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Dermatologie

Halt Geben in der Krise

Dermatologische Psychoonkologie

Dipl.-Psych. Dr. Judith A. Bahmer, Prof. Dr. med. Friedrich A. Bahmer

Die Diagnose „Krebs“ trifft Patienten wie ein Blitz, erschüttert ihre sicher geglaubte Existenz und verdüstert ihren Blick auf die Zukunft. Dies geht mit einer erheblichen psychischen Komorbidität einher, der rechtzeitig durch eine psychotherapeutische Begleitbehandlung begegnet werden sollte.

Immer mehr Menschen erkranken an bösartigen Hauttumoren wie dem Melanom, aber auch an Karzinomen, Lymphomen und anderen Entitäten. Die Diagnose „Krebs“ stürzt die meisten Betroffenen in eine existenzielle Krise, unabhängig von der Krebsart. Deshalb sollten zusätzlich zur somatischen Therapie alle Möglichkeiten einer psychologischen und sozialen Intervention ausgeschöpft werden, sei es durch Einzel- oder Gruppentherapien, in onkologischen Beratungsstellen von Krebshilfeorganisationen oder in Form von Selbsthilfegruppen.

Anders als Infektionskrankheiten gelten Krebserkrankungen nicht einfach als Krankheit, sondern als bösartiger und fast unbezwingbarer Feind. Dazu kommt die bei einigen Mitmenschen unterschwellig vorhandene Meinung, dass Krebs vor allem diejenigen treffe, die Wut und gewalttätige Impulse unterdrückten und damit für ihre Krankheit selbst verantwortlich seien. Dieses Schulderleben demoralisiert die Patienten zusätzlich. Wenn dann noch Patienten und Ärzte der irrigen Meinung sind, dass der „schwarze Krebs“ besonders bösartig sei, obwohl doch 9 von 10 Patienten ihr Melanom überleben, macht sich Hoffnungslosigkeit und Resignation breit.

Psychische Hilfe beginnt bei der Aufklärung

Das Ausmaß der Erschütterung nach Erhalt der Krebsdiagnose hängt entscheidend vom Aufklärungsgespräch ab. Hier beginnt die psycho-onkologische Mitbetreuung durch die Art der Diagnosemitteilung und die Kommunikation positiver und Hoffnung stiftender Aspekte. In dieser halben ­Stunde, die außerhalb der Sprechstunde empathisch und in ruhiger Umgebung stattfinden sollte, werden die Weichen für eine erfolgreiche Krankheitsbewältigung und Therapiecompliance gestellt. Eine nahestehende Person miteinzubeziehen, ist sinnvoll, da die Konfrontation mit der Dia­gnose die Aufmerksamkeit für den weiteren Verlauf des Gespräches meist mindert.

Die spektakulären Fortschritte der Krebstherapie innerhalb der letzten Jahrzehnte und das enorme Detailwissen, das für alle zugänglich im Internet existiert, haben die somatische Therapie zwar deutlich verbessert, die psychische Belastung dagegen aber vergrößert. Wie soll ein Patient, der gerade von seiner Krebserkrankung erfahren hat, die komplexen Zusammenhänge verstehen, die für die gemeinsame Entscheidungsfindung hinsichtlich der Therapie, das „shared decision making“, notwendig sind? Medizinische und psychologische Aspekte für Laien verständlich zu vermitteln, muss daher nicht nur erlernt, sondern auch kontinuierlich unter Anleitung erfahrener Kolleginnen und Kollegen geübt werden.

Paradebeispiel für die Schwierigkeit, psychologische Aspekte in das „shared-decision-making“ zu inte­grieren, ist die Sentinel-Lymphadenektomie beim Melanom. Meist wird den Patienten dieser Eingriff als Bestandteil der Therapie nahegelegt, ohne da­rüber zu sprechen, dass es sich eigentlich um ein prognostisches Verfahren handelt. Da die Patienten aber wissen, dass der Nachweis von Tumorzellen im Lymphknoten mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist, gleicht für manche ein positiver Befund einem Todesurteil.  

Psychotherapeutische Begleitbehandlung

Die Diagnose Krebs evoziert bei den Patienten unweigerlich die Vorstellung von der Endlichkeit des Daseins, von Einsamkeit, Sterben und Tod, was zur Veränderung in der kulturellen Welt- und Selbstschau der Betroffenen führt. Die Patienten geraten in eine Sinnkrise, suchen Halt in Spiritualität, Trans­zendenz oder anderen Strukturen. Anders als früher finden aber immer weniger Patienten Trost in ihrer Religion, die Mehrheit braucht eine psychotherapeutische oder seelsorgerische Begleitung, die auf Themen wie Versöhnung mit der Endlichkeit und Sinnstiftung für die verbleibende Zeit fokussieren. In großen Städten mit ausreichender Patientenzahl kann dies in Form einer Gruppentherapie gestaltet werden, in der Regel wird aber eine psychoonkologische Einzeltherapie angebracht sein.

Kasuistik

Die psychotherapeutische Behandlung einer ­46 Jahre alten Patientin, der im Jahr zuvor ein 2,6 mm dickes Melanom an der Wange operativ entfernt wurde, fokussierte zu Beginn sehr stark auf die Sichtbarkeit der Narbe und somit der Krebserkrankung, die ihr gefühlt „wie ins Gesicht geschrieben“ war. Der wegen Herstellungsstopp ­erfolgte Abbruch einer Inter­ferontherapie nach hälftiger Behandlungszeit ­führte zu Sorgen bezüglich einer Prognoseverschlechterung. Eine psychotherapeutische ­Behandlung ­wurde von der Hausärztin unterstützt und parallel zur dermato-onkologischen Nachsorge ambulant durchgeführt.

Der Verlust der Arbeitsstelle innerhalb der Probezeit führte zu massiver Verunsicherung und Ängsten hinsichtlich ihres Verhaltens in kommenden Vorstellungsgesprächen. Ihr Selbstoffenbarungszwang hinsichtlich der Krebserkrankung erzeugte Druck. Die COVID19-bedingte Maskenpflicht wurde zwar als durchaus entlastend erlebt, die soziale Isolation in Kombination mit der unklaren beruflichen Situation führte jedoch zu Zukunftsängsten. Durch die psychotherapeutische Unterstützung gelang es nach und nach, Ängste abzubauen und die Patientin für den souveränen Umgang in verschiedenen Gesprächskontexten vorzubereiten. Eine Verschiebung des Aufmerksamkeitsfokus von der Erkrankung auf andere, relevante Lebensthemen (geplante Heirat, Vorstellungsgespräche, Umgang mit Eltern und Freunden etc.) führte zu einer Aufhebung der innerlichen ­Fixierung auf das Thema „Krankheit“. Aktuell wird die Belastbarkeit der Patientin in einer neuen Arbeitsstelle auf die Probe gestellt. Im Verlauf soll das Selbstwerterleben der Patientin weiter gestärkt und der souveräne Umgang mit der Erkrankung in diversen Kontexten gefördert werden. Auch gilt es, das Sinnerleben sowie die optimistische Zukunftssicht zu stärken, um einer reaktiv-depressiven ­Entwicklung vorzubeugen.

FAZIT:

Eine frühe, begleitende psychotherapeutische Behandlung kann zu einer Verminderung krankheitsbezogener Ängste, einer Stärkung des Sinn- und Selbstwerterlebens und dem Erhalt der psychosozialen Funktionsfähigkeit führen und einer Chronifizierung psychischer Folgesymptome vorbeugen.

Die Autorin

Dipl.-Psych. Dr. Judith A. Bahmer
Psychologische Psychotherapeutin
Praxis für Psychotherapie
48145 Münster

psycheundhaut@gmail.com

Literatur bei der Autorin

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