so früh wie möglich begonnen werden sollte, am besten täglich und mit nicht alkalischen Reinigungsmitteln, mit dem Ziel, die Barrierefunktion der Haut zu erhalten. Die Hautpflege für Neugeborene und Kleinkinder sollte sicher, effektiv und frei von Duftstoffen und sensibilisierenden Substanzen sein. Vorteilhaft für den Lipid- und Wassergehalt des Stratum corneum könnten Ceramide sein. Werden von Geburt an sanfte Reinigungsmittel und Feuchtigkeitsspender mit Barrierelipiden aufgetragen, hilft das, die Hautbarriere zu schützen sowie die Haut langfristig mit Feuchtigkeit zu versorgen und zu beruhigen [2].

Atopische Dermetitis beim Kleinkind Abbildung Fuß Kleinkind

Was bei Kleinkindern beachtet werden sollte  

In einem Positionspapier der Europäischen Arbeitsgruppe zur atopischen Dermatitis empfiehlt diese zur Reinigung der kindlichen Haut 2–7 Bäder bzw. Duschen pro Woche, die nicht zu heiß sein und mit milden Tensiden erfolgen sollten. Danach sollten sofort lindernde Feuchtigkeitsprodukte aufgetragen werden, nach dem Prinzip „soak and seal“. Bei Kindern unter 2 Jahren sollten dies keine Mittel sein, die allergene Pflanzenproteine aus Erdnuss, Hafer oder Weizen enthalten. Proteinfreie Pflanzenextrakte scheinen dagegen sicher zu sein. Was bei Kindern unter 2 Jahren außerdem bedacht werden sollte: In diesem Alter ist die Hautbarriere noch unvollständig und das Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpergewicht ist erhöht. Das steigert die systemische Exposition um das 2,7-Fache und es besteht somit ein größeres Risiko für eine Intoxikation.

Gleichzeitig ist das Immunsystem noch wenig kompetent. Hypoallergene topische Zubereitungen schützen Kinder unter 5 Jahren vor einer Kontaktallergie. Diese Altersgruppe verträgt außerdem Glycerin besser als Harnstoff, der – wenn überhaupt – nur in Konzentrationen von unter 5 % eingesetzt werden sollte. Prinzipiell wirkt Harnstoff jedoch lindernd, denn er induziert die Bildung des Natural Moisturizing Factors (NMF) in der Haut, der aus Milchsäure, Aminosäuren und Harnstoff besteht. Optimalerweise enthalten anspruchsvolle Linderungsmittel daher eine Kombination aus Harnstoff, Glycerin und den gut verträglichen Ceramiden [3].

Barrieredefekt und Hauttrockenheit

Durch eine konsequente Basistherapie wird auch die trockene Haut symptomatisch behandelt. Die Hauttrockenheit ist Folge eines erhöhten transepidermalen Wasserverlusts, der die Dysfunktion der Hautbarriere widerspiegelt [3]. Die Hauttrockenheit bei Neurodermitis ist ein großes Problem, denn sie verursacht Entzündungen, Juckreiz und Brennen. Phasenweise treten die Keratinozyten, dendritischen Zellen, Mastzellen und T-Zellen in der Cutis in Wechselwirkung, wobei proinflammatorische ­Zytokine gebildet werden. Diese Entzündungs­mediatoren reduzieren sekundär die Barrierefunktion. Ein Barrieredefekt begünstigt wiederum eine allergische Sensibilisierung.

Wie biochemische Befunde nahelegen, sind die Hautlipide bei der Neurodermitis abweichend von der Norm zusammengesetzt. Eine defekte Hautbarriere steht zudem mit Mutationen im Filaggrin-Gen im Zusammenhang. Dieses histidinreiche ­Protein spielt im Verhornungsprozess der Haut eine Rolle. Ursächlich beteiligt an einem Barrieredefekt ist vermutlich auch ein Polymorphismus des Stratum-­corneum-chymotryptischen Enzyms. In diesem ­Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Olivenöl die Integrität des Stratum corneum deutlich vermindern und eine leichte Rötung hervorrufen kann – im Gegensatz zu Sonnenblumenöl, das die Hydratation verbessert. Die Babyhaut wird also ­besser nicht mit Olivenöl massiert.

Nachteil Hautirritationen

Feuchtigkeitsmittel sind wichtige Bausteine in der topischen Behandlung der Neurodermitis. Unerwünscht bei der Anwendung sind jedoch Haut­irritationen oder Schmerzen, die besonders auf abgeschürfter Haut auftreten können. Ob ein Feuchtigkeitsmittel auf Ceramid-Basis oder ein Mittel mit 5%igem Harnstoff Hautirritationen hervorruft, wurde prospektiv, einfach verblindet und randomisiert bei 42 Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 16 Jahren untersucht. Diese wiesen symmetrische oder fast symmetrische Abschürfungen in beiden Ellenbeugen auf, die einem Schweregrad von 2 bis 3 des Eczema Area and Severity Index (EASI) entsprachen. In die beiden Armbeugen jedes Teilnehmers wurden unterschiedliche Feuchtigkeitsmittel aufgetragen. Die Kinder und Jugendlichen sollten die Sofortreaktion der Haut mittels der visuellen Analogskala (VAS) beurteilen und außerdem angeben, welche Creme sie für die tägliche Feuchtigkeitspflege vorziehen würden.

Bei der Creme auf Ceramid-Basis fiel ein signifikant niedrigerer durchschnittlicher VAS-Score für Irrita­tionen auf (0,69; Standardabweichung 1,63) ver­glichen mit der 5%igen Harnstoffcreme (1,43; Standardabweichung 1,64; p = 0,035). Mehr Kinder und Jugendliche bevorzugten die ceramidhaltige Creme (62 % vs. 38 % bei der harnstoffhaltigen Creme) zur täglichen Feuchtigkeitsbehandlung (nicht signifikant; p = 0,164). Die Ergebnisse zeigen, dass ein ceramidhaltiger Feuchtigkeitsspender bei Kindern geeignet ist, die Irritationen einer Feuchtigkeitsbehandlung bei atopischer Dermatitis zu minimieren. Wie die Dermatologen aus Singapur betonten, gelte das besonders bei akuten Ausbrüchen mit Abschürfungen [4]. Im akuten Stadium komme es vor allem darauf an, die Entzündung zu verringern und den Juckreiz zu stillen.

Hinweis: Bei Kindern und Jugendlichen führen Ceramid-haltige Feuchtigkeitsmittel auf Läsionen zu weniger Irritationen & Schmerzen als Harnstoff-haltige.

Reizlindernde Malve

Unter den pflanzlichen Wirkstoffen sind Malve ­und Hamamelis geeignet und werden gut vertragen. Malva sylvestris L. kommt in Eurasien vor und wird in der traditionellen persischen Medizin bei Ekzemen angewendet. Die Blüten enthalten Schleim und Gerbstoffe, die antiulzerogen und antiinflammatorisch wirken. Ob eine Creme mit Malvenextrakt bei Kindern mit atopischer Dermatitis wirksam ist, wurde von einer iranischen Arbeitsgruppe randomisiert, doppelblind und kontrolliert geprüft. 51 Kinder ­wurden  4 Wochen lang mit einer Malvenextrakt-­Creme oder mit Placebo eingecremt, und zwar ­zweimal täglich mit einer fingerspitzengroßen ­Menge auf einem handflächengroßen Hautareal. Der Schwere­grad der Neurodermitis wurde mit dem SCORAD-System (Scoring of Atopic Dermatitis) bestimmt. Nach 4 Wochen hatte sich die Schwere der atopischen Dermatitis, beurteilt anhand der Parameter Ödem/Hautdicke, Rötung und Gesamt-Score, signifikant im Vergleich zu Placebo verbessert (p = 0,009, p = 0,01 und p = 0,03). Wie die Forscher schluss­folgerten, redu­zierte eine Creme mit Malvenextrakt effektiv die Symptome einer atopischen Dermatitis bei Kindern [5].  

Hamamelis so wirksam wie Dexpanthenol

Die Blätter von Hamamelis virginiana L., dem virginischen Zauberstrauch, enthalten Substanzen, die gewebeverdichtend, antiphlogistisch und antipruriginös wirken und die Proliferation der Keratinozyten unterstützen. Hamamelis-Extrakte werden in Hautcremes eingesetzt. Dexpanthenol wird in der Wundbehandlung verwendet, fördert die Epithelialisierung und schützt die Haut vor Entzündungen. Beide ­Sub­­stanzen wurden in einer Beobachtungsstudie mit 309 Säuglingen und Kindern (im Alter von 27 Tagen bis 11 Jahren) mit leichten Hautverletzungen, Windel­dermatitis oder lokalisierten Entzündungen untersucht. 231 Kinder wurden mit Hamamelis-­Creme behandelt, 78 Kinder mit Dexpanthenol-­Creme. Zu Beginn und am Ende der Behandlung wurde der Gesamt-Score aus definierten Zeichen und Symptomen jeder Erkrankung eingeschätzt, am ­Studienende bewerteten Ärzte und Eltern die allgemeine Wirksamkeit und Verträglichkeit. In allen drei Diagnose-Gruppen reduzierten Hamamelis und ­Dexpanthenol signifikant und klinisch relevant die Gesamt-Scores von der Basislinie bis zum Endpunkt (p  <  0,0001 für jede Gruppe, ermittelt mit dem Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test).

Die Ergebnisse waren für die Hamamelis- und ­Dexpanthenol-Gruppen ähnlich, wobei sich deskriptiv unter Hamamelis Vorteile bei einigen ­Parametern und Diagnose-Gruppen ergaben. ­Die ­Verträglichkeit von Hamamelis wurde von 99,1 % der Ärzte und 98,2 % der Eltern als „sehr gut“ oder „gut“ eingeschätzt; die Ver­träglichkeit von ­Dexpanthenol bewerteten 97,4 % bzw. 92,3 % als „gut“ oder „sehr gut“. Hamamelis-Salbe ist daher bei Kindern bis zu 11 Jahren bei ­bestimmten Hauterkrankungen ­wirksam, und die Effekte sind mit Dexpanthenol ­vergleichbar [6].

Häufige Sekundärinfektionen

Sichtbare Sekundärinfektionen kommen bei Kindern wesentlich häufiger vor als bei Erwachsenen, meist handelt es sich um Infektionen mit Staphylococcus aureus. Der an sich harmlose Hautkommensale ­bildet das Enzym Ceramidase, das die bereits vorgeschädigte Hautbarriere zusätzlich schwächt. Superinfektionen können zudem eine Exazerbation der Neurodermitis hervorrufen.

Im Hinblick auf das Hautmikrobiom und die Barriere­funktion wurde eine Ekzem-Creme mit 1 % kolloidalem Hafer mit einer unparfümierten Standard-Feuchtigkeitscreme verglichen. Bei 61 Erwachsenen reduzierte die Hafer-Creme nach 14 Tagen den durchschnittlichen EASI und den Atopic Dermatitis Severity Index Score um 51 % bzw. 54 %. Die ­Behandlung mit der Hafer-Creme war tendenziell mit einer niedrigeren Prävalenz von Staphylococcus aureus und einer höheren Mikrobiomdiversität ­an den Läsionsstellen assoziiert als die Therapie mit der Standard-Feuchtig­keitscreme. Zudem verbesserte die Hafer-Creme den pH-Wert der Haut signifikant, ebenso die Hautbarriere und die Hautfeuchtigkeit. Die Standard-Feuchtigkeitscreme verbesserte allein die Hydratation [7].

Ungefähr 13 % aller Kinder leiden zumindest zeitweilig unter einer Neurodermitis. Grundlage der Basis-Hautpflege sind eine milde Reinigung, die auch Sekundärinfektionen vorbeugt, sowie die ausreichende Hydratation der Haut; bei ­Kindern unter 5 Jahren eignet sich dafür am besten Glycerin.

Im chronischen Stadium können ceramidhaltige Externa eingesetzt werden, die keine Haut­irritationen verursachen und von Kindern und Jugendlichen gerne verwendet werden. Für das akute Stadium sind Malve und Hamamelis gut untersucht. So verringerte eine Malvenextrakt-Creme Rötung und Ödem sowie den SCORAD-­Gesamt-Score. Die Symptomatik von entzündlichen Hauterkrankungen wurde durch eine hamamelishaltige Creme signifikant ­verbessert, wobei die Wirkung der von Dexpanthenol ähnlich war.

1 Kloter E et al., Complement Ther Med 2023; 74: 102942
2 Schachner LA et al., Ital J Dermatol Venerol 2022; 157: 23–32
3 Wollenberg A et al., J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 34: 2717–44
4 Ho VPY et al., Dermatol Ther (Heidelb) 2020; 10: 807–13
5 Meysami M et al., Endocrin Metab Immune Disord Drug Targets 2021; 21: 1673–78
6 Wolff H et al., Eur J Pediatr 2007; 166: 943–8
7 Capone K et al., J Drugs Dermatol 2020; 19: 524–31

Bildnachweis: LucaLorenzelli (gettyimages)

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