Bei seltenen Erkrankungen kann es bis zu fünf Jahre dauern, bis eine Diagnose gestellt ist. Die Basis einer möglichst schnellen Diagnose ist eine effektive Arzt-Patienten-Kommunikation. Diesem Thema widmete sich die Veranstaltung „Rare Voices Forum – Jede Stimme ist wichtig“ im Februar 2021, die die Swedish Orphan Biovitrum GmbH (Sobi) durchführte. Das Ziel war es, Betroffenen und Behandlern sowie Unterstützenden einen gemeinsamen Dialog zu ermöglichen. Ein gutes Therapieergebnis vieler Krankheiten ist auf genau diesen guten Dialog angewiesen, wie z. B. in der Therapie der Hämophilie. „Mit der Einführung der Faktorpräparate und der Möglichkeit zur Blutungsprophylaxe ist für eine Vielzahl von Menschen mit Hämophilie ein nahezu normales Leben möglich geworden“, erklärte Dr. Georg Goldmann, Oberarzt am Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Bonn. Auch hier ist eine gute Kommunikation die Basis einer erfolgreichen Therapie. Um die Therapie an die persönlichen Lebensumstände des Patienten anzupassen, muss der Patient in die Therapieentscheidung einbezogen werden. Digitale Lösungen (z. B. die App florio HAEMO) steigern zusätzlich die Lebensqualität der Betroffenen. Daten zu Blutungen, Wohlbefinden, Schmerzen oder Aktivitätslevel bzw. Trainingseinheiten können in den Apps erfasst werden. Auch der Medikamentenbestand kann abgefragt und der geschätzte aktuelle Faktorwert, basierend auf individuellen Pharmakokinetik-Daten des Patienten, errechnet werden. Der Arzt hat die Möglichkeit, die Daten in Echtzeit nachzuverfolgen, sich effizient auf das Arzt-Patienten-Gespräch vorzubereiten und die Therapie, wenn nötig, schnell anzupassen. Die neuen Therapien erlauben längere Infusionsintervalle, und die digitale Unterstützung gibt dem Patienten mehr Sicherheit und bietet mehr Lebensqualität, denn die App gibt jederzeit Auskunft über den Faktorlevel. „Ich fühle mich viel freier durch die Verwendung der App, weil ich meinen Alltag nicht mehr nach der Erkrankung richten muss. Es macht mir richtig Spaß, sie zu verwenden, weil sie zudem optisch sehr ansprechend und einfach zu bedienen ist“, berichtet eine Patientin.
Auch bei der Therapie der Immunthrombozytopenie (ITP) gibt es eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten, bei denen der Patient stark in der Entscheidung eingebunden werden sollte. Die individuellen Lebensumstände des Betroffenen spielen eine wichtige Rolle.
Deshalb sollten Ängste (z. B. vor Hirnblutungen), das Erleben einer Stigmatisierung in der Arbeit aufgrund von vermehrten Fehlzeiten oder der Wunsch nach Familiengründung offen kommuniziert werden. Um Patienten aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie haben, wurde die Selbsthilfegruppe www.itp-information.de ins Leben gerufen. Hier können sie sich informieren und mit anderen Betroffenen austauschen.
Ein weiteres Beispiel für den enormen Stellenwert einer guten Kommunikation ist das familiäre Mittelmeerfieber (FMF). „Die ausführliche Erfassung der Krankheitsgeschichte und eine detaillierte Familienanamnese sind das A und O bei der diagnostischen Abklärung des FMF“, erklärte PD Dr. Jürgen Rech, Oberarzt und Leiter der Spezialsprechstunde Autoinflammation in der Medizinischen Klinik 3 für Rheumatologie und Immunologie der Universitätsklinik Erlangen.
Bereits durch die Schilderung der Symptomatik sowie die Vorgeschichte des Patienten kann der erfahrene Facharzt oftmals bereits eine klinische Verdachtsdiagnose stellen. So kann schnell eine erste Therapieentscheidung getroffen werden. Um den Austausch mit anderen Betroffenen herzustellen, können sich die Patienten an Patientenorganisationen, z. B. FMF & AID Global Association (https://de.fmfandaid.org/), wenden.