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Gynäkologie

Leitlinien zu PCOS

Evidenzbasiertes Management des polyzystischen Ovarsyndroms

Dr. med. Annette Bachmann

5.11.2020

Das PCOS ist ein sehr heterogener Symptomkomplex und nicht nur eine ­endokrine und fertilitätsmindernde, sondern auch eine metabolische ­Erkrankung. Psychosomatische Komponenten der Erkrankung wie Depression, Angststörungen und Essstörungen bedürfen zudem großer Aufmerksamkeit.

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist mit einer Prävalenz von 8–13 % die häufigste endokrine Erkrankung von Frauen im reproduktionsfähigen Alter und stellt eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für unser Gesundheitssystem dar.[1] Die Evidenzlage zu Diagnosestellung und Therapieempfehlungen dieses komplexen Krankheitsbildes ist bisher sehr unübersichtlich. Die evidenzbasierte, internationale Leitlinie zu Diagnostik und Management des PCOS aus dem Jahr 2018 bietet einen aktuellen Leitfaden für das Vorgehen in der Praxis.

Der Fokus dieser Leitlinie liegt dabei auf der Information, dem emotionalen Wohlbefinden und der Lebensstilmodifikation mit dem Ziel einer höheren Lebensqualität der Patientinnen mit PCOS. Die Empfehlungen rufen zu präziser individueller Diagnostik und zum vorsichtigen Einsatz von Untersuchungen gerade von jungen Patientinnen und zu kosteneffizienter, evidenzbasierter Therapie in jeder Lebensphase auf.[2]

Unklare Pathogenese

Ätiologie und Pathogenese dieses heterogenen Sym­ptomkomplexes sind noch immer nicht vollständig geklärt. Es wird eine starke erbliche Komponente vermutet, was in die Beratung der PCOS-Patientinnen mit einbezogen werden sollte. Bislang sind über 43 verschiedene Genorte untersucht.[3] Betroffen sind die adrenale und ovarielle Steroidhormongenese, die Steroidhormonwirkung, Androgenrezeptoren, das SHBG, die Gonadotropinwirkung und Regulation, die Insulinsekretion und -wirkung sowie der Energiestoffwechsel. Seit der Erstbeschreibung 1935[4] sind die Diagnosekriterien aufgrund der Heterogenität des Symptomkomplexes bis heute umstritten. 2003 wurden von der European Society of Human Reproduction and Embry­ology (ESHRE) zusammen mit der American Society of Reproductive Medicine (ASRM) die Rotterdam-Konsensus-Kriterien aufgestellt,[5] die aktuell von der internationalen evidenzbasierten Leitlinie zur Beurteilung und zum Management des PCOS 2018 bestätigt wurden. Demnach müssen nach Ausschluss anderer Ursachen zwei der drei Kriterien (polyzystische Ovarien, Abb. 1), klinische und / oder laborchemische Hyperandrogenämie und Oligo- oder Anovulation) vorliegen. Problematisch ist, dass die Einteilung der PCOS Phäno­typen nach Rotterdam-Konsensus-Kriterien ausschließlich für Frauen im reproduktionsfähigen Alter möglich ist. Für die Adoleszenz und Menopause gelten andere Voraussetzungen. Über das PCOS in der Adoleszenz und peri-/postmenopausal besteht daher eine große Unsicherheit.

Diagnostik in verschiedenen Lebensphasen

Bei allen diagnostischen Massnahmen muss bedacht werden, dass die Beurteilbarkeit durch Einnahme von Ovulationshemmern eingeschränkt sein kann. Ein estrogenbedingter SHBG-Anstieg und eine Suppression der ovariellen Androgenproduktion haben Auswirkungen auf die Labordiagnostik. Auch das sonografische Bild der Ovarien ist verändert. Hormonelle Kontrazeptiva sollten daher drei Monate vor der geplanten Untersuchung abgesetzt werden. Für die Diagnose eines PCOS als Ausschlussdiagnose ist eine sorgfältige Zyklusanamnese (Hinweis auf Oligo-/Anovulation), eine standardisierte körperliche Untersuchung auf Zeichen einer Hyperandrogenämie, ein Vaginalultraschall mit Angabe des Zykluszeitpunkts und eine Blutentnahme zur Bestimmung des freien Testosterons, SHBG, TSH und Prolaktinwerts erforderlich. Die Qualität des Assays für die Testosteronbestimmung ist dabei entscheidend. Es sollten liquid chromatography-massspectrometry (LC-MS) und Extraktionschromatographie Immunoassays verwendet werden. DHEAS und Androstendion können bestimmt werden, wenn Testosteron erhöht ist, bringen aber keinen wesentlichen Mehrwert. Bei der Beurteilung kutaner Androgenisierungserscheinungen muss zur Objektivierung der Ferriman-Gallwey-Score (FGS) für Hirsutismus und der Ludwig-Score für androgenetische Alopezie erfasst werden. Hier ist es besonders wichtig, die Beschwerden der Patientin zu validieren und der Patientin das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden, auch wenn die objektiven Kriterien ­eines Hirsutismus (FGS > 4–6) nicht erfüllt sind.

Die metabolische Komponente der Erkrankung sowie ein schlechtes kardiovaskuläres Risikomarkerprofil erfordern bereits bei der Betreuung junger Patientinnen vor allem Information und Motivation zur Gesundheitsfürsorge. Unabhängig vom Alter besteht ein erhöhtes Risiko für Insulinresistenz, Typ-­2- und Gestationsdiabetes. 70 % aller PCOS-Patien­t­innen weisen eine Insulinresistenz auf (Abb. 2). Dabei müssen auch ethnische und lokale Unterschiede berücksichtig werden, in Asien ist das Diabetesrisiko 5-fach, in Amerika 4-fach und in Europa 3-fach erhöht. Die metabolischen Symptome des PCOS bestehen unabhängig von einer Adipositas, werden aber durch diese verstärkt.

Es ist in jeder Lebensphase wichtig, die psychologischen Komponenten der Erkrankung, Depression, Angst- und Körperbildstörungen sowie Essstörungen zu berücksichtigen und gezielte Screeningverfahren in die Routinediagnostik miteinzubeziehen. Einfache Screeningfragen für depressive Störungen sind:

Wie oft hatten Sie in den vergangenen zwei Wochen eines oder mehrere der folgenden Probleme?

• Haben Sie sich bedrückt, niedergeschlagen oder hoffnungslos gefühlt?

• Hatten Sie wenig Interesse oder Freude daran, etwas zu unternehmen oder zu machen?

• Fühlen Sie sich erschöpft / am Rande Ihrer Kräfte?

• Konnten Sie nicht aufhören, sich über etwas Sorgen zu machen?

Wenn eine der Fragen positiv beantwortet wird, sollten standardisierte Fragebögen wie der Patient Health Questionnaire (PHQ) oder die Generalised Anxiety Disorder Scale (GAD7) angewendet werden oder die Patientin zur weiteren Evaluation an eine entsprechend qualifizierte Stelle weitergeleitet werden.

Fragen zu Körperbildstörungen:

• Denken Sie oft darüber nach, wie Sie aussehen oder könnten Sie weniger darüber nachdenken?

• Denken Sie mehr als eine Stunde am Tag darüber nach, wie Sie aussehen?

• Was speziell stört Sie an Ihrem äußeren Erscheinungsbild?

• Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Berufs- und Privatleben? Ist es schwierig für Sie, mit Freunden oder Familie zu sein oder Ihrem Beruf nachzugehen?

Zwei einfache Screeningfragen zu Essstörungen, die sich an dem SCOFF (Sick, Control, One stone, Fat, Food) Screening Tool orientieren sind:

• Hat Ihr Gewicht Einfluss darauf, wie Sie sich selbst fühlen und sehen?

• Sind Sie mit Ihrem Essverhalten zufrieden?

In der Betreuung von PCOS-Patientinnen in jeder Lebensphase ist daher eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders wichtig, um dem individuellen Risikoprofil wie dem psychischen und emotionalen Wohlbefinden der Patientin ausreichend Rechnung zu tragen.

PCOS in der Adoleszenz

Die Schwierigkeit der Diagnosestellung eines PCOS in der Adoleszenz liegt darin, physiologische Zyklusunregelmäßigkeiten und Ultraschallbefunde von pathologischen abzugrenzen und den richtigen Zeitpunkt biologischer und psychosozialer Reife der Patientin zu finden. Ziel ist es, Mädchen mit PCOS-Risiko so früh wie möglich zu identifizieren, aber nicht zu früh durch eine voreilige Diagnosestellung zu verunsichern. Es muss beachtet werden:

• Bis zu einem Jahr nach Menarche ist ein unregelmäßiger Zyklus normal.

• Zwischen dem ersten und dritten Jahr nach Menarche ist ein Zyklus nur dann als auffällig anzusehen, wenn er kürzer als 21 oder länger als 45 Tage dauert. Nach dem ersten Jahr sollte kein Zyklus länger als 90 Tage sein.

• Ab drei Jahren nach Menarche sollte die Zykluslänge zwischen 21 und 35 Tagen liegen bzw. sollten mehr als acht Zyklen pro Jahr auftreten.

• Liegt eine primäre Amenorrhoe mit 15 Jahren oder drei Jahre nach Thelarche vor, kann eine Zykluspathologie im Rahmen eines PCOS vorliegen.

• Volle gynäkologische Reife ist erst acht Jahre nach Menarche erreicht.

Erst zu diesem Zeitpunkt kann wegen des physiologischen Auftretens multifollikulärer Ovarien in der frühen Adoleszenz Ultraschalldiagnostik empfohlen werden. Bestehen Zweifel z. B. bei isoliert auftretenden Zyklusunregelmäßigkeiten, sollte eine Reevaluation acht Jahre nach Menarche angestrebt werden. Da sich kutane Androgenisierungserscheinungen im Rahmen eines PCOS erst langsam, über eine längere Zeitspanne entwickeln, sind sie bei sehr jungen Patientinnen häufig nicht prominent und unter Umständen nicht als diagnostischer Parameter brauchbar. Als störend empfundene vermehrte Körperbehaarung oder Alopezie sollten dabei unabhängig vom klinischen Schweregrad immer ernst genommen werden und die potenziell negativen psychosozialen Nebenwirkungen der klinischen Hyperandrogenämie bedacht werden. Das Anti-Müller-Hormon (AMH) wird häufig bestimmt und die American Association of Clinical Endocrinologists (AACE) diskutiert den Einsatz w alternative Diagnostik. Die aktuelle Leitlinie bestätigt aber die Kritik, dass unterschiedliche Assays unterschiedliche Werte ermitteln und es keine an großen Populationen ermittelten Altersnormen gibt. Daher wird der Einsatz als diagnostisches Kriterium noch nicht empfohlen. Bei der Verordnung ist darauf zu achten, dass jede medikamentöse Therapie des PCOS prinzipiell Off-Label-Use ist. Kombinierte orale Kontrazeptiva als Monotherapie können zur Behandlung von Zyklus­störungen und kutanen Androgenisierungserscheinungen bei Jugendlichen mit klarer Diagnose und mit Risiko für PCOS ebenso eingesetzt werden wie bei Erwachsenen PCOS-Patientinnen. Dabei sollte immer die niedrigst mögliche effektive Estrogendosis gewählt werden, das heißt 20–30 µg Ethinylestradiol (EE). Es gibt keine Leitlinienempfehlung hinsichtlich spezifischer Progesteronkomponenten. Pillen mit 35 µg EE und Cyproteronacetat sollten aufgrund des erhöhten Risikoprofils hinsichtlich thromboembolischer Komplikationen nicht primär verordnet werden. Zusätzliche Antiandrogene sind aufgrund der unsicheren Datenlage hinsichtlich eines möglichen Knochensubstanzverlustes in der Adoleszenz nicht einzusetzen. Metformin kann bei jungen und heranwachsenden Mädchen als Monotherapie oder in Kombination mit oralen Kontrazeptiva eingesetzt werden. Bei schlanken Mädchen ist eine Dosis von täglich 850 mg häufig ausreichend; bei übergewichtigen und adipösen Mädchen kann eine Dosissteigerung auf täglich 1,5–2,5 g erforderlich sein. Sogar präpubertäre Kinder werden bereits im Off-Label-Use mit Metformin behandelt, zum Beispiel SGA- und LGA-Kinder mit sehr raschem Aufholen bei SGA postpartal, bei denen eine eingeschränkte Insulinsensitivität bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt angenommen wird.[6]

PCOS im reproduktions­fähigen Alter

In dieser Lebensphase tritt bei den Patientinnen häufig das Leitsymptom Infertilität in den Vordergrund. Zyklusstörungen, kutane Androgenisierungserscheinungen und die Manifestation des PCOS als metabolische Erkrankung sind für die klinische Praxis aber ebenso relevant. Eine junge Patientin mit PCOS muss ab Diagnosestellung wissen, dass sie genauso viele Kinder haben kann wie Frauen ohne PCOS. Allen Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollte ein 75-g-OGTT (oraler Glucosetoleranztest) angeboten werden. Wenn vor der Konzeption kein OGTT durchgeführt werden konnte, sollte dieser vor der 20. SSW nachgeholt werden. Allen Frauen mit PCOS muss ein OGTT zwischen der 24. und 28. SSW angeboten werden. Wichtig ist es, spezifische, relevante, messbare und zeitbegrenzte Programme mit den Patientinnen zu erarbeiten, die ihre persönlichen und kulturellen Bedürfnisse miteinbeziehen. Dabei sollte das Selbst­monitoring mit Schrittzählern, Apps etc. aktiv gefördert werden. Bei Übergewicht ist eine Gewichtsreduktion von 5–10 % innerhalb von sechs Monaten bei einem Energiedefizit von 30 % (500–750 kcal/Tag) anzustreben. Das entspricht einer Diät mit 1.200–1.500 kcal/Tag. Es gibt keine Leitlinien­empfehlung für bestimmte Diätformen. Körperliche Aktivität sollte langsam in 10-MinutenEinheiten um 5 % wöchentlich gesteigert werden. Bewegung in den Alltag zu integrieren, ist dabei wichtig, Sitzen und Zeit vor dem Bildschirm sollte minimiert und Laufen und Fahrradfahren gefördert werden. Auch im Haushalt oder durch Spiele und Sport sollten insgesamt 10.000 Schritte/Tag erreicht werden. Alternativ können 3.000 Schritte/Tag und mindestens 30 Minuten strukturierte körperliche Aktivität, mindestens 250 Minuten/Woche moderate Bewegung oder mindestens 150 Minuten/Woche starke körperliche Anstrengung oder eine beliebige Kombination aus allem zum Ziel führen. Wichtig ist auch der Aufbau der großen Muskelgruppen, am besten an zwei nicht aufeinanderfolgenden Tagen.

Mittel der ersten Wahl zur Ovulationsinduktion ist basierend auf aktuellen Metaanalysen zur Geburtenrate und Risikenabwägung Letrozol 2,5 mg vor Clomifen. Die Patientinnen müssen dabei über den Off-Label-Use und das Risiko von Fehlbildungen bei Einnahme in der Schwangerschaft aufgeklärt werden. Die Halbwertszeit ist mit 45 Stunden aber sehr gering, sodass bereits zum Zeitpunkt der Ovulation kein Letrozol mehr im Körper nachweisbar ist. Die Einnahme folgt dem gleichen Muster wie bei Clomifen: fünf Tage vom zweiten bis siebten Zyklustag. Metformin kann im Off-Label-Use zusätzlich zur Lebensstilmodifikation verordnet werden. Bei Frauen mit höherem metabolischem Risiko, BMI ≥ 25 kg/m2 oder ethnisch familiärem Risiko für Diabetes oder bei eingeschränkter Glucosetoleranz wird ein größerer Benefit erwartet. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)-Stellungnahme von 2015 beschränkt die Empfehlung zum Einsatz im Off-Label-Use auf Patientinnen mit Insulinresistenz. Patientinnen ohne Insulinresistenz im trial-and-error-Versuch mit Metformin zu behandeln, ist laut DGGG möglich, aber weniger „endokrin plausibel” und durch die Datenlage schlechter abgesichert. Die Einnahme von Metformin kann zu einem verminderten Fehlgeburtsrisiko und vermindertem Risiko für einen Gestationsdiabetes beitragen. Der Pregnancy in Polycystic Ovary Syndrome 1 trial (PPCOS 1) sah einen Vorteil zusammen mit Clomifen bei adipösen Patientinnen mit BMI > 35. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013 ergab eine höhere Ovulations- und Schwangerschaftsrate für eine Kombination aus Metformin und Clomifen als für beide Medikamente alleine. Metformin wird außerdem als adjuvante Therapie zur Vorbeugung eines ovariellen Hyperstimulationssyndroms bei infertilen Frauen mit PCOS, die sich einer IVF unterziehen, diskutiert.[7] Es muss dabei immer beachtet werden, dass bei Langzeitanwendung Metformin mit niedrigeren Vitamin-B12-Spiegeln einhergeht und eine entsprechende Substitution eingeleitet werden soll.

Zur Therapie kutaner Androgenisierungserscheinungen sollte zunächst die Gabe kombinierter oraler Kontrazeptiva erfolgen, unter Berücksichtigung der WHO eligibility criteria. Die aktuelle Leitlinie 2018 gibt auch hier keine Empfehlung für eine bestimmte Gestagenkomponente. Die zusätzliche Gabe von Antiandrogenen unter sicherer Kontrazeption kann erwogen werden, wenn nach sechs Monaten Therapie mit kombinierten oralen Kontrazeptiva und kosmetischer Therapie kein Erfolg erzielt werden kann. Mögliche Antiandrogene sind Cyproteronacetat (CPA 50 mg), das stärkste antiandrogen wirkende Gestagen und als Monotherapie und Kombinationspräparat kombinierbar. Der Einsatz von Spironolacton ist als Zweitlinientherapie im Off-Label-Use möglich. Das Risiko einer Hyperkaliämie sowie einschleichende Dosierung und Elektrolytkontrolle sollten beachtet werden. Prinzipiell sind Antiandrogene nur mit sicherer Kontrazeption einsetzbar.

PCOS um und nach der Menopause

Die Diagnose eines PCOS kann in dieser Lebensphase nur noch indirekt gestellt werden durch persistierende Evidenz einer Hyperandrogenämie sowie ein langjähriges Bestehen der Rotterdam-Kriterien in der reproduktiven Lebensspanne, das heißt unregelmäßiger Zyklus, Hyperandrogenämie und/oder polyfollikuläre Ovarien. Über den Verlauf des PCOS in späteren Lebensphasen gibt es kein klares Bild, da verlässliche Langzeitstudienergebnisse noch fehlen. Statistische Prädiktionsmodelle anhand des AMH-Wertes sehen eine bis zu zwei Jahre längere reproduktive Lebensspanne.[8] Die Midlife Women‘s Health Study mit 780 Frauen in einem mittleren Alter von 48 Jahren hat eine nur kleine Anzahl an Frauen, 9,3 % (n =  42) mit anamnestischem PCOS nach Rotterdam-Kriterien und 411 Kontrollen untersucht. Dabei wurde kein Unterschied für FSH, Testosteron, Progesteron, Estradiol oder klimakterische Beschwerden gefunden.[9]

PCOS und kardio­­vas­kuläres Risiko

Im Widerspruch zu einer Vielzahl erhöhter kardiovaskulärer Risikomarker schon bei jungen Patientinnen, gibt es derzeit keine Studie, die eindeutig eine erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse für PCOS-Patientinnen im späteren Leben nachweist. Die Tehran Lipid and Glucose Study, eine prospektive, populationsbasierte Langzeitstudie seit 1998 zur Beobachtung der Prävalenz und von Risikofaktoren chronischer Erkrankungen, hat 178 PCOS-Patientinnen und 1.524 Patientinnen ohne PCOS mit einem medianen follow up von 12,9 Jahren untersucht. Dabei war für alle Typen des PCOS A–D kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Risikos für Prädiabetes und Diabetes für Patientinnen > 40 Jahre nachzuweisen. Ein Screening auf kardiovaskuläre Risikofaktoren (Bauchumfang, Bestimmung von Gewicht alle 6–12 Monate, HbA1c, Nikotinkonsum, Lipidprofil und Familienanamnese hinsichtlich eines kardiovaskulären Risikos) sollte erhoben werden.

PCOS und onkologisches Risiko

Das Risiko für ein Endometriumkarzinom ist für PCOS-Patientinnen um das 2- bis 6-Fache erhöht, die Inzidenz des Endometriumkarzinoms ist jedoch insgesamt gering,[10] sodass ein regelmäßiges Ultraschallscreening nicht Bestandteil der Leitlinien­empfehlung ist. Bei Zyklen länger als 90 Tage sollte jedoch eine Transformation des Endometriums z. B. mit Chlormadinonacetat durchgeführt werden. Die Datenlage zum Risiko für ein Ovarialkarzinom ist nicht eindeutig. Eine Studie sieht das Risiko für ein Ovarialkarzinom signifikant erhöht bei Patientinnen < 54 Jahre (OR: 2,52; 95 %-KI: 1,08–5,89)[11], eine andere Studie sieht ein nur erhöhtes Risiko für seröse Borderlinetumoren bei übergewichtigen Patientinnen ohne Pilleneinnahme.[12] Das Risiko für ein Mammakarzinom ist nach bisheriger Evidenz bei PCOS-Patientinnen nicht erhöht.[11] Als antiandrogene Therapie in der Peri- und Postmenopause steht neben CPA auch Finasterid als Drittlinientherapie nach Ausschöpfen anderer Möglichkeiten im Off-Label-Einsatz zur Verfügung.

Fazit

Der Fokus der aktuellen Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des PCOS liegt auf dem Ziel einer höheren Lebensqualität der Patientinnen. Die Empfehlungen rufen zu präziser individueller Diagnostik – gerade von jungen Patientinnen – und zu kosteneffizienter, evidenzbasierter Therapie in jeder Lebensphase auf.

Die Autorin

Dr. med. Annette Bachmann
Klinik für Frauenheilkunde und ­Geburtshilfe
Universitätsklinikum Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main

annette.bachmann@kgu.de

[1] Azziz R et al., J Clin Endocrinol Metab 2005; 90: 4650–4658
[2] Teede HJ et al., Hum Reprod 2018; 33: 1602–1618
[3] Panda PK et al., Genom Data 2016; 8: 52–60
[4] Stein IF et al., Am J Obstet Gynecol 1935; 29: 181
[5] ESHRE/ASRM, Hum Reprod 2004; 19: 41–47
[6] Diaz M et al., Pediatr Diabetes 2015; 16: 538–545
[7] Johnson N, Ann Transl Med 2014; 2: 56
[8] Minooee W et al., Climacteric 2018; 21: 29–34
[9] Yin O et al., Menopause 2018; doi:10.1097/GME.0000000000001055
[10] Broekmans FJ et al., BJOG 2006; 113: 1210
[11] Barry JA et al., Hum Reprod Update 2014; 20: 748–758
[12] Harris HR et al., Int J Cancer 2017; 140: 285–291

Bildnachweis: Victor_Tongdee, newannyart (iStockphoto), PRIVAT

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