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Dermatologie

Wanderurlaub

Von physikalischen Schäden, Pyodermien, Pilzinfektionen & Co

Dr. med. Viktor A. Czaika

6.6.2025

Nach dem Motto „Passagen zum Himmel und zur Hölle bucht man im selben Reisebüro” (Upton Beall Sinclair, 1878–1968) sollen in einer mehrteiligen Serie auf Reisen erworbene Hauterkrankungen vorgestellt werden, mit deren Behandlung Hausärzte und -ärztinnen konfrontiert werden. Im dritten Teil: Wandern im In- und Ausland.

„Der Weg ist das Ziel“, die genaue Herkunft dieser Lebensweisheit, obschon dem chinesischen Philosophen Konfuzius zugeschrieben, ist ungeklärt. Wanderurlaube und die damit verbundenen Naturerlebnisse stehen voll im Trend, ob im In- oder Ausland, ob allein oder in Gesellschaft. Organisierte Wanderreisen können in allen Reisebüros für alle Altersklassen gebucht werden. Aber auch hier gibt es Risiken. Neben Erschöpfung, Hitzschlag oder ­folgenschweren Stürzen sind es vor allem Haut­erkrankungen, die die Wanderfreude trüben bzw. als ungewolltes Reisesouvenir zur Last fallen können. Physikalische Schäden, Pyodermien, Pilzinfektionen und Parasitosen sind hier in erster Linie zu nennen. Ungeeignetes Schuhwerk, Extrembelastungen, prädisponierende Grunderkrankungen und die Qualität der Unterkünfte stellen die entscheidenden Risiken für Wanderurlaubende dar.

Fall 1 – Tinea pedis bei diabetischer Prädisposition

Der 43-jährige Berufsschullehrer ist ein begeisterter Wandersportler, schon seit Jahren zieht es ihn im Urlaub ins Allgäu, wo er intensive Bergwanderungen absolviert. Seit 2 Jahren ist ein derzeit tablettengeführter Diabetes mellitus bekannt. Nach der diesjährigen Urlaubsreise stellt er sich nun mit verschiedenen „Fußproblemen“ vor.

Befund: Die Zehenzwischenräume beider Füße zeigen Schuppung und Mazeration (Abb. 1), am prominenten Dig. II findet sich eine gelbliche Hyperkeratose (Abb. 2) und plantar ist innenseitig eine teils hämorrhagisch fingierte Rötung (Abb. 3) erkennbar.

Mykologische Untersuchung: Hautspäne von interdigital und plantar: Pilzelemente in der KOH-Mikro­skopie. In der Kultur Epidermophyton floccosum.

Therapie und Verlauf

In Korrelation von klinischem Befund und Anamnese ließen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit 3 Diagno­sen vermuten: 1. Tinea pedis, 2. mechani­sche Epidermo­lyse und 3. beginnendes Malum ­perforans bei diabetischem Fuß vom neuropathischen Typ. Die interdigitale Tinea pedis wurde schließlich mykologisch gesichert, es gelang der Nachweis von Epidermophyton floccosum. Auch im Bereich der mechanischen Läsion waren Pilze nachweisbar. Durch chronischen Druck auf den Dig. II kam es bei vermutlich diabetogen geminderter Schmerzwahrnehmung zu der chronisch-trophischen Störung. Die chronische mechanische ­Belastung durch das Extremwandern hatte allen genannten Krankheitsentitäten Vorschub geleistet.

Pilzerreger kann man sich vor allem in öffentlichen Bädern, Duschen, Schwimmbädern oder Saunen aquirieren. Der Diabetes mellitus stellt eine nachweisliche Prädisposition für Dermatophytosen dar. Die mechanische Läsion der Fußsohle bietet sich als weitere Eintrittspforte an. Die chronische Belastung mit dem hauptsächlichen Druck auf den langen Dig. II führte zur Minderdurchblutung an der Endphalanx.

Noch vor Erhalt der Befunde wurde dem Patienten eine Lokaltherapie mit der Fixkombination Flupredniden/Miconazol in zweimal täglicher Anwendung über einen Zeitraum von 2 Wochen verordnet. Ferner wurde der Wechsel auf vorfußentlastendes Schuhwerk mit ausreichendem Zehenraum empfohlen. Nicht selten favorisieren gerade Läufer engere Sportschuhe für einen „besseren Halt“. Von Extrembelastungen wie bislang wurde dem Patienten ­abgeraten.

Fall 2 – gramnegativer Fuß

Während eines rucksacktouristischen Wanderurlaubes im Hochsommer hätten sich bei dem 29-jährigen IT-Spezialisten teils juckende, teils brennende Hautveränderungen im beidseitigen Vorfußbereich entwickelt. Auf Nachfrage wird bestätigt, dass gerade die Füße wegen häufigen Regens oft feucht gewesen seien. Seiner Partnerin sei auch ein zunehmend unangenehmer Geruch der Füße aufgefallen.

Befund: Die lateralen Zehenzwischenräume beider Füße sind mazeriert und zeigen einen schmierigen Belag mit faulig-fruchtigem Fötor (Abb. 4).

Mykologisches Labor: Kein Nachweis von Dermatophyten oder Hefen in Hautgeschabsel bzw. im ­Abstrichmaterial.

Bakteriologisches Labor: reichlich Pseudomonas aeruginosa (+++).

Therapie und Verlauf

Die schuppenden Läsionen im Bereich der Zehenzwischenräume konnten bei flüchtiger Betrachtung an eine chronische interdigitale Tinea denken lassen. Allein der schmierig mazerierte Aspekt, der faulig-fruchtige Fötor und die stark juckend brennende Symptomatik wiesen eher auf einen gramnegativen Fußinfekt hin. Typisch ist auch die „blätterteigartige“ groblamelläre epidermale Abschuppung. Schließlich konnte auch der Erregernachweis im Abstrich erbracht werden.

Es handelt sich um eine typische Dermatose der Füße, wenn längere Zeit ein okklusiv-feuchtes ­humides Milieu bestand, in dem die gramnegativen Erreger am besten gedeihen. Nicht von ungefähr wird der „Pyocyaneus“ auch als „Pfützenkeim“ bezeichnet, er bildet ferner ein blaugrünes Pigment. Vom gramnegativen Fuß (Abb. 5) sind oft Berg­arbeiter, Soldaten oder Obdachlose betroffen.

Der Pfützenkeim findet sich auch im feuchten Erdreich und kann daher problemlos auf der „Wanderschaft“ erworben werden. Schaffung eines luftigen trockenen Milieus für die Füße, antiseptische Umschläge oder Fußbäder und ein potentes Klasse-II- oder Klasse-III-Steroid wie Betamethason oder ­Mometason lassen die entzündlichen Läsionen sehr rasch abklingen. Empfohlen sind luftiges Schuhwerk und das Tragen von saugfähigen Socken.

Im vorliegenden Fall hatte das Wandern mit chronisch-durchfeuchteten Füßen bei warmer Umgebungstemperatur gute Bedingungen für die Entwicklung der Dermatose geschaffen.

Weitere Fußprobleme auf Wanderreisen

Chronische Fußbelastung kann auch die Entwicklung von Ganglionzysten (zystischer Pseudotumor im Bereich einer Gelenkkapsel oder Sehnenscheide) fördern (Abb. 6). Häufiger entstehen sie aber im Bereich der dorsalseitigen Hände und Handgelenke.

Besonders bei jugendlichen Sporttreibenden und bei okklusivem Schuhwerk tritt das Keratoma sulcatum (Synonym „pitted keratlyses“) auf, eine weltweit ­verbreitete, bakterielle, nicht entzündliche Infektion der Fußsohle mit Verquellung der Hornschicht und flachen, grübchenförmigen Defekten der Hornhaut. Ursächlich sind Korynebakterien (Abb. 7).

Meiden okklusiven Schuhwerks, antiseptische oder antibiotische Lösungen oder Cremes sowie Leitungswasseriontophorese können helfen. Da Korynebakterien grampositiv sind, wäre auch die topische ­Fixkombination Flupredniden/Miconazol hilfreich.

Eine lange Einwirkung feuchter Kälte kann den Immersionsfuß (Synonym „Fußbrand“, „Nässefuß“) verursachen. Periphere Nerven und das Gefäß­system sind für gewöhnlich geschädigt. Muskel- und Hautgewebe können in schweren Fällen verletzt sein. Zu enges Schuhwerk und chronisch kühle, feuchte ­Umgebungsbedingungen führen zu Atrophie und Durchblutungsminderung, was die Infektionsgefahr erhöht. Typisch ist eine Symptomatik von Waschhaut, Fußschwellung, Taubheit, geringem Schmerz und Nekrosebildung (Abb. 8).

Prävention durch Meiden okklusiven Schuhwerks, Trockenhalten und häufiges „Lüften“ des Fußes sind ratsam.

Fall 3 – Bettwanzen

Nach Rückkehr von einem Wanderurlaub mit Freunden in Schweden hatte der 24-jährige Lehramts­student juckend-brennende entzündliche Hauterscheinungen bemerkt. Sie hätten in Zelten, aber auch mehrfach in Bauernhäusern übernachtet. ­Zuletzt sei er auch einmal mit einer Katze in Streichelkontakt geraten. Er selbst vermutet Mückenstiche.

Befund: Die urtikariell anmutenden Läsionen finden sich an den Armen, Beinen, aber auch am Rumpf und am Hals (Abb. 9, 10). Auffällig ist die teils ­line­are Konfiguration. Dermatoskopisch sind teils zen­trale Hämorrhagien nachweisbar. Es bestehen keine Systemzeichen wie Fieber oder reduzierter ­Allgemeinzustand.

Therapie und Verlauf

Die juckenden, urtikariellen, regellos verteilten Plaques mit zentraler Hämorrhagie an den frei getragenen Hautarealen zwangen blickdiagnostisch zur Annahme einer Iktusreaktion (Stichreaktion). Im ­Zusammenhang mit der Reiseanamnese kamen Mücken, Flöhe, Bettwanzen und entfernt auch eine Raupendermatitis infrage. Tatsächlich ist das Wanderrevier Nordschwedens reich an verschiedensten Stechmückenarten, allerdings wären schon Stiche während der gesamten Reise typisch gewesen und Mückenstiche sind selten linear. Flohstiche waren denkbar, denn tatsächlich war es im zeitlichen Zusammenhang auch einmal zu Katzenstreichelkontakt gekommen. Flohstiche sind ebenfalls konfiguriert, allerdings stechen sie eher in Dreiecksform („Flohleiter“) und oft sind die Läsionen auch stärker hämorrhagisch tingiert. Und schließlich hatte man auch keine Flöhe an der Katze bemerkt.

Die wahrscheinlichste Diagnose war die Cimikose, also der Angriff durch Bettwanzen. Riskant ist hier nicht das Wandern selbst, sondern die Übernachtung in den Wanderhütten. Derzeit betrifft dieses Problem zunehmend vor allem die Berghütten in den Hochgebirgen der Schweiz und Österreichs. Mitgebracht werden die Wanzen von den Opfern selbst, den Ski- und Sommer-Wandernden. Die Wanzen kriechen in Wäsche, Schlafsack oder Rucksack und lassen sich bequem bis zum nächsten Etappenziel mitnehmen, wo sie sich erneut in das „gemachte Bett“ setzen. Auf viel begangenen Mehrtagestouren sind deshalb häufig gleich mehrere Quartiere betroffen („Wanzenstaffellauf“). Cimex lectularius lebt in Bettnähe ­(meistens nicht im Bett selbst!) in Möbelritzen, hinter Tapeten, Vorhängen usw. Erst nachts rücken die  ­lichtscheuen Anthropoden zum Blutsaugen aus, sie werden von der Körperwärme und dem CO2-Ausstoß ihrer menschlichen Opfer angelockt.

Charakteristisch ist, dass die nicht textilbedeckten Körperstellen betroffen sind, also Arme, Beine und Hals, wie im vorliegenden Fall. Die lineare Konfiguration ist das Ergebnis der Abfolge von Probierstichen bis die Vene gefunden wird und der finale Saugstich gelingt. Oft ist es auch so, dass von mehreren Schlafenden nur einer „ausgesucht“ wird. Ein Charakteristikum des Wanzenstiches ist die Latenz der Reaktion über 3 bis 5 Tage. Wanzen, Flöhe und Mücken saugen nicht nur Blut, sondern in Vorbereitung dessen „injizieren“ sie mit ihren Stechrüsseln auch einen ganzen „Cocktail“ von biogenen Proteinen in die Haut. Diese wirken teils gerinnungshemmend, was die hämorrhagische Komponente erklärt. Zudem sorgen lokalanästhetisch wirkende Proteine dafür, dass der Juckreiz erst eintritt, wenn die Anthropoden sich bereits wieder zurückgezogen haben. Und schließlich bewirkt die allergene Wirkung eine individuell ganz unterschiedliche Iktusreaktion. In selteneren Fällen kann es auch zu Systemreaktionen mit Fieber und Unwohlsein oder sogar zu anaphylaktischen Komplikationen kommen. Bei Wanzenstichen finden sich vergleichsweise diskretere Hämorrhagien. Da sich die Wanzen wieder in ihre Verstecke zurückziehen, bedarf es einer ausschließlich antiinflammatorischen Therapie. Im vorliegenden Fall wurde eine externe steroidale Behandlung mit Mometason-Creme zweimal täglich im Wechsel mit einer Zinkoxid-Creme durchgeführt. Anfänglich wurde zusätzlich antipruritisch mit Ebastin 20 mg 1-0-0/d p. o. therapiert. Ebastin durchdringt nicht die Blut-Hirn-Schranke und hat daher keine sedierende Effekte wie andere Antihistaminika.

Wanzenbefall nimmt zu, bei fehlender Meldepflicht gibt es allerdings kaum belastbare statistische Daten. Auch ins eigene Heim können Wanzen über den Kauf alter Möbel, gebrauchter Matratzen oder aber auch über eigenes (Wander-)Reisegepäck eingeschleppt werden. Wanzenbefall in der Häuslichkeit ist anhand bestimmter Hinweise zu ermitteln: Dazu zählen Blutspuren und Kotspuren (dunkle Punkte), Häutungshüllen und klebrige weiße Eier in der Tapete, auf Fußböden oder in den Matratzen. Bei massiver Präsenz kann sich ein marzipanartiger Geruch entwickeln. Die Entwesung ist Aufgabe des „Kammerjägers“, der vorzugsweise mit Raumerhitzung über 55 °C die Wanzen vernichtet. Zusätzlich werden Wanzennester abgesaugt, mit Insektiziden besprüht oder mit CO2 und Stickstoff begast. Die Wanzen können 2 bis 3 Monate ohne Nahrung überleben. Auf Reisen sollten Koffer und Taschen geschlossen bleiben, die Unterkunft sollte hinsichtlich der oben genannten „Wanzenzeichen“ überprüft werden. Der Haus- oder Hüttenwart sollte informiert werden und man sollte dabei sachlich bleiben. Wanzen können grundsätzlich die Chagas-Krankheit, eine potenziell letale Parasitose durch Trypanosoma cruzi, übertragen, doch noch gibt es hierzulande keinen Nachweis für eine derartige, durch Bettwanzen übertragene Infektion.

Der Autor

Dr. med. Viktor Alexander Czaika
Facharzt für Dermatologie,
Venerologie und Innere Medizin
12439 Berlin

viktor.czaika@gmx.de

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Bildnachweis: bymuratdeniz (gettyimages); Dr. med. Viktor A. Czaika (Berlin); privat

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