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Allgemeinmedizin

Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2

Insulin beeinflusst innere Uhr des Fettgewebes direkt

PD Dr. rer. medic. Olga Ramich

26.11.2021

Adipöses Gewebe (AT) ist ein wichtiges metabolisches Organ, dessen Funktionen rhythmisch durch eine endogene zirkadiane Uhr reguliert werden. Nahrungsaufnahme fungiert als Zeitgeber der AT-Uhr und gleicht diese mit der externen Uhr ab. Der Einfluss von Insulin konnte nun erstmals nachgewiesen werden.

Die innere Uhr im suprachiasmatischen Nucleus des Hypothalamus steuert fast alle physiologischen Prozesse. In jedem Organ, Gewebe und jeder Zelle des Körpers finden sich viele weitere untergeordnete Uhren. Das enge Zusammenspiel der „Clock-Gene“ generiert über miteinander verschachtelte Rückkopplungsschleifen einen 24-Stunden-Rhythmus. Studien zufolge können der Essenszeitpunkt und die Zusammensetzung der Nahrung insbesondere metabolisch aktive, insulinsensitive Gewebe wie Leber und Fettgewebe verändern. Stehen Essenszeiten nicht im Einklang mit der inneren Uhr, kann dies zu Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen wie dem metabolischen Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2 führen. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind bisher jedoch nur wenig erforscht.

Abbildung Humane Dipozyten

Insulin verändert Gen-Expression

Welchen Einfluss der erhöhte Insulinspiegel nach einer Mahlzeit auf den zirkadianen Rhythmus des adipösen Gewebes hat und welche molekularen Mechanismen dabei eine Rolle spielen, untersuchten Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin [1]. Sie analysierten die Fettgewebsproben von 17 adipösen, nicht diabetischen Männern, die vor und vier Stunden nach dem hyperinsulinämischen-euglykämischen Clamp* entnommen wurden. Diese Methode ermöglichte, die reinen Effekte von Insulin auf das Fettgewebe des Menschen in vivo zu ermitteln. Die Forscher isolierten dazu das genetische Material aus den Fettgewebsproben und bestimmten die Aktivität verschiedener Gene. Die Expression der Clock-Gene zeigte sich im Vergleich mit der der Kontrollgruppe deutlich verändert, was auf eine insulinabhängige Regulation der inneren Uhr schließen lässt.

Zirkadiane Rhythmen beobachten

Zur Aufklärung der molekularen Mechanismen dienten menschliche und tierische Fettzellen, denen ein Luciferase-Gen eingesetzt und an einen Abschnitt des Per2-Gens (ein Schlüsselgen des molekularen Uhrwerks) gekoppelt wurde. Durch die Luciferase erzeugten die Zellen Licht in Abhängigkeit von der Per2-Aktivität, sodass die zirkadianen Rhythmen von Per2 in Echtzeit über mehrere Tage beobachtet werden konnten. Dabei zeigte sich, dass Insulin eine schnelle und vorübergehende Aktivitätssteigerung von Per2 bewirkt und somit den gesamten Clock-Rhythmus verändert.

Entscheidende Genabschnitte

Für die Identifizierung der Abschnitte des Per2-Gens, die für die vorübergehende Steigerung der Gen­aktivität entscheidend sind, kürzten die Forschenden Stück für Stück den Promotor, also den DNA-Abschnitt, der die Expression eines Gens steuert. Dabei entdeckten sie, dass der Bereich zwischen 64 und 43 Basenpaaren im Per2-Promotor eine wichtige Rolle spielt.

FAZIT:

Die  Studie beleuchtet erstmals, wie ungünstige, nicht mit der inneren Uhr übereinstimmende Essenszeiten, etwa in der Nacht, die zirkadianen Rhythmen stören und negative Stoffwechselveränderungen hervorrufen können. An den Mecha­nismen, die zur essensbedingten Veränderung der inneren Uhr führen, sind aber wohl noch weitere Hormone und Metabolite beteiligt. Dies sollte in weiteren Untersuchungen überprüft werden.

Die Autorin

PD Dr. rer. medic. Olga Ramich
Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin
Deutsches Institut für Ernährungs­forschung Potsdam-Rehbrücke

olga.ramich@dife.de

* Das Verfahren „hyperinsulinämischer-euglykämischer Clamp“ dient in der Regel zu Bestimmung der Insulinsensitivität. Personen wird dabei eine definierte Menge Insulin infundiert und schrittweise Glucose zugeführt, bis ein normaler Nüchternblutzucker erreicht ist. Die Kontrollgruppe erhielt hier Kochsalz anstatt Insulin. Über die Insulinsensitivität gibt die Menge der verabreichten Glucose Auskunft: je mehr, desto höher ist die Insulinsensitivität. Je weniger Glucose benötigt wird, desto stärker ist die Insulinresistenz.

1 Tuvia N, Pivovarova-Ramich O et al., Diabetes 2021; 70: 1985–1999

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Bildnachweis: Deutsches Institut für Ernährungsforschung; Studioline Photography

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