Obwohl die Fertilität bei Frauen im Alter ≥ 45 Jahre bereits stark reduziert ist, kann es nach ungeschütztem Verkehr zum Eintritt spontaner Schwangerschaften kommen. Daher ist eine adäquate Kontrazeption auch in dieser Lebensphase essenziell. Dieser Beitrag gibt einen Überblick.
Der Zeitspanne der Perimenopause umfasst mehrere Jahre und kann mit vielen Beschwerden einhergehen. Im Vordergrund stehen Zyklusstörungen (Oligo- und/oder Polymenorrhö) und ggf. vasomotorische Symptome. Die Diagnose „Perimenopause“ sollte bei gesunden, über 45-jährigen Frauen ohne Labortests gestellt werden [1].
Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zeigt: Auch Frauen über 40 brauchen zuverlässige Kontrazeption.
Obwohl die Fertilität bei Frauen im Alter ≥ 45 Jahre bereits stark reduziert ist, kann es nach ungeschütztem Verkehr zum Eintritt spontaner Schwangerschaften kommen, insbesondere Frauen, die in der Vergangenheit bereits schwanger waren bzw. Kinder geboren haben. Diese Schwangerschaften und Geburten sind aufgrund des bereits fortgeschrittenen maternalen Alters mit einem erhöhten Risiko für Mutter und Kind verbunden und sind nicht selten unerwünscht. So wurden im vergangenen Jahr in Deutschland in der Altersgruppe ≥ 40 Jahre mehr als 9 000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt [2] – ein Hinweis darauf, dass Frauen auch im Alter > 40 Jahre, die sexuell aktiv sind, eine effektive Kontrazeption benötigen, wenn keine Schwangerschaft erwünscht ist.
Kontrazeption im Alter ≥ 40 Jahre
In Deutschland befinden sich derzeit knapp 8 Millionen Frauen im Alter 40 bis 54 Jahre [3]. Viele dieser Frauen benötigen zumindest zeitweise effektive Kontrazeptiva (Abb. 1). Zu ihnen zählen hormonale (Kombinations- und Gestagen-Monopräparate) und nicht hormonale Methoden mit unterschiedlichen Applikationsformen sowie die Sterilisation der Frau oder ihres Partners, sofern die Familienplanung definitiv abgeschlossen ist. Die Kontrazeption mittels Barrieremethoden oder natürlicher Familienplanung ist mangels zuverlässiger kontrazeptiver Effektivität in der Abbildung nicht aufgeführt. Ungeachtet dessen wird die zusätzliche Verwendung von Kondomen zum Schutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen für alle Altersgruppen empfohlen, insbesondere bei häufig wechselnden Sexualpartnern.
Kombinierte Ovulationshemmer (KOH)
Zu den KOH zählen sämtliche hormonale Kontrazeptiva, die sowohl ein Estrogen als auch ein Gestagen enthalten (Abb. 1). Das Alter allein stellt keine Kontraindikation für die Anwendung von KOH dar, wie den WHO-MEC zu entnehmen ist [4].
Für sämtliche KOH wird für die Altersgruppe ≥ 40 Jahre angegeben, dass die Vorteile der Anwendung dieser Präparate im Allgemeinen die theoretischen oder nachgewiesenen Risiken überwiegen (Kategorie 2). Selbstverständlich müssen mögliche weitere Risikofaktoren der Patientin beachtet werden, bevor KOH verschrieben werden. Hierzu gehören z. B. Adipositas, unbehandelte Hypertonie, Rauchen, Diabetes, Thrombophilie oder der Z. n. vaskulären Ereignissen. Weist die Patientin mehrere Risikofaktoren auf, von denen jeder für sich genommen das Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung erheblich erhöht, sollten keine KOH angewendet werden (WHO-MEC).
Neben einer effektiven Kontrazeption besitzen KOH viele günstige Zusatzeffekte.
Neben einer effektiven Kontrazeption besitzen KOH viele günstige Zusatzeffekte, die gerade für Frauen in der Perimenopause vorteilhaft sein können [5]. Dazu gehören:
Den vielen günstigen Zusatzeffekten von KOH müssen die Risiken gegenübergestellt werden, die mit deren Anwendung verbunden sind. Im Vordergrund stehen hierbei die vaskulären Risiken, allen voran das venöse Thromboembolierisiko (VTE-Risiko), wobei sowohl die Art und Dosis der eingesetzten Sexualsteroide als auch die Disposition der Patientin von Bedeutung sind.
Es ist bekannt, dass das VTE-Risiko mit dem Alter zunimmt. Während junge, gesunde Frauen (20–24 Jahre) ohne die Anwendung von KOH ein jährliches Basis-VTE-Risiko von etwa 2/10 000 Frauenjahre aufweisen, so steigt dieses in der Altersgruppe 45–49 Jahre auf etwa 6/10 000 Frauenjahre an. Wenden die Frauen KOH an, so erhöht sich dieses Basisrisiko auf das etwa 3-Fache, wobei die absoluten Zahlen immer noch gering sind: VTE-Risiko 5 bzw. 21 pro 10 000 Frauenjahre für die Altersgruppen 20–24 bzw. 45–49 Jahre [6].
Seit Jahren arbeitet man daran, das vaskuläre Risiko der KOH zu reduzieren. So wurde die Dosis des
Ethinylestradiols in den Präparaten immer weiter reduziert und ferner das Ethinylestradiol durch sogenannte „bioidentische“ Estrogene (Estradiol, Estradiolvalerat bzw. Estetrol) ersetzt. Studien zeigen, dass diese Maßnahmen mit einer Reduktion des venösen und arteriellen Thromboembolierisikos verbunden sind, wenngleich das Risiko gegenüber Nichtanwenderinnen weiterhin erhöht ist [7-12].
Eine kürzlich publizierte Studie bestätigt diese Ergebnisse. Die Analyse der Meldungen aus nicht interventionellen Studien und Spontanmeldungen der EudraVigilance Database ergab, dass kombinierte hormonale Präparate mit E2, E2V oder E4 signifikant niedrigere Melderaten für venöse thrombotische Ereignisse im Vergleich zu kombinierten EE-Präparaten aufweisen [13] (Abb. 2).
Präparate mit E2, E2V oder E4 haben signifikant niedrigere Melderaten für venöse thrombotische Ereignisse.
Somit erscheinen gerade diese Präparate für die hormonale Kontrazeption in der Perimenopause besonders geeignet, in einer Lebensphase, in der das altersabhängige vaskuläre Basisrisiko im Vergleich zu jüngeren Frauen bereits leicht erhöht ist. Dennoch dürfen auch Kombinatiospräparate mit „natürlichen“ Estrogenen nicht bei Risikopatientinnen angewendet werden, z. B. bei Raucherinnen, sehr adipösen Frauen oder im Z. n. Thrombose.
Zu beachten ist, dass auch die Anwendung des kontrazeptiven Vaginalrings und des kontrazeptiven Pflasters mit einem erhöhten vaskulären Risiko verbunden ist.
Gestagen-Monopräparate
Zu den Gestagen-Monopräparaten zählen hormonale Kontrazeptiva, die lediglich ein Gestagen enthalten. Verschiedene Gestagene kommen zum Einsatz und es stehen unterschiedliche Applikationsformen zur Verfügung: oral, subkutan, intramuskulär, Implantat, intrauterin (Abb. 1).
Der große Vorteil der Präparate besteht darin, dass sie auch von Patientinnen mit Risikofaktoren angewendet werden können, so z. B. bei Adipositas, Raucherinnen, Thrombophilie oder Hypertonus. Einzige Ausnahme bilden hier die Depotpräparate (sogenannte „Dreimonatsspritzen“), die bekanntermaßen mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen und daher bei Risikopatientinnen nicht angewandt werden dürfen. Die Depotpräparate können mit einer starken ovariellen Suppression der Ovarialfunktion einhergehen, was einen Estrogenmangel zur Folge hat. Es sind infolge Knochendichteverluste beschrieben, die gerade für Patientinnen in der Perimenopause sehr ungünstig sind, da diese Frauen nach Absetzen der Depotpräparate diesen Verlust in der Postmenopause nicht mehr ausgleichen können und somit ein erhöhtes Osteoporoserisiko aufweisen.
Ein großer Nachteil fast aller Gestagen-Monopräparate ist eine gesteigerte Zwischenblutungsrate, insbesondere in den ersten Monaten der Anwendung. Hierüber müssen die Patientinnen vor Beginn der Anwendung aufgeklärt werden, damit sie die Präparate aufgrund dieser Blutungsstörungen nicht vorzeitig beenden und unerwünschte Schwangerschaften auftreten. Für die orale Applikation stehen 2 estrogenfreie Ovulationshemmer zur Verfügung: Desogestrel 75 µg tgl. (kontinuierliche Einnahme) und Drospirenon 4 mg (zyklische Einnahme 24/4). Bei Drospirenon zeigen sich im Vergleich zu Desogestrel initial weniger Zwischenblutungen und weniger überlange Blutungen. Nach 9 Monaten Anwendung berichten jedoch noch etwa 45 % der anwendenden Frauen unter beiden Präparaten über ungeplante Zwischenblutungen bzw. Spottings [14].
Levonorgestrel-Intrauterinsysteme (LNG-IUS)
Bei den LNG-IUS handelt es sich um die sogenannten Hormonspiralen. Sie werden intrauterin gelegt und geben kontinuierlich das Gestagen Levonorgestrel in das Cavum uteri ab. Lediglich ein sehr kleiner Teil des Hormons wird systemisch wirksam. Das LNG-IUS ist in 3 verschiedenen Dosierungen (13,5 mg, 19,5 mg bzw. 52 mg) verfügbar und gewährleistet eine effektive Kontrazeption für 3, 5 bzw. 8 Jahre. Das LNG-IUS 52 mg ist neben der effektiven Kontrazeption auch zur Behandlung der Hypermenorrhö zugelassen. Darüber hinaus bietet es einen Endometriumschutz im Rahmen einer Hormonersatztherapie (cave: in Deutschland off-label für diese Indikation).
Das LNG-IUS mit 52 mg ist neben der Kontrazeption auch zur Behandlung der Hypermenorrhö zugelassen.
Diese 3 Eigenschaften (effektive Kontrazeption, Therapie der Hypermenorrhö und Endometriumschutz) machen das LNG-IUS 52 mg zu einer sehr guten Option für die Anwendung bei Frauen im Alter > 40 Jahre, die eine Kontrazeption benötigen. Steht der Wunsch nach Kontrazeption im Vordergrund, so kann das Präparat für 8 Jahre in utero verbleiben. Bei zusätzlicher Indikation Hypermenorrhö verbleibt es so lange in situ, bis wieder inakzeptable Blutungen auftreten (Wechsel nach max. 8 Jahren). Wird das LNG-IUS 52 mg zusätzlich oder als alleinige Indikation zwecks Endometriumschutz benutzt (off-label in Deutschland), z. B. in Kombination mit Estradiol transdermal oder oral, so muss der Wechsel spätestens nach 5 Jahren der Anwendung erfolgen [15]. Wichtig zu wissen ist, dass die Präparate mit 13,5 bzw. 19,5 mg Levonorgestrel nach aktuellem Wissensstand nicht als Endometriumschutz verwendet werden können.
Kupfer-Intrauterinpessare (Cu-IUP)
Der große Vorteil der Kupferspiralen liegt darin, dass sie „hormonfrei“ sind und damit bei fast allen Patientinnen mit Risikofaktoren eingesetzt werden können. Allerdings führen die Cu-IUPs bei vielen Frauen zu stärkeren, schmerzhafteren und/oder längeren Blutungen, was gerade in der Perimenopause, in der Blutungsstörungen häufiger sind, ungünstig scheint. Die derzeit in der EU zugelassenen Präparate haben eine Liegedauer von bis zu 10 Jahren [16].
Die britischen Leitlinien befürworten für CU-IUPs mit einem Kupfergehalt von ≥ 300 mm2 sogar eine noch längere Liegedauer, sofern das Cu-IUP im Alter von ≥ 40 Jahren eingesetzt wurde. Es könne bis 1 bzw. 2 Jahre nach der Menopause in situ verbleiben, je nachdem, ob die Menopause im Alter < oder ≥ 50 Jahre eingetreten sei [15].
Wann kann die Kontrazeption beendet werden?
Es ist im Einzelfall sehr schwierig zu entscheiden, wann die Patientin die Kontrazeption beenden und auch sicher sein kann, dass keine unerwünschte Schwangerschaft mehr eintritt. Den britischen Leitlinien zufolge kann die Kontrazeption mit 55 Jahren spätestens beendet werden, da bei den meisten Frauen in diesem Alter „ein natürlicher Verlust der Fertilität angenommen werden kann“. Ein Algorithmus gibt eine Hilfestellung hinsichtlich der Anpassung der Kontrazeption in der Perimenopause (Tab. 1).
Hormonersatztherapie und Kontrazeption in der Perimenopause
Hormonersatzpräparate sind keine zugelassenen Kontrazeptiva. Daher sollten Frauen, die in der Perimenopause eine sequenzielle (zyklische) Hormonersatztherapie (HRT) anwenden, darauf hingewiesen werden, dass unter dieser Therapie keine Empfängnisverhütung besteht.
Frauen, die in der Perimenopause jedoch ein HRT-Präparat, das ein Gestagen in doppelter Ovulationshemmdosis enthält, kombiniert-kontinuierlich anwenden, können davon ausgehen, dass die Ovulation bei täglicher Einnahme der Tabletten zuverlässig gehemmt wird, wenngleich die Präparate für die Kontrazeption nicht zugelassen sind. Zu diesen Präparaten zählen:
Nimmt die Patientin eines dieser Präparate ein, so kombiniert sie gewissermaßen die Hormonersatztherapie mit einer Kontrazeption (für diese Indikation allerdings off-label). Frauen mit einem intrauterinen LNG-IUS 52 mg können im Falle von vasomotorischen Beschwerden in der Perimenopause zusätzlich bioidentische Estrogene (z. B. transdermal oder oral) anwenden und kombinieren somit ebenfalls eine Hormonersatztherapie mit einer effektiven Kontrazeption. Zu beachten ist hierbei, dass das LNG-IUS 52 mg alle 5 Jahre gewechselt werden muss, wenn es neben der Kontrazeption auch als Endometriumschutz genutzt wird (s. o., off-label in Deutschland).
Frauen, die in der Perimenopause jedoch mit einem oralen Gestagen-Monopräparat (Desogestrel oder Drospirenon) oder dem Gestagen-Implantat verhüten, können im Falle von vasomotorischen Beschwerden keine Estrogene kombinieren, da diese Präparate nicht für den Endometriumschutz zugelassen sind.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Inka Wiegratz
Kinderwunsch & Hormonzentrum
Frankfurt – Am Palmengarten
60487 Frankfurt