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Persönliche Skills

Depressionen

Auch Pflegekräfte und Ärzte sind betroffen

Dr. med. Volker Reinken

Die Erkrankung Depression kann jeden treffen. Häufig kämpfen aber Betroffene zu lange gegen diese Tatsache an. Deshalb ist es umso wichtiger, Kollegen oder Pflegemitarbeiter bei einem Erkrankungsverdacht anzusprechen. Denn Ärzte haben ein 1,4- bis 3,4-fach erhöhtes Suizidrisiko im Vergleich zur Normalbevölkerung. Dabei sind die häufigsten Suizidursachen depressive Störungen und Substanzabusus.[3]

Die höchste Suizidrisiko-Quote in der Berufsgruppe der Ärzte liegt bei den Psychiatern und Anästhesisten. Auch bei der depressiven Symptomatik liegen Ärzte in Studien höher als die Allgemeinbevölkerung, so zeigen 23–31 % der Medizinerinnen und Mediziner im ersten Jahr ihrer Assistenzarztzeit eine depressive Symptomatik gegenüber 15 % der gleichaltrigen Allgemeinbevölkerung.[1,2] Ebenso liegen die Pflegeberufe an der Spitze derjenigen Berufe, die besonders von Depression betroffen sind, wie im Depressionsatlas der Techniker Krankenkasse 2015 veröffentlicht wurde.


Depressionen – Haupt- und Zusatzsymptome

Nach ICD-105 sind die Hauptsymptome einer depressiven Störung Freudlosigkeit und Interesselosigkeit an Dingen oder Aktivitäten, die früher Freude gemacht haben, Herabgestimmtheit und Antriebsminderung oder erhöhte Ermüdbarkeit. Hinzutreten die sogenannten Zusatzsymptome, wie ein Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit; vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen; Suizidgedanken und -versuche oder Selbstverletzungen; verminderte Konzentration, Denkvermögen und Aufmerksamkeit sowie Unschlüssigkeit; Schlafstörungen; Appetitveränderungen; psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung. Um die Diagnose stellen zu können, müssen die Symptome mindestens 14 Tage lang, die meiste Zeit des Tages vorhanden sein. Treten zwei der Kernsymptome und zwei der zusätzlichen Symptome auf, handelt es sich um eine leichte depressive Störung. Beim Auftreten von zwei Kernsymptomen und drei bis vier Zusatzsymptomen leiden Patienten unter einer mittelgradigen depressiven Störung. Eine schwere depressive Episode liegt bei drei Kernsymptomen und mehr als vier Zusatzsymptomen vor (s. Abb.). Klingt eine depressive Phase gänzlich ab und tritt dann wieder auf, handelt es sich um eine rezidivierende depressive Störung.


Vielfältige Arten von Depressionen

Eine sorgfältige differenzialdiagnostische Abklärung von organischen affektiven Störungen, der schizophrenen Depressionen, der schizoaffektiven Störung, den verschiedenen primär affektiven Störungen, den Anpassungsstörungen und den depressiven Persönlichkeitsstörungen ist empfehlenswert. Depressiv Erkrankte kämpfen meist gegen einen inneren Widerstand an[3], haben sie diesen überwunden, stellen sie sich beim Hausarzt oder Kollegen vor. Dieser innere Widerstand tritt z.B. im Rahmen eines Burnouts auf. Die Folgeerkrankung kann dann eine Depressionserkrankung sein.[4]


Risikofaktoren bei Ärzten und Pflegekräften

Zu viel Arbeit, Zeitdruck und Hektik, mangelnde Anerkennung, wenig Autonomie und eine schlechte Work-Life-Balance empfinden Pflegekräfte als belastend. Ärzte nennen als besondere Risikofaktoren die extrem hohe Arbeitsbelastung, die Müdigkeit als Folge von Überstunden und Schlafmangel.[1,2] Kommen persönliche Risikofaktoren hinzu, wie mangelnde Distanzierungsfähigkeit, Schwierigkeiten sich soziale Unterstützung insbesondere bei Kollegen zu holen, Resignationstendenz, mangelnde Lebenszufriedenheit und Gratifikationsungleichgewicht[6,7], besteht ein erhebliches Risiko, ein Burnout-Syndrom zu entwickeln und in der Folge möglicherweise an einer depressiven Episode zu erkranken (s. Abb.).

Mögliche Anlaufstellen

Erste Ansprechpartner sind die Hausärzte, um organische Ursachen auszuschließen und die weitere Differenzialdiagnostik sowie Behandlung zu planen. Im Falle einer depressiven Störung als Stress-Folgeerkrankung oder Folge von Konflikten am Arbeitsplatz wäre der nächste Weg die Überweisung zum ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten oder/und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Bei bestehender akuter Selbstgefährdung ist die Einweisung in eine psychiatrische Klinik dringend erforderlich. Konnte Suizidalität ausgeschlossen werden und müssen Zeiten bis zum ersten Gespräch beim weiterbehandelnden Arzt überbrückt werden, so sind hausärztliche, stützende beratende Gespräche wie beispielsweise im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung und eine antidepressive Medikation hilfreich. Auch die ärtzliche Empfehlung, sich als Betroffener an Krisentelefone oder an Beratungsstellen, die kurzfristige Termine ermöglichen, zu wenden, können Patienten entlasten.


Akutstationäre psychosomatische Behandlung

Zur Indikationsstellung für eine akutstationäre psychosomatische Krankenhausbehandlung bedarf es einiger wesentlicher Voraussetzungen. Die ausreichende Schwere der Erkrankung muss hierfür gegeben sein, das heißt in diesem Fall mindestens eine mittelgradige depressive Episode. Bei hinzukommender Verschlechterung der Symptomatik unter laufender Therapie oder aktueller krisenhafter Zuspitzung und der Notwendigkeit der Distanzierung aus der jeweiligen sozialen Situation, ist die psychosomatische Krankenhausbehandlung indiziert. Diese erfordert im privatärztlichen Bereich neben der Einweisung in der Regel eine vorherige Zustimmung der Krankenkasse, gegebenenfalls auch der Beihilfeversicherung. Die Aufgabe der psychosomatischen Akutbehandlung ist dementsprechend die Krisenintervention und Stabilisierung für die ambulante Therapie. Es handelt sich nicht um Rehabilitation, sondern um eine ku­rative Aufgabe. Wird das biopsychosoziale Krankheitsmodell neben Psychotherapie und körper­medizinischer Behandlung angewandt, kann bei gegebener Indikation auch die Psychopharmako­logie eine wichtige Rolle für die kurative Aufgabe spielen. Mithilfe eines multiprofessionellen Teams entsteht ein Mehrpersoneninteraktionsprozess. Innerhalb dieses Prozesses werden leitlinienbasiert und in Absprache mit dem Patienten sowie ambulanten Behandlern über verschiedene, methodische Ansätze die notwendigen therapeutischen Foci be­arbeitet. Von Anfang an wird im Rahmen eines Entlassmanagements auch der psychosoziale Empfangsraum des Patienten mit einbezogen und notwendige Maßnahmen frühzeitig eingeleitet.


In jedem Fall ist es wichtig, eventuelle Suizidalität abzuklären und offen anzusprechen.


Zurück in den Beruf

So ist beispielsweise nach einer längeren Krankheitsphase eine stufenweise Wiedereingliederung sinnvoll, deren Dauer sich an der Länge der vorausgegangenen Krankheitsphase und der Schwere der Erkrankung orientiert. Die Empfehlung wird mit dem Arbeitgeber sowie der Versicherung abgesprochen und geplant. Voraussetzung für eine Wiedereingliederung ist, dass am Ende der Maßnahme die vorherige Arbeits- oder Dienstfähigkeit wiederhergestellt ist. Wichtig ist, ein guter, zeitnaher Informationsfluss am Ende des stationären Aufenthaltes, um den vollstationär begonnenen Therapieprozess weiterzuführen.

Der Autor

Dr. med. Volker Reinken
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Ärztlicher Direktor Vincera Klinik Bad Waldsee

direktion.bad-waldsee@vincera-kliniken.de

[1] Reimer Ch et al., Psychiat Prax 2005; 32: 381–385
[2] Hüttemann M, Via Medici 2011
[3] Mäulen B, Dt. Ärzteblatt 2005; 102(1–2): A–32/B–24/C–22
[4] Ebert D et al., Psychiatrie systematisch 2016; Unimed
[5] Dilling H et al., Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD10 Kapitel V (F), Klinisch diagnostische Leitlinien, 3. Auflage 1999, Huber
[6] Schaarschmidt U et al., AVEM – Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster: Handanweisung, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage 2008, London: Pearson
[7] Hillert A et al., Burnout und chronischer beruflicher Stress, 2015, Hogrefe

Bildnachweis: privat

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