Substanzmissbrauch von Alkohol oder Cannabis beginnt oft im Jugendalter mit erstem Ausprobieren und Experimentieren. Das Suchtpotenzial ist allerdings hoch. Daher sollten frühe Anzeichen beachtet werden, um betroffene Jugendliche bestmöglich unterstützen zu können.
Das Suchtpotenzial der verschiedenen Substanzen sei sehr unterschiedlich, berichtete Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch (Winterthur/Schweiz). Schätzungen zufolge seien unter den Konsumierenden 15 % von Alkohol abhängig, beim Konsum von Cannabis seien 9 % betroffen.
Die Entwicklung einer Sucht beginne häufig in der Jugend mit erstem Ausprobieren und Experimentieren und durchlaufe mehrere Phasen unter Beteiligung verschiedener Hirnstrukturen, erklärte Bilke-Hentsch. Bei einem anfänglich meist mäßigen Konsum von Alkohol oder Cannabis sind milde Euphorie und Entspannung die vorrangig intendierten Wirkungen. Eine akute Intoxikation kann jedoch gravierende Auswirkungen haben. Dazu zählen bei Alkohol Enthemmung, aggressives Verhalten, Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit sowie Somnolenz bis zu Koma. Bei einer Cannabisintoxikation kann es unter anderem zu Angstzuständen und Halluzinationen kommen, auch eine Tachykardie kann auftreten. Im Verlauf können sich erhebliche psychische und körperliche Langzeitfolgen entwickeln, die irreversible Leistungsminderungen bis hin zu Psychosen umfassen können.
Anzeichen von Suchtverhalten beachten
Aktuell wird ein Abhängigkeitssyndrom durch folgende Kriterien definiert, von denen mindestens 3 in den vergangenen 12 Monaten erfüllt sein müssen:
Doch gerade bei Jugendlichen sei das Defizit in der Früherkennung gravierend, kritisierte Bilke-Hentsch. Ärzte und Ärztinnen sollten auf verschiedene Warnsignale achten: Mögliche Anzeichen von Abhängigkeit und Sucht sind Schlafstörungen und extreme Müdigkeit, Appetitstörungen und Gewichtsveränderungen, Vernachlässigung der Körperpflege, Beeinträchtigungen im Bewegungsablauf und unerklärliche gesundheitliche Probleme. Hellhörig sollte man auch werden, wenn Jugendliche oder die Eltern über psychische Veränderungen wie Stimmungsschwankungen, Leistungsveränderungen, zahlreiche kleine Fehler und häufige Missgeschicke, Konzentrationsstörungen und Gedächtnislücken, Interesselosigkeit oder Resignation berichten. Zu den sozialen Hinweisen zählen unter anderem die Vernachlässigung von Verpflichtungen, Unzuverlässigkeit, der plötzliche Wandel von Freundschaften und Rückzug.
Um die Früherkennung einer Sucht in der Praxis zu verbessern, empfahl Bilke-Hentsch, Anzeichen nicht zu bagatellisieren, aber gelassen zu bleiben und Aktionismus zu vermeiden. Akteure aus verschiedenen Bereichen sollten einbezogen und Verantwortlichkeiten gut abgestimmt werden, damit betroffene Jugendliche eine geeignete Unterstützung und Behandlung erhalten.
Consilium live „Alkohol und Cannabis bei Jugendlichen” (Veranstalter: InfectoPharm GmbH), Hamburg, Mai 2025