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Persönliche Skills

Professioneller Umgang mit anspruchsvollen Patientinnen

„Jetzt wird`s aber schwierig, oder?“

Theresia Wölker

„Die ist aber wirklich schwierig“. Diese Aussage über eine Patientin kennen Sie sicher auch von Ihren MFA. Nur was ist „eigentlich“ damit gemeint? Wir geben Tipps für den professionellen Umgang mit anspruchsvollen Patientinnen und verraten, wie man den Domino-Effekt schlechter Gefühle unterbricht.

Wenn etwas schwierig erscheint, kostet es Mühe und Anstrengung und ist – in diesem Fall für die MFA – nicht einfach zu bewältigen. Das gilt für das Bedienen neuer Geräte ebenso wie für den Umgang mit Menschen, die sich nicht der (ihrer?) Norm entsprechend verhalten. Bei einer ärztlichen Gesprächsrunde war kürzlich von dem „schrecklichen Dutzend Patienten“ die Rede, mit der jede Frauenarztpraxis konfrontiert würde.

Klar ist, dass tagtäglich Patientinnen bei uns erscheinen, die durchaus eine Herausforderung darstellen. Dabei kann aber die assoziative und wertende Begleitvorstellung des Wortes „schwierig“ die Situation unnötig erschweren, vor allem die emotionale, empathische Grundhaltung der Patientin gegenüber, die eigentlich gewünscht ist. Denn „schwierig“ ist das Wort, an dem wir uns manchmal festklammern, damit wir nicht versuchen müssen, zu sehen, was trotzdem möglich ist.

„Schwierig“ ist eine Situation immer dann, wenn sie bei uns negative Gefühle auslöst, also „Schwierigkeiten“ macht. Solche Beurteilungen sind abhängig vom jeweiligen Zustand der beteiligten Personen zu diesem Zeitpunkt. Dabei spielen scheinbare Kleinigkeiten eine wichtige Rolle für die eigene Befindlichkeit und die Interpretation der Lage. Die ersten Momente einer Begegnung sind immer kritisch. Erwartungen, Befürchtungen und Erfahrungen prägen Verhaltensweisen.

Betrachten wir das Beispiel einer neuen Patientin. Der neuen Patientin gehen möglichweise Gedanken durch den Kopf: Wird man Zeit für mich und mein Anliegen haben? Werde ich freundlich behandelt? Freundlichkeit und Diskretion sind wichtige Themen, aber auch Angst vor einer Untersuchung (Wird es wieder weh tun? Ist es vielleicht ein bösartiger Tumor?).

Während sich die Patientin womöglich fragt, ob die MFA nett sein werden oder so wenig einfühlsam wie in der letzten Praxis, gehen der Mitarbeiterin am Empfang eventuell ganz andere Gedanken durch den Kopf: Mein Gott, was heute wieder hier los ist! Ich habe genug Probleme (auch zu Hause) zu bewältigen. Da liegt der Gedanke „Die hat mir gerade noch gefehlt“ nicht mehr sehr fern.

Der wichtige Erstkontakt

Für den professionellen Empfang ist es notwendig, dass die Mitarbeiterinnen wissen, wie sie einen Erst- oder Wiederholungskontakt im Anmeldebereich aktiv gestalten, um nicht mental in die Ärgerfalle zu tappen und dem Urteil „schwierig“ zu viel Raum zu geben.

Man spricht vom ersten Eindruck, wenn wir jemandem zum ersten Mal begegnen und uns in Sekundenschnelle eine Meinung über ihn oder sie bilden. Das ist selten rational und geht vor allem auf sensorische Reize zurück. Bei der ersten Begegnung läuft ganz viel auf verschiedenen, vor allem unbewussten, Ebenen ab: Geruchssinn, Gestik und Mimik, aber auch die Stimme, die Sprachmelodie sowie das, was der andere sagt, beeinflusst unser Urteil. Blitzschnell wird Sympathie oder Antipathie empfunden und verändert damit die Situation entscheidend. Lassen wir dem „Kopfkino“ freien Lauf, wird die erste Schlussfolgerung schnell zur Gewissheit, die nur schwer zu revidieren ist.

„Oje, jetzt geht das schon wieder los“ reicht als destruktiver Gedanke aus. Es bleibt nur noch der Blick für das Unsympathische, „Schwierige“ und wird dann zu: kompliziert, mühsam, verzwickt, problematisch und unangenehm. Dann übersehen wir das Nette, weil es nicht ins Bild passt. Die Folge: die neue Patientin – gedanklich schon auf „schwierig“ abgescannt – wird zum Stressfaktor der MFA am Empfang. Mit der Folge, dass es schnell unprofessionell wird, die Mitarbeiterin selbst körperlich, kognitiv und offen Stresssymptome zeigt, die dann vice versa (wie ein Spiegel) ein angespanntes Verhalten der Patientin nach sich ziehen kann. Das wirklich Gefährliche an diesen Situationen ist, dass sie eskalieren, vor allem aber auch, dass sich ein gesteigerter Ärger- und Stresspegel beim Praxispersonal schnell in einer erhöhten Fehlerquote bemerkbar macht.

Ein außergewöhnliches Ereignis

Für die Patientin ist und bleibt der Termin in der Frauenarztpraxis ein „außergewöhnliches Ereignis“, mit zeitlich, örtlich und situativ begrenzten Erwartungen – abhängig von Bildern und Informationen (Praxishomepage, Flyer, Meinungen von Freundinnen etc.), von Erfahrungen und vom eigenen momentanen Zustand. Was für die Mitarbeiterin Alltag ist, ist für die Patientin etwas ganz Besonderes. Deshalb ist es notwendig, eher von „herausfordernden Situationen“ als von „schwierigen Patientinnen“ zu sprechen. Es geht mehr um die Verhaltensweisen der Menschen als um die Person selbst.

Dabei spielen die Gefühle, Empfindungen und Gedanken eine große Rolle. Sie kommen reflexartig – wie Abneigung oder Zuneigung – und nehmen ihren Raum ein. Die Kompetenz des geschulten Praxispersonals muss es sein, diese Emotionen wahrzunehmen und adäquat mit dem eigenen Reiz-Reaktion-Mechanismus umzugehen. Andere Faktoren, die es für die Patientin schwierig macht, sind u. a.

• Ängste und Befürchtungen,

• Enge,

• Lichtverhältnisse,

• furchteinflößende Instrumente und Geräte,

• Gerüche,

• Scham,

• Vorurteile sowie

• Reizworte und Killerphrasen.

Der typische Ärgerauslöser beim Praxisteam ist die Frage: „Wie lange dauert es noch?“ Jeder Mensch hat solche roten Knöpfe.

Jemand sagt etwas, und wir reagieren wie auf Knopfdruck. Im Englischen heißt das push-button-Reaction. Bestimmte Wörter und Begriffe lösen automatisch Widerstand hervor, wir reagieren auf ein bestimmtes Reizwort, z. B. „Sie müssen …“. Die direkte, negative Kommunikationsspirale beginnt daraufhin beim Gegenüber „Ich muss gar nichts“. Wörter, die negative Reaktionen auslösen und Konflikte befeuern, sind tragische Wörter. Kleine Zauberwörtchen dagegen (gerne, verstehe, selbstverständlich, prima) und eine freundliche Mimik lösen dagegen positive Assoziationen aus, entspannen die Atmosphäre und wirken deeskalierend.

Unsere Schatzkiste der Möglichkeiten

In einer schwierigen Praxissituation ist es die Aufgabe der MFA, in dieser besonderen Lage gekonnt zu navigieren, d. h. aktiv zu werden: nicht dem negativen Impuls (und Gedankenspiel) zu folgen, sondern „Problemlösungsorientiert“ zu handeln („Das tut mir leid, Frau XYZ, ich werde mich jetzt darum kümmern – wir finden eine Lösung“). Der Fokus liegt dabei im HIER und JETZT.

Um die eigene (negative) Emotionalität zu unterbrechen und den fürsorglichen Umgang mit sich selbst, ist körperliche Bewegung – wenn auch nur kurz – sehr hilfreich. Also, beim schwierigen Telefonat/Gespräch nicht sitzen bleiben, sondern aufstehen. Dabei lösen sich körperliche Anspannungen z. B. im Zwerchfell. Auch ein Schluck Wasser oder Tee (sollte am Arbeitsplatz griffbereit stehen) entspannt und löst die Kehle und verschafft eine günstige Minipause für beide Gesprächspartner.

Der gedankliche Perspektivenwechsel ist eine weitere Möglichkeit, die kritische Situation zu meistern. „Unmöglich, dieses Verhalten“ – dieser Gedankengang bremst uns eher. Die Aufgabe heißt: „Was ist jetzt wichtig?“ Darum hilft eher Mitempfinden und sich in den anderen hineinversetzen: Menschen, besonders Patienten, werden auch gereizt, unfreundlich, wütend, etwa weil sie sich machtlos und hilflos fühlen, oder weil sie hungrig und durstig sind, oder weil sie zurzeit in einer besonders problematischen Lebenssituation sind.

Das alles gilt natürlich nicht nur für Ihr Team, sondern auch für Sie als Praxisleitung. Der gekonnte Umgang mit schwierigen Situationen in der gynäkologischen Praxis und deren elegante Bewältigung ist eine erlernbare soziale Fähigkeit mit den notwendigen Kompetenzen. Sie fördern hilfreiche Interaktion und verständnisvolle Kommunikation, auch mit Ihren VIP-Patientinnen. Unverzichtbar dabei ist die Selbstfürsorge. Denn, nur wer gut für sich selbst sorgt, kann auch für andere da sein und in schwierigen Situationen gut agieren. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiterin also, indem Sie Ihre Erwartungen klar formulieren – aber auch empathisch mit der Situation der MFA umgehen. Diese grundsätzlichen Überlegungen (aus der Sicht des jeweils anderen) helfen, kritische Bemerkungen von allen Seiten nicht zu persönlich zu nehmen.

Hilfreiche Verhaltensweisen

1. Schwierige Situationen sind immer auch das Ergebnis der eigenen ­Bewertung. Überprüfen Sie bei sich und bei Ihren Mitarbeiterinnen: Wie sind meine Stimmungen im Umgang mit Patientinnen (positiv?) Wie sind meine Gedanken (hilfreich?) Beobachte ich mehr, (statt zu bewerten?)

2. Contenance ist Pflicht in einer niveauvollen Praxis. Dieser französische Höflichkeitsbegriff bringt es auf den Punkt: unbedingte Höflichkeit, auch wenn`s schwierig wird.

3. Präventive Kommunikation ist die beste Voraussetzung für eine ­gelingende Begegnung: ein frischer Willkommensgruß, offener Blickkontakt.

4. Freundliches Schweigen für einige Sekunden schafft innere Distanz und ist oft das klügste Verhalten bei großer Emotionalität, Wut oder Trauer.

5. Domino-Effekt: Was von mir ausgeht, kehrt zu mir selbst zurück ­(Positives wie Negatives). Also, auch das Ende bedenken, wenn man rasch aus der Haut fahren möchte.

6. Wie wirke ich auf andere? Was löse ich mit meinem Auftreten/­Verhalten bei Patientinnen aus? Hier hilft z. B. das offene Feedback im Teamgespräch bzw. im Mitarbeitergespräch, auch der kritische Blick in den Spiegel zeigt oft Trainingsbedarf in Bezug auf Mimik, ­Gestik und Körper­sprache.

7. Mehr Aufmerksamkeit/Achtsamkeit in kritischen Momenten und belastenden Lebenssituationen.

8. Positive Gefühle bei sich und anderen zu schaffen, ist eine Lebenskunst: Wie kann ich eine Situation/meinen Arbeitsplatz so gestalten, dass es mir (und anderen) gut geht?

9. Grundsätzliches Mitgefühl (Empathie) und Verständnis für die Reak­tionen kranker Menschen („Ich kann Ihren Ärger verstehen“) als menschen­freundliches Verhalten als Grundhaltung erleichtert den Umgang auch mit „schwierigen Mitmenschen“.

10. Killerphrasen und „Tragische Wörter“ aus dem Sprachschatz eliminieren. Stattdessen sich ein Vokabular an „magischen“, hilfreichen Wörtern aneignen. „Ich-Botschaften“ sind ein Teil davon.

11. Das Gespür für den „rechten Augenblick“: das kann ein kurzes Innehalten und ein Schweigemoment, eine Frage, ein Blick oder ein Lächeln für die Patientin sein.

12. Ruhe bewahren: wenn ich selbst ruhig bleibe, hilft das mir und ­meinem Gesprächspartner.

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

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