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Fokus Naturmedizin

Analgesie

Evidenzbasierte Salben und Pflaster

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

20.5.2022

Eine längere Gabe von Schmerzmitteln kann den Körper belasten. Drum stehen pflanzliche Alternativen bei Patienten hoch im Kurs. Die topische Anwendung von Beinwell und Arnika lindert nachgewiesenermaßen den Schmerz in Gelenken und Muskeln. Bei neuropatischen Schmerzen eignen sich leitliniengemäß Capsaicin-Pflaster.

Der Echte Beinwell, Symphytum officinale, ist in Eurasien heimisch und besitzt lanzettförmige, raue Blätter und rotviolette Blütenglocken. Die Pfahlwurzeln enthalten Allantoin und Pyrrolizidinalkaloide, welche abschwellend, antiphlogistisch und analge­tisch wirken. Topische Zubereitungen mit Beinwell-Wurzel werden traditionell als Wundmittel verwendet. Der Namensteil „officinale“ deutet darauf hin, dass Beinwell in der Apotheke gebräuchlich ist. Heute beweisen randomisierte, kontrollierte Studien die Wirksamkeit und Sicherheit des Pflanzenextrakts bei der Linderung von Schmerz, Entzündung und Schwellung an Muskeln und Gelenken, bei degenerativer Arthritis, akuter Myalgie des Rückens, Verstauchungen, Prellungen und Zerrungen. Beinwell kann ebenso bei Sportverletzungen und Unfällen sowie bei Kindern ab drei Jahren verwendet werden. Die Evidenz wurde in einer grundlegenden Übersichtsarbeit zusammengefasst [1].

Bei 120 Rückenschmerz-Patienten nahm die Schmerzintensität bei Bewegung auf der visuellen Analogskala um 95,2 % ab, nachdem über fünf Tage dreimal täglich jeweils 4 g Creme mit 35,0 g Beinwellwurzel-Flüssigextrakt aufgetragen wurde. Unter Placebo hatte sich die Intensität um 37,8 % reduziert (p < 0,001). Signifikant überlegen (p < 0,001) war die Creme auch beim Rückenschmerz in Ruhe, bei der Druckalgometrie im Triggerpunkt sowie in der allgemeinen Einschätzung von Patient und Arzt. Erstmals wurde ein schnellwirksamer Effekt beobachtet, da die Schmerzintensität bereits nach einer Stunde um
33,0 % abnahm (Placebo 12,0 %) [2].

Wirkung auf Schmerz, Ödem und Beweglichkeit

142 jüngere Patienten nach unilateraler Knöcheldistorsion wurden acht Tage lang mit circa 2 g Creme (35,0 g Beinwellwurzel-Fluidextrakt) oder Placebo behandelt. Unter Beinwell nahm der Schmerz signifikant stärker ab als unter Placebo (p < 0,0001); in der endgültigen Einschätzung reduzierte sich die Schmerzempfindlichkeit im Vergleich zu den Anfangswerten um 2,44 kp/cm2 (Beinwell-Wurzel) bzw. um 0,95 kp/cm2 (Placebo). Signifikant überlegen war Beinwell auch bei Druckschmerz, Knöchelödem, Knöchelbeweglichkeit, Plantarflexion und in der allgemeinen Wirksamkeit [3]. In der Reevaluation der Daten einer konfirmatorischen Studie erwies sich Beinwell-Wurzel-Creme (35,0 g) im Vergleich zu Diclofenac-Gel (1,16 g) als überlegen. 164 Patienten mit Knöcheldistorsion hatten viermal täglich jeweils 2 g Creme sieben Tage lang aufgetragen. Der Druckschmerz wurde von Beinwell signifikant besser gelindert als von Diclofenac (p = 0,0012), und zwar bereits am vierten Tag. An den Tagen 4 und 7 hatte sich auch der Bewegungsschmerz signifikant reduziert. Patienten und Ärzte schätzten die allgemeine Wirksamkeit der Beinwell-Zubereitung als signifikant höher ein als mit Diclofenac-Gel (p = 0,0130 bzw. p = 0,0111) [4].

Traditionelle Anwendung

Laut den Daten einer nicht interventionellen Studie mit 163 Patienten wurde der Beinwell-Wurzel-Extrakt am häufigsten bei Prellungen (33,1 %), schmerzhaften Gelenkbeschwerden (27,6 %), Verstauchungen (26,4 %) und schmerzhaften Muskelbeschwerden (23,3 %) angewandt, und zwar meist drei- oder zweimal täglich über 11,5 Tage. Deutlich verbessert hatten sich Ruheschmerz und nächtlicher Schmerz, Schmerz bei Bewegung, Druckschmerzempfindlichkeit, eingeschränkte Mobilität, schmerzhafte Muskelbeschwerden und Schwellungen. Die Morgensteifigkeit nahm um 94 % von anfangs 17 Minuten auf eine Minute ab und der Verbrauch von NSAR konnte reduziert oder ganz weggelassen werden. Die Wirksamkeit wurde von den Ärzten als sehr gut (38,7 %) oder gut (54,6 %) bewertet [5].

Beinwell-Wurzel wurde vom Herbal Medicinal Product Committee (HMPC) als traditionelles pflanzliches Arzneimittel gemäß Arzneimittelgesetz eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Beinwell-Wurzel deshalb äußerlich bei Verstauchungen und leichten Prellungen eingesetzt werden. Als arzneiliche Zubereitung in Fertigarzneimitteln wird die pulverisierte Wurzel zur Bereitung eines Aufgusses angeboten sowie ein Fluidextrakt in Salben, Cremes und Umschlagpasten. Dosiert wird gemäß Packungsbeilage [6].

Arnika bei Periarthritis humeroscapularis

Auf europäischen Bergwiesen ist Arnica montana heimisch, eine typische bodenkriechende Blätterrosette, aus der ein langer, gelber Blütenstängel emporwächst. Die Blüten enthalten antiphlogistisch wirkende Sesquiterpenlactone. Auch Arnikablüten wurden vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Sie können äußerlich zur Behandlung von Blutergüssen, Verstauchungen und lokalen Muskelschmerzen eingesetzt werden [7].

In Fertigarzneimitteln sind ölige oder alkoholische Auszüge aus Arnikablüten als arzneiliche Zubereitungen in Salben oder Tinkturen erhältlich. Dosiert wird gemäß Packungsbeilage. Für einen Umschlag wird Arnikatinktur 3-fach mit Wasser verdünnt oder ein Teeaufguss verwendet. Dazu 2 g Arnikablüten mit 100 ml heißem Wasser übergießen, 5–10 Minuten ziehen lassen, abseihen und erkalten lassen. Cave: Allergie gegen Korbblütler [7].

Das Krankheitsbild der Periarthritis humeroscapularis calcificans äußert sich in degenerativen Veränderungen und Bewegungseinschränkung im Schultergürtel. Durch Stoffwechselstörungen in den Sehnenansätzen bilden sich Kalkdepots, die den Schmerz verstärken. Wie wirksam ein Salben-Kombinationspräparat aus Arnika, einer homöopathischen Verdünnung von ­Acidum nitricum und homöopathischer Vulkanasche als Lokalbehandlung bei einer symptomatischen kalzifizierenden Periarthritis ist, wurde in einer Pilotstudie im Vergleich zu einer reinen Arnikasalbe getestet. Bei 41 Patienten wurde die Periarthritis radiologisch klassifiziert und die Schmerzintensität vor und nach der Behandlung ermittelt, dazu die Schulterbewegung orthopädisch evaluiert. Nach der dreitägigen Salben-Behandlung hatte sich der Schmerz in der Gruppe mit dem Kombinationspräparat stärker verringert als mit der reinen Arnikasalbe (4,5 ± 2,5 vs. 2,7 ± 2,6; p = 0,03), die Schulterbewegung hatte sich verbessert (69,4 ± 24,9 vs. 51,1 ± 21; p = 0,015). Nebenwirkungen traten nicht auf; die Anzahl der benötigten Paracetamol-­Dosen war ähnlich, doch die Gruppe, die das Kombinationspräparat verwendete, benötigte weniger Ibuprofen (p = 0,007) [8].

Capsaicin bei neuropathischem Schmerz

Neuropathische Schmerzen sind direkte Folge einer Schädigung oder Läsion des somatosensorischen Systems. Unter den anfallsartig auftretenden, stechend-brennenden Schmerzen leiden 20 % der ­Patienten in Schmerzzentren. Da orale Analgetika Nebenwirkungen aufweisen, werden bevorzugt Präparate eingesetzt, die den Wirkstoff direkt an der schmerzenden Stelle freisetzen. Ein natürlicher Wirkstoff aus Chilischoten ist Capsaicin, das Vanillylamid der
trans-8-Methyl-6-nonensäure. Wie wirksam die topische Anwendung beim neuropathischen Schmerz ist, wurde in einem systematischen Review untersucht. Darin zeigten 108 Artikel aus den vergangenen zehn Jahren, dass Capsaicin den neuropathischen Schmerz effektiv verbesserte, ohne die motorischen und sensiblen Nervenfasern zu beeinflussen.

Capsaicin wird über den Vanilloid-Rezeptor-1 (TRPV1) aufgenommen, welcher in zentralen und peripheren Enden der sensitiven primären Nervenzellen exprimiert wird. Der Kationenkanal ist an der Übertragung und Modulation von Schmerzstimuli beteiligt sowie an der Regulation der Körpertemperatur [9].

Vergleichbar mit Pregabalin

Zur Behandlung des peripheren neuropathischen Schmerzes ist in der Europäischen Union ein 8%iges Capsaicin-Pflaster zugelassen. Der Evidenz entsprechend formulierten italienische Wissenschaftler ein Statement: Hautpflaster mit 8 % Capsaicin reduzieren ebenso effektiv die Schmerzintensität wie beispielsweise Pregabalin. In einigen Studien fielen sogar weniger systemische Nebenwirkungen auf, ein schnellerer Wirkungseintritt und eine bessere Behandlungszufriedenheit als unter systemischen Mitteln. Weitere Vorteile sind eine gute systemische Verträglichkeit, kaum Nebenwirkungen, die Kombinationsmöglichkeit und ein gutes Kosten-Nutzen-Profil. Für den Wirkungsmechanismus über Bindung an den TRPV1-Rezeptor sei die Expression dieser Rezeptoren auf nozizeptiven Fasern maßgeblich, was die Antwort der Patienten auf die Behandlung beeinflusse, so die Autoren [10].

Was empfehlen die Leitlinien?

In Deutschland ist das 8%ige Capsaicin-Pflaster zur Therapie peripherer neuropathischer Schmerzen bei Erwachsenen zugelassen. Die Pflaster sind wirksam und bei fokalen Nervenläsionen bei geringeren Nebenwirkungen bevorzugt einsetzbar, so der Tenor der aktuellen Leitlinien [11]. Wie das Gremium betont, wurde in Metaanalysen eine Reduktion von neuropathischen Schmerzen gezeigt. Die Wirkung war mit oralen Medikamenten vergleichbar.

Erhältlich ist das Pflaster als Formulierung mit 179 mg Capsaicin. Es wird an der schmerzenden Stelle für maximal 60 Minuten angewendet; bis zu vier Pflaster können gleichzeitig aufgeklebt werden. Die Behandlung kann alle 90  Tage wiederholt werden. Das Capsaicin-Pflaster wird als Mittel der zweiten Wahl zur Therapie neuropathischer Schmerzen jeglicher Ursache empfohlen, bei lokalisierten neuropathischen Schmerzen auch als Mittel der ersten Wahl [11].

Wie ein Fallbericht [11] zeigte, sind Capsaicin-Pflaster auch bei der Post-Zoster-Neuralgie wirksam. Bei einem 68-jährigen Patienten mit stark schmerzendem, linkem Trigeminusast V1 wirkte die Therapie mit Gabapentin, Oxcarbazepin, Tapentadol, Amitriptylin sowie mit Ambroxol 20 % Salbe und Lidocain-Pflastern nicht schmerzreduzierend. Die systemische Medikation konnte aufgrund eines Sturzes nicht erhöht werden. Lidocain-Infusionen mit Dexmethason und supraorbitale Blockaden waren wirkungslos. Acht Wochen nach Krankheitsbeginn wurde ein 8%iges Capsaicin-Pflaster für 60 Minuten auf dem Gesicht platziert. Nach nur einer Woche kam es zu einer Schmerzlinderung um 20–30 %, sechs Wochen nach der Applikation betrug der durchschnittliche Schmerz im Tagesverlauf auf der numerischen ­Ratingskala 3/10, obwohl die orale Medikation verringert war. Drei Monate nach der zweiten Behandlung war der Patient tagsüber fast schmerzfrei. Nach Meinung der Autoren ist das Capsaicin-Pflaster sicher und wirkungsvoll. Es kann auf dem Gesicht angewandt werden, wenn der Anwender entsprechende Erfahrung besitzt [12].

Naturheilkundliche Schmerztherapie

Naturheilkunde und eine wissenschaftlich orientierte Medizin bzw. Schmerztherapie sind kein Widerspruch, denn viele Substanzen werden aus Pflanzen gewonnen und dann teilweise synthetisch oder semisynthetisch hergestellt. Was würden wir in der Schmerztherapie beispielsweise ohne die Opioide tun, die aus der Pflanze des Mohns/Schlafmohns gewonnen werden? Oder ohne die neueste Tendenz des Einsatzes von Cannabis, THC, CBD bzw. der Cannabis-Blüten? Was oft den Substanzen, die direkt aus der Natur kommen fehlt, sind randomisierte placebokontrollierte Studien – das ist grundsätzlich ein Schwach­­punkt. Dennoch macht es Sinn, auf pflanzliche Schmerzsalben und Schmerzpflaster zurückzugreifen, z. B. auf das Capsaicin-Pflaster. Je nach Konzentration von Capsaicin ist es hochpotent. Das 8%ige Capsaicin-Pflaster kann dem Patienten, wenn er ein Responder ist, über drei Monate effektive Schmerzlinderung geben. Wichtig ist, speziell wie in diesem Artikel auch angeführt, auf Substanzen zurückzugreifen, die man lokal applizieren kann. Das gilt besonders für ältere Patienten, die oft eine Polymedikation erhalten. Die lokalen Therapiemöglichkeiten haben in der Regel keine systemischen Nebenwirkungen und der Behandler kann dadurch die Compliance des Patienten erhöhen. Auch bei denjenigen, die Organeinschränkungen haben und oft mehrere Medikamente nehmen, ist es wichtig, den lokalen Applikationsweg zu bevorzugen.

Der Stellenwert an naturheilkundlicher Schmerz­behandlung wird in der heutigen Zeit immer wichtiger und es gibt immer mehr wissenschaftliche Studien, die die Effektivität dieser Substanzen untermauern.

FAZIT: Beinwell-Wurzel ist bei akuten Rückenschmerzen und Verstauchungen wirksam und kann auch bei Prellungen und schmerzhaften Gelenkbeschwerden eingesetzt werden. Das Phytotherapeutikum sollte deshalb Teil der ärztlichen Standardmedikation sein, so das Fazit eines Reviews [1]. Bei schmerzhaften Beschwerden im Schultergürtel eignet sich Arnikablüten-Salbe. Ein 8%iges Capsaicin-Pflaster wird in den Leitlinien bei neuropathischen Schmerzen als Zweit- oder Erstlinienmittel empfohlen. Die Studiendaten über eine Dekade zeigten, dass das Pflaster ein sensibles Sicherheitsprofil hat und den neuropathischen Schmerz effektiv reduzierte [9]. Bei ausreichender Erfahrung des Behandlers kann das Capsaicin-Pflaster auch bei einer Trigeminusneuralgie angewandt werden. Alle Phytotherapeutika haben Tradition und Evidenz.

Der Experte

Prof. Dr. Rudolf Likar
Klinikum Klagenfurt am Wörthersee
Abteilung für Anästhesiologie,
allgemeine Intensivmedizin,
Notfallmedizin, interdisziplinäre Schmerztherapie und Palliativmedizin

A-9020 Klagenfurt am Wörthersee

Staiger C, Wien Med Wochenschr 2013; 163: 58–64
Giannetti BM et al., Br J Sport Med 2010; 44: 637–641
Koll R et al., Phytomedicine 2004; 11: 470–477
D’Anchise R et al., Arzneim-Forsch Drug Res 2007; 57: 712–716
Tschaikin M, Naturheilpraxis 2004; 57: 576–578
­Beinwell – Echter Beinwell – Symphytum officinale L., Arzneipflanzen-Lexikon (arzneipflanzenlexikon.info), Stand: 09.03.2021
Arnika – Bergwohlverleih – Arnika, Berg-Wohlverleih – Arnica montana L., Arzneipflanzen-Lexikon (arzneipflanzenlexikon.info), Stand: 09.03.2021
Zanella S et al., A Pilot Study, Rev Recent Clin Trials 2018; 13: 150–155
Sultana A et al., Curr Drug Metab 2021; 22: 198–207, DOI 10.2174/1389200221999201116143701
Bonezzi C et al., Expert Opin Pharmacother 2020 Aug; 21: 1377–1387
S2k_Diagnose-nicht-interventionelle-Therapie-neuropathischer-Schmerzen_2020-04_1.pdf (awmf.org), Stand: 10.03.2021
Kern KU, Schwickert-Nieswand M et al., Schmerz 2018 Dec; 32: 464–467, DOI 10.1007/s00482-018-0333-3

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