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Allgemeinmedizin

Hämoglobinopathie

Beta-Thalassämie - genetisch bedingte Erkrankung mit variablem Verlauf

Dr. med. Silja Robling

17.11.2022

Die β-Thalassämie gehört zu der Gruppe der Hämoglobinopathien. Dies sind erbliche Erkrankungen, bei denen es durch pathogene Varianten in den Globingenen zu einer Bildung verminderter, fehlender oder funktionell veränderter Globinketten und folglich zu einer gestörten Hämoglobinbildung kommt.

 Besonders verbreitet ist die β -Thalassämie in Ländern, in denen die Malaria endemisch ist oder in der Vergangenheit war. Durch Migration ist die Erkrankung inzwischen jedoch weltweit anzutreffen. Die weltweite Prävalenz für eine Thalassämie-Anlageträgerschaft wird auf 5 % geschätzt.

Genetik und Pathogenese

Bei der β -Thalassämie ist durch pathogene Varianten im HBB-Gen die β -Globinsynthese vermindert oder gar nicht mehr möglich. Durch die folgliche Imbalance zwischen den α- und β-Globinketten kann kein oder nicht genügend HbA (bestehend aus zwei α- und zwei β -Globinketten) gebildet werden. Die Erkran­kung kann nach Schweregraden eingeteilt werden: Traditionell sprach man von der Thalas­saemia minor, Thalassaemia intermedia oder ­Thalassaemia major, heute werden immer häufiger die Begriffe nicht transfusionspflichtige Thalas­sämie (Thalassaemia intermedia) und transfusionspflichtige Thalassämie (Thalassaemia major) verwendet.

In der Genetik wird zwischen β0-Varianten (führt dazu, dass kein β -Globin gebildet werden kann) und β+-Varianten (β -Globinexpression möglich, es kommt insgesamt aber zu einer verminderten β -Globinbildung) unterschieden. Schweregrad und Verlauf der Erkrankung werden maßgeblich durch die Art der genetischen Variante bestimmt. Auch kann das gleichzeitige Vorliegen weiterer Hämoglobinopathien (z. B. α-Thalassämie, Sichelzell-Variante) das klinische Bild erheblich beeinflussen.

Die schwere Form der β -Thalassämie ist autosomal rezessiv erblich. Die Thalassaemia minor und manche Formen der Thalassaemia intermedia werden autosomal dominant vererbt.

Symptomatik

Die β -Thalassämia major bzw. intermedia manifestiert sich in den ersten Lebensjahren durch eine schwerere, häufig auch transfusionspflichtige Anämie. Es kommt zu einer extramedullären Hämatopoese mit entsprechenden Komplikationen sowie zu einer Eisenüberladung. Insgesamt ist die Erkrankung sehr variabel. Als Thalassämia intermedia werden klinisch weniger schwere Verlaufsformen bezeichnet, die Patienten benötigen keine regelmäßigen Bluttransfusionen.

Heterozygote Anlageträger haben klinisch typischerweise eine β -Thalassämia minor, die sich durch eine Mikrozytose und häufig auch eine milde Anämie auszeichnet.

Familienberatung und Diagnostik

Der V. a. eine Anlageträgerschaft für die β -Thalassämie kann durch eine Blutbilduntersuchung und eine Hb-Elektrophorese gestellt werden (HbA-Anteil vermindert, HbA2- und ggf. HbF-Anteil kompensatorisch erhöht). Deren Aussagekraft kann jedoch z. B. durch das gleichzeitige Vorliegen anderer Hämoglobinopathien, aber auch durch zahlreiche weitere Störfaktoren eingeschränkt sein. Für die Diagnosesicherung ist die genetische Untersuchung essenziell.

Sind beide Eltern Anlageträger einer Hämoglobinopathie, so steigt die Wahrscheinlichkeit für schwer betroffene Kinder. Aufgrund des autosomal rezessiven Erbgangs beträgt bei heterozygoter Anlageträgerschaft beider Eltern die Wahrscheinlichkeit für Nachkommen mit schwerer β -Thalassämie 25 %. Bei ­Kinderwunsch sollte daher eine genetische Beratung und Testung des Partners auf Anlageträgerschaft erfolgen. Dadurch kann das Risiko für Nachkommen, schwer zu erkranken, präzise eingeschätzt werden. Bei Anlageträgerschaft beider Eltern kann eine pränatale Diagnostik oder eine Präimplantationsdiagnostik angeboten werden.

Therapie

Therapeutisch sind bei einer schweren Thalassämie regelmäßige Transfusionen notwendig. Es können weitere symptomatische Therapieansätze (z. B. Therapie mit Eisenchelatoren) erwogen werden. Als kura­tive Option, jedoch mit hohen Risiken behaftet, steht die allogene Stammzelltransplantation zur Verfügung. Neuere Therapieansätze sind z. B. der Einsatz von ­Luspatercept, das bei transfusions­pflichtiger β -Thalassämie die Reifung funktionstüchtiger Erythrozyten verbessern kann. Im Zuge von Studien werden darüber hinaus die autologe Stammzelltransplantation nach viraler Transduktion eines funktionstüchtigen HBB-Gens in autologe hämatopoetische Stammzellen und Gene-­editing-Ansätze (Modifikation endogener DNA) untersucht.

Die Autorin

Dr. med. Silja Robling
Fachärztin für Humangenetik
und Innere Medizin
MGZ – Medizinisch Genetisches
Zentrum München

silja.robling@mgz-muenchen.de

Literatur bei der Autorin

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