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Praxisorganisation

Vom arztzentrierten zum delegationszentrierten System

Die Kunst der Delegation

Theresia Wölker

Mehr Delegation bedeutet für MFAs mehr Verantwortung. Für Sie als Praxisleitung schafft sie Freiräume für die intensive Betreuung der Privatpatientinnen. Und bedeutet auch Stressprophylaxe und mehr Lebensqualität.

Beim Praxismanagement geht es um den aktiven Führungsprozess von Lenken, Leiten und Steuern, um nachhaltig die Leistungsfähigkeit und die Ziele der (Privat-)Praxis zu sichern. Dabei bewegen sich Praxisleitungen zwischen dem traditionellen Pol der patriarchalischen Leitung und der zeitgemäßen kooperativen Teamsteuerung. Eine Kennzahl erfolgreicher Privatpraxen ist die konsequente Nutzung der Leistungsfähigkeit über Delegation – vergleichbar mit den Zusatzverkäufen über die Mitarbeiter einer Apotheke.


Führungsgrundsätze

Führung und Management werden oft synonym verwendet. Dabei definiert „Führung“ vor allem die Beziehung der Praxisleitung zu den Mitarbeitern. Organisationsmodelle wie das Qualitätsmanagement (QM) beschäftigen sich mit den Arbeitsabläufen und Kostenstrukturen des Unternehmens. Die Einführung und kontinuierliche Weiterentwicklung eines Qualitätsmanagement-Systems ist ein sinnvolles Instrument, um Zeit und Arbeitsprozesse sinnvoll zu strukturieren und (auch) eine wirtschaftliche/finanzielle Ordnung zu schaffen. QM unterstützt den Arzt in seiner Rolle als „Manager“ des Unternehmens Arztpraxis. Die gesetzliche Verpflichtung vom 01.01.2004 im § 135a SGB V wurde in der sogenannten Qualitätsmanagement-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) präzisiert, die verbindlich für alle (Vertrags-)Arztpraxen in Kraft getreten ist. Gerade Praxen mit hohem Anteil an Privatpatienten können den Nachweis eines wirklich gelebten Qualitätsmanagements als wirksames Marketinginstrument nutzen. Angepasst auf die individuellen Praxisverhältnisse sorgt ein modernes Management-System für klare Strukturen, eindeutige Regelungen von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten und eindeutig festgelegte Arbeitsabläufe. Gleichzeitig wird ein ständiger, flexibler Veränderungsprozess (PDCA-Zyklus) beim gesamten Praxisteam initiiert, der die Optimierung und vor allem die Anpassung erforderlicher Strukturen möglich macht und immer wieder durchlaufen wird: Plan – Do – Check – Act (siehe Ausgabe 5/2018, Seite 40–41).


Das Führen einer Arztpraxis

Zur Sicherung der erfolgreichen Praxis-Zukunft braucht es ärztliche Vorgesetzte mit einem auf Mitbestimmung ausgerichteten Führungsstil und Mitarbeiter (MFAs), die zur Selbstständigkeit qua­lifiziert und zur Übernahme von Delegation bereit sind. Die verantwortliche Führungstätigkeit des Arztes in der Praxis umfasst dabei

1. die Lenkung, Leitung und Beauftragung von Sachaufgaben im Hinblick auf die definierten Praxisziele und die geforderte anspruchsvolle Versorgung der Privatpatientinnen – bei gleichzeitiger Abgrenzung von primär ärztlichen und de­legativen Tätigkeiten,

2. die Steuerung sozialer, zwischenmenschlicher Prozesse im Team.

In der Realität kann das anders aussehen. Das Erbringen qualitativ hochwertiger Leistungen in der Privatpraxis fordert ihren Preis: Überlastung, Abnahme der persönlichen Leistungsfähigkeit steigende Fehlerquote und – am schlimmsten – die Arbeitsfreude nimmt ab. Die regelmäßige Reflektion der eigenen Tätigkeit und der Praxisorganisation gehört zu den selbstverständlichen Elementen des Qualitätsmanagements: die jährliche Selbstbewertung – auch internes Audit genannt. Dabei prüft und bewertet die Führungskraft und die Qualitätsmanagementbeauftragte kritisch die aktuelle Praxislage – auch mit validierten Instrumenten wie dem Selbstbewertungsbogen der KBV. Der Übergang von der klassischen, arztzentriert geführten Privatpraxis hin zu einem neuen Organisationskonzept der delegativen Teampraxis mit kompetentem Fachpersonal auf hohem Niveau braucht die hohe Kunst der Delegation.

Delegationsfähige Leistungen

Das Wort Delegation leitet sich vom Lateinischen „delegare“ ab und steht auch für „hinschicken, anvertrauen und übertragen“. In der Praxisorganisation wird Delegation verstanden als ein spezifisches Mittel der Arbeitsteilung, zur Übertragung von Kompetenzen (Fähigkeiten) und abgegrenzter Verantwortung auf die hierarchisch nachgeordnete organisatorische Einheit der Praxismitarbeiter (in der Regel Arzthelferinnen und medizinische Fachangestellte, aber auch Ernährungsberaterinnen u. Ä.). Dabei ist es für die Praxisleitung entscheidend, ob die „Delegationsnehmerin“ von der Qualifikation und von Motivation her zur selbstständigen, qualitativen Erfüllung der zu übertragenden Aufgaben fähig ist. Ziele der Delegation sind primär die Entlastung der ärztlichen Leitung durch Nutzung der spezifischen Fähigkeiten der Praxismitarbeiter, aber auch die Sicherung des Anspruchsniveaus und die kontinuierliche Suche und Verbesserung von Potenzialen in der Privatpraxis. Bei der Delegation von Praxisleistungen an nichtärztliche Mitarbeiter gibt es eine Reihe von Besonderheiten. Vor allem die „Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal vom 1. Oktober 2013“ war ein innovativer Meilenstein und hat die gemeinsame Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesärztekammer (BÄK) vom 29.08.2008 zur persönlichen Leistungserbringung ersetzt. Die private Teampraxis der Zukunft wird dann erfolgreich sein, wenn zwei Basis-Voraussetzungen gegeben sind:

1. eine Praxisleitung mit einem auf Mitbestimmung ausgerichteten Führungsstil und

2. Mitarbeiter, die zur Selbstständigkeit qualifiziert und zur Übernahme von Delegation bereit sind.

Diese Mitarbeiterstrukturen sind Herausforderung und Chance zugleich. Grundsätzlich gilt: Delegation bedeutet NICHT Assistenz oder Dienst nach Anweisung, sondern konkrete Beauftragung mit Übernahme der Verantwortlichkeit für die jeweilige Aufgabe oder das konkrete Projekt (z. B. Abrechnung oder Anmeldebereich) und die Übertragung der dafür definierten Rechte und Pflichten. Prüfen Sie in Ihrer Praxis, wie viel Sie als Praxisleitung immer noch selbst durchführen, oder ob Sie schon vom entlastenden Prozess einer wirklich gelebten Teamarbeit profitieren. Der Strukturwandel zur delegativen Teampraxis bedeutet nicht nur eine Chance für MFAs im Sinne des Job-Enrichment. Es entlastet Sie als Praxisleitung erheblich, schafft Freiräume und neue Handlungsansätze für die intensive Betreuung der Privatpatientinnen. Dieses „Empowerment“ der MFA hat seinen Preis: notwendige Weiterbildungen müssen zeitlich und finanziell eingeplant werden und eine selbstständig arbeitende MFA wird die entsprechende Eingruppierung in höhere Tätigkeitsgruppen nach dem gültigen Manteltarifvertrag einfordern.


Der kontinuierliche Verbesserungsprozess

Vor allem in Praxen mit einem hohen Anteil an Privatpatientinnen gewinnt die Professionalität der Zusammenarbeit im Team – und damit die Delegation von Assistenzaufgaben – immer mehr an Bedeutung. Was erwarten Privatpatientinnen? Wichtig ist ein optisch ansprechendes und qualifiziertes Praxis­team, das meistens den entscheidenden Erstkontakt gestaltet. Mindestens so bedeutsam ist eine funktionierende Praxisorganisation, zeitnahe Terminvergabe, klare Informationen, Qualität bei der Aufklärung und eine hochwertige Gestaltung des Aufenthaltes während der Wartezeiten. Dabei geht es nicht nur um die Erledigung der notwendigen Sachaufgaben im Rahmen des Case-Managements, sondern vor allem auch um die Art das Miteinander im Team. Nur zufriedene Teammitglieder werden die Professionalität der medizinischen Versorgung adäquat unterstützen und ergänzen. Gute Mitarbeiterinnen möchten an ihrem Arbeitsplatz aktiv mitwirken und mitbestimmen können. Dabei spielen klare Strukturen, selbstverantwortliche Arbeitsbereiche, die innerbetriebliche Motivation und die Wertschätzung der individuellen Arbeitsleistung eine große Rolle. Neben der konsequenten internen und externen Schulung und Qualifizierung der Mitarbeiterinnen ist für die Motivation auch die Art des praktizierten Führungsstils von Bedeutung. Mit welchem Managementstil wird die Praxis geführt? Für die delegationszentrierte Praxis bedarf es einer modernen Mitarbeiterführung nach der Idee des kooperativen und situativen Führungsstils. Nach dem Motto „gemeinsam sind wir stark und auf die Zukunft vorbereitet“ werden die Interessen der Praxisleitung und die Mitarbeitervorstellungen integriert. Dabei geht es nicht um die Auflösung von Hierarchien, sondern um Organisationssicherheit durch eindeutige Stellen- und Aufgabenbeschreibungen, Mitarbeiteraktivierung durch regelmäßige Besprechungen und klare Zieldefinitionen sowie Befähigung der Teammitglieder zur selbstständigen Leistung und gemeinsamen Arbeitsfreude.


Wann braucht es keine Delegation?

Zum Übertragen von selbstständigen Arbeiten gehören klare Aufgaben, Kompetenzen, Befugnisse und Verantwortlichkeiten. In der Motivationslehre heißt es: man muss KÖNNEN, WOLLEN und DÜRFEN. Menschen, die viel arbeiten und nicht gerne Arbeit abgeben, unterliegen zwei klassischen Irrtümern der Delegation:

1. Ich kann es am besten. Wer von diesem Gedanken beherrscht ist, braucht eigentlich keine Mitarbeiterinnen. Und, wer alles selber macht, hat leider nur seine eigene, begrenzte Kapazität und keine Freiräume für neue Strategien und Aufgaben. Die Praxisleitung benötigt aus Unternehmersicht immer wieder Zeit für Innovation und Weiterentwicklung. Gerade für Teilbereiche der Privatpraxis ist die Übergabe an eine MFA/Assistentin/Sekretärin als „Spezialistin“ die beste Lösung.

2. Delegieren dauert länger als schnell selber machen. Routinetätigkeiten und Aufgabenbereiche, die nicht zu den Führungstätigkeiten oder klassisch ärztlichen Aufgaben gehören, sollten auch nicht von der Praxisleitung ausgeführt werden. Wiederholen sich Aufgaben und sind weniger komplex, amortisiert sich der einmalige Aufwand des Delegationsgespräches schnell.

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

Bildnachweis: privat

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