Die Ernährungsempfehlungen für Gesunde und Patienten sind in den vergangenen Jahren deutlich vielfältiger geworden. Zahlreiche Fachgesellschaften haben Platz für individuellere, flexiblere Umsetzungen geschaffen und besonderen Erkrankungen sowie Personengruppen gezieltere Ratschläge zugewiesen. Zudem floriert der semiprofessionelle Markt mit Diätratgebern, Abnehmtipps und neuen Esskulturen, die oftmals den Leitlinien widersprechen. Wo solche Empfehlungen einen gesundheitlichen Nutzen propagieren, ist dieser allerdings für viele Ernährungsformen bzw. Zielgruppen noch nicht erwiesen. Insbesondere, aber nicht nur unzureichend umgesetzte Diäten können aber sehr wohl Mangelerscheinungen hervorrufen. Ein grundsätzlich erhöhtes Malnutritionsrisiko weisen Ältere, Schwangere und Kinder auf, zudem viele Patienten mit chronischen Erkrankungen des Verdauungsapparates oder Zustand nach bariatrischer Operation. Spezifische Risiken für ausgewählte Nährstoffe finden sich z. B. bei Patienten mit Neuropathien (Vitamine B12, B1, B2, B6), Nephropathie (Eiweiß) oder Anämien (Eisen, B-Vitamine).
Die in Deutschland meistvertretene „Mischkost“ liefert fast alle notwendigen Nahrungskomponenten in ausreichender Menge; lediglich bei Folsäure und Vitamin D zeigen vergleichsweise viele Menschen aller Altersgruppen einen Mangel. Andere ausgewogene Ernährungsformen mit relativ ähnlichem Makronährstoffverhältnis wie die kardioprotektive traditionell-mediterrane Diät, die besonders stark blutdrucksenkende DASH-Diät und auch die klassische ballaststoffreiche high-carb-low-fat-Ernährung mit vorwiegend antiinflammatorischer und LDL-senkender Überlegenheit liefern in ähnlicher Weise zuverlässig alle benötigten Nährstoffe, Vitamine (außer Vitamin D und Folsäure) und Spurenelemente. Sie nutzen ein metabolisch günstigeres Profil aus komplexen Kohlenhydraten und wenig gesättigtem Fett (dafür ggf. mehr ungesättigtem Fett). Qualitativ restriktivere Ernährungsmodelle, die z. B. durch mehr oder weniger starken Kohlenhydratverzicht oftmals einen hypokalorischen Rahmen erzeugen, können oft automatisch, müssen aber nicht mit Mangelerscheinungen einhergehen. Eine geringere Zufuhr an Vollkorn-Getreideprodukten, z. B. bei der oftmals unnötig genutzten glutenfreien Diät, verschlechtert insbesondere die Bilanz für zahlreiche Mineralien und protektive unlösliche Ballaststoffe; ein notwendiger Ausgleich mit Obst und Gemüse deckt zwar viele Mikronährstoffe, erhöht aber oft die Zuckerzufuhr und adressiert vorwiegend lösliche Fasern. Durch Getreideverzicht fehlende Mineralien, Vitamine und Proteine können durch Hülsenfrüchte und tierische Produkte kompensiert werden. Eine proteinreiche Kost ist dann mitunter sogar nahrhafter als ein proteinärmeres Konzept. Die Steinzeit-Diät verzichtet hauptsächlich auf hochverarbeitete Produkte, mitunter auch auf Getreide. Der metabolische Erfolg liegt im Mittelfeld der vergleichbaren Diäten, die Popularität schlägt sich auch in der Compliance nieder. Oft führt die unscharfe Definition aber an der wahren Steinzeitkost vorbei: Jäger und Sammler verzehrten viele ballaststoffreiche Körner, Wurzeln, Gemüse und Beeren, Honig, Fisch, saisonal Obst, gelegentlich Wild in allen Facetten, oft aber auch Insekten und Würmer, aber weder modernes Getreide, Geflügel, Rind- oder Schweinefleisch. Von rein carnivorer Ernährung ist mit Blick auf Ballaststoffzufuhr, pflanzliche Vitamine und einige Mineralien klar abzuraten. Kohlenhydratbetonte, pflanzlich dominierte Ernährungsformen – vegetarisch bis vegan – sind insbesondere bezüglich des Inflammationsprofils und des LDL-Cholesterins vorteilhaft. Eine Umsetzung mit ballaststoffarmen Kohlenhydratquellen kann diese Vorteile aber maskieren und zugleich die Versorgung mit essenziellen Mikro- und Makronährstoffen gefährden. Rein pflanzliche Ernährung, die weder in Bezug auf Glykämie, Blutdruck, Lipidprofil noch Langzeit-Outcomes überlegen ist, mindert die Zufuhr an Proteinen, Zink, Iod, Calcium, Eisen, Vitamin D und B12. Metabolisch vulnerable Personengruppen (Schwangere, Patienten mit Osteoporose, Iodmangel, Neuropathie, Anämie) müssten daher auf Supplemente zurückgreifen, um alle Mikronährstoffe abzudecken. Quantitative Restriktion, also Nahrungsbeschränkung anhand der Menge und/oder dem Zeitfenster zur Aufnahme der gesamten Kalorienmenge (Intervallfasten), beschränkt in der Regel alle Nährstoffe gleichermaßen, wobei je nach Dauer, Intensität und Nahrungsmuster die Zufuhrempfehlungen bedenklich unterschritten werden. Ohne Nährstoffanpassung gefährdet jede Reduktionskost, egal ob kontinuierlich oder zirkadian (5 : 2; 16 : 8; umtägiges Fasten etc.), die Proteinversorgung. Eine qualitativ unzureichende hypokalorische Diät kann – gerade (aber nicht nur) bei älteren Patienten – zu schlechterer glykämischer Stoffwechsellage, körperlichem Leistungsabfall mit Rückgang der Muskelmasse bis hin zur Sarkopenie führen. Ob moderne Formuladiäten dieses Defizit adäquat ausgleichen, ist nicht abschließend geklärt. Jede beabsichtigte Gewichtsabnahme erfordert eine klare Indikationsstellung und sollte daher nur in engmaschiger, ärztlicher Abstimmung erfolgen. Es ist bis heute nicht eindeutig belegt, dass eine alleinige Gewichtsreduktion ohne qualitative Verbesserung der Ernährung langfristige kardiometabolische oder sonstige Vorteile („harte Endpunkte“) bietet. Schlechte Langzeit-Compliance, Rebound-Effekte und das Adipositasparadoxon relativieren kurzfristige Erfolge. Ein metabolischer Benefit geht hingegen sehr sicher – und in Teilen gewichtsunabhängig – von einer qualitativen Optimierung der Nahrungsfette und -kohlenhydrate (Ballaststoffe!) auf Grundlage eines pflanzlich dominierten Speiseplans mit möglichst wenigen hochverarbeiteten Produkten einher. Studien zeigen für einige Diätmodelle spezifische, mittelfristige Vorteile in einigen, aber nicht allen Stoffwechselachsen.
FAZIT:
Das tatsächliche langfristige Nutzen-Risiko-Potenzial für Herz-Kreislauf-System, Krebsentwicklung und Alterserscheinungen, ausgehend von (rotem) Fleisch vs. Vegetarismus, höherer oder niedrigerer Proteinzufuhr, low-fat vs. low-carb sowie Intervallfasten, ist kaum durch Interventionsstudien erforscht. Aus dem Nahrungsprofil bereits ableitbare Mangelerscheinungen sollte man daher vermeiden.
Der Autor
Dr. med. Stefan Kabisch
Charité – Universitätsmedizin,
Klinik für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin
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