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Allgemeinmedizin

Chronisch-metabolische Azidose

Häufiger Cofaktor bei Osteoporose

Dr. med. Dr. PH Herbert Stradtmann

22.5.2024

Hinter den allgemeinen Symptomen einer Osteoporose kann sich eine chronisch-metabolische Azidose (cmA) verstecken. Daher sollte der Säure-Basen-Haushalt im Zuge der Osteoporose-Therapie kontrolliert und eine gegebenenfalls mitbestehende cmA mit Natriumhydrogencarbonat (Bicarbonat) behandelt werden.

Zu den Risikofaktoren der Osteoporose zählen weibliches Geschlecht, sehr schlanker Körperbau (BMI < 20 kg/m2), Estrogenmangel (bereits prä-, später in der Menopause), chronische Fehl- und Unterernährung, Ernährungsformen mit ungenügender Zufuhr von Calcium und/oder Vitamin D und die langfristige Gabe von Medikamenten, die den Calciumverlust erhöhen, wie aluminiumhaltige ­Antazida, Kortikosteroide (Steroidosteoporose), ­Heparin, Lithium und Schilddrüsenhormone. Des Weiteren sind Bewegungsmangel, Zigaretten­konsum, Alkoholabusus, exzessiver Koffeinkonsum und Krankheiten, die mit einer negativen Calciumbilanz verbunden sind, zu nennen. Zu Letzteren gehören chronische Diarrhö und Malabsorption, Zustand nach Gastrektomie, die Hyperthyreose, Diabetes mellitus, die chronische Nierenkrankheit (CKD) und Hyperparathy­reoidismus (HPT).

Übersäuerung

Der renale Plasmafluss nimmt ab dem 40. Lebensjahr pro Dekade um 10 % ab. In vielen Fällen führt der mit zunehmendem Alter häufiger auftretende Typ-2-Diabetes (T2D) durch Schädigung der Nieren zur CKD und letztlich zum HPT.

Das Bicarbonat-Kohlendioxid-Puffersystem erbringt um 75 % der Gesamtpufferkapazität. Nimmt die Nierenfunktion ab, verlieren die Nieren zunehmend die Fähigkeit, den Säure-Basen-Haushalt effizient zu regulieren. So kommt es im Zuge der CKD zur chronisch-metabolischen Azidose. Die wiederum gilt als ein entscheidender urämischer Toxizitätsfaktor. Im Knochenstoffwechsel führt die cmA zur Steigerung der Knochenresorption durch Stimulierung der Osteoklasten und zur Hemmung der Knochenreparatur durch Störung der Osteoblastenfunktion.

Phosphor und Calcium bilden im Skelett Hydroxylapatit, ein hydroxyliertes Calciumphosphatsalz mit sehr hohem Härtegrad. Es ist der Hauptbestandteil der anorganischen Substanz in den Knochen. Im sauren Milieu ist Hydroxylapatit löslich. Demzufolge wird es bei einer cmA aus dem Skelett gelöst. Die Folge ist die Demineralisation von Knochensubstanz. Somit erweist sich die cmA als ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung und/oder für das Fortschreiten einer bereits bestehenden Osteoporose.

Bleibt die cmA unbehandelt, steht dem Organismus fast nur noch das intrazelluläre Phosphatpuffersystem zur Verfügung, um den Blut-pH-Wert konstant zu halten. Dieses liefert aber max. nur bis 25 % der Gesamtpufferleistung. Plasmaproteine und Hämoglobin können als Puffer ihre Leistung ebenfalls nicht merklich steigern und kommen somit als Kompensationsmechanismen auch nicht infrage.

Geriatrischen Patienten und Patientinnen mit Osteoporose – insbesondere, wenn sie zudem an T2D und Hypertonie als nierenfunktionsschädigende chronische Erkrankungen leiden – stehen dann nur noch reduzierte Funktions- und Kompensationsreserven im Puffersystem zur Verfügung, mit der cmA als Folge. Daraus ergibt sich eine Konsequenz: Bei einer diagnostizierten Osteoporose sollte immer der Säure-Basen-Status überprüft werden.

Ist die cmA als zusätzlicher Faktor bei einer Osteoporose entdeckt, mangelt es dem Organismus an der Puffersubstanz Bicarbonat. Kann der Organismus nicht mehr genügend davon selbst produzieren, ist er auf den Import – die Zufuhr von außen – an­gewiesen. Bei Osteoporose mit cmA erweist sich ­Bicarbonat demnach als physiologische und zugleich therapeutische Substanz.

Bicarbonat sinnvoll substituieren

Bei der oralen Behandlung ist allerdings zu beachten, dass bei den konventionellen, nicht magensaftresistenten Bicarbonat-Präparaten die Magensäure diese bereits in Kochsalz, Kohlenstoffdioxid und ­Wasser aufspalten. Die Therapie der cmA selbst erfolgt dann nur noch mangelhaft. Die zur Behandlung der Osteoporose notwendige Zufuhr von Calcium wird dadurch ebenfalls beeinflusst, denn die Aufnahme von ­Calcium erfolgt besser im sauren Milieu.

Zu bedenken ist zudem ein Phänomen bei der Langzeitbehandlung mit im Magensaft löslichem Bicarbonat. Es kann zu einer kompensatorischen Hypersekretion von Magensäure kommen (Acid-Rebound), basierend auf dem Mechanismus einer gegenregulatorischen Hypergastrinämie. Dann wiederum bleibt von magensaftlöslichem Bicarbonat noch weniger übrig, das in den Dünndarm gelangen kann.

Magensaftresistente Bicarbonat-Tabletten haben keine Auswirkung auf die Zusammensetzung des Magensafts, da die Freisetzung erst im alkalischen Milieu des Dünndarms stattfindet. Diese erfolgt ohne Verlust und unterstützt sogar noch die entscheidenden Enzyme der Bauchspeicheldrüse, da diese ihr Wirkoptimum im alkalischen Bereich haben.

Die Enttarnung einer cmA erfolgt mittels Blutgasanalyse (BGA). Ein Bicarbonat-Spiegel im Serum < 18 mmol/l ist unbedingt behandlungspflichtig, ­Werte < 22 mmol/l gelten als kritisch. Nach eingeleiteter Bicarbonat-Therapie ist die Kontrolle mittels BGA ebenso wichtig, denn der Serum-pH-Wert allein hat keine ausreichende Sensitivität für den Schweregrad einer cmA. Andererseits gilt es natürlich auch, bei einer cmA im Zuge einer Osteoporose, eine Überdosierung von Bicarbonat zu vermeiden.

Mit einer Tagesdosis von 1 000 bis 3 000 mg magensaftresistentem Bicarbonat ist in der Regel ein auf Dauer guter Ausgleich einer cmA zu erreichen.

Der Autor

Dr. med. Dr. PH Herbert Stradtmann
Arzt für Innere Medizin/Nephrologie,
Hypertensiologe-DHL® und ­Rehabilitationswesen
Im Wölftegrund 27
34537 Bad Wildungen

  1. Leitzmann C und Mitarb., Ernährung in Prävention und Therapie, 2003; 2. Aufl.: 318
  2. Lefebre A, Kidney Int 1989; 36: 1112
  3. Bushinsky DA et al., Curr Opinion Nephrol Hypertens 2000; 9: 369–79
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  5. Krieger NS et al., Current Opinion Nephrol Hypertens 2004; 13: 423–36
  6. Jehle A et al., Schweiz Med Wochenschr 2000; 130: 398–408

Bildnachweis: privat

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