- Anzeige -
Recht

Wann besteht Pflicht zur Aufklärung?

Zweitmeinung und Behandlungsfehler

Pia Nicklas

16.12.2022

Stellt sich ein Patient vor, um eine Zweitmeinung einzuholen, kann es vorkommen, dass man die Meinung des Kollegen nicht teilt oder sogar einen Behandlungsfehler erkennt. Wie verhält man sich in diesem Fall dem Patienten gegenüber? Und welche gesetzlichen Vorschriften existieren an dieser Stelle?

Kommt ein Patient mit bestimmten Beschwerden in die Klinik oder Praxis, kann es vorkommen, dass er sich bereits bei einem Kollegen vorgestellt hat. Denn innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung haben Versicherte den Anspruch auf freie Arztwahl. Insofern hat jeder Patient jederzeit die Möglichkeit, einen weiteren Mediziner zu Rate zu ziehen. Darüber hinaus gibt es bei bestimmten, nicht eiligen Operationen ein spezielles Zweitmeinungsverfahren, welches für folgende Operationen gilt:

  • Gebärmutterentfernung
  • Mandeloperation
  • Schulterarthroskopie
  • Kniegelenkersatz
  • Amputation beim diabetischen Fußsyndrom
  • Operationen an der Wirbelsäule


Hier ist der Eingriff derart weitreichend, dass Sie als Arzt den Patienten auf das Recht hinweisen müssen, kostenlos eine Zweitmeinung bei einem anderen Spezialisten einholen zu können.  


Wenn der Kollege anderer Meinung ist

Hat man nun einen Patienten vor sich, der eine Zweitmeinung wünscht, sollte man immer versuchen, sich eine neutrale Meinung zu bilden. In erster Linie geht es schließlich darum, dem Patienten zu helfen. Selbst, wenn man eine andere Meinung vertritt als der Kollege, muss dies nicht unbedingt bedeuten, dass dieser falsch liegt.


Eine zentrale Rolle spielt die Kommunikation mit dem Patienten. Oftmals ist es so, dass Patienten – je nach Empfinden – ihre Beschwerden auf unterschiedliche Weise schildern. So sind es einmal die Bauchschmerzen, die in den Rücken ausstrahlen, ein anderes Mal dagegen die Rückenschmerzen, die in den Bauch ausstrahlen. Anders zu handhaben ist die Situation natürlich dann, wenn schwerwiegende Behandlungsfehler entdeckt werden. Wie man sich in der jeweiligen Situation professionell verhält, soll im Folgenden erläutert werden. Die Berufsordnung für Ärzte (BO-Ä) sowie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geben hier wichtige Hinweise (> Medizinrecht).


Was regelt die Berufsordnung?

Die Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte legt bestimmte Berufspflichten fest, unter anderem Regeln zur Berufsausübung. Der § 29 BO-Ä regelt, wie die kollegiale Zusammenarbeit im Idealfall aussehen sollte:

§ 29 Kollegiale Zusammenarbeit

(4) In Gegenwart von Patientinnen und Patienten oder anderen Personen sind „Beanstandungen der ärztlichen Tätigkeit“ und „zurechtweisende Belehrungen“ zu unterlassen. Das gilt auch im Verhältnis von Vorgesetzten und Mitarbeitern und für den Dienst in den Krankenhäusern.


Doch was bedeutet diese Regelung im Detail? ­Verstoße ich gegen die Berufsordnung, sobald ich einem Patienten mitteile, dass ich anderer Meinung bin als mein Kollege? Dies ist definitiv nicht der Fall.

Die Norm legt lediglich fest, dass Beanstandungen der ärztlichen Tätigkeit eines Kollegen sowie zurechtweisende Belehrungen zu unterlassen sind. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass man in Gegenwart eines Patienten nicht kundtun darf, dass man anderer Meinung ist. Es geht lediglich darum, auf welche Weise dies geschieht. Neutralität ist an dieser Stelle das richtige Stichwort. Wertungen jeglicher Art, die die ärztliche Tätigkeit eines Kollegen betreffen, sind gegenüber Patienten absolut tabu.

Bei einem Verstoß gegen die Berufsordnung können berufsrechtliche Maßnahmen drohen, beispielsweise die Verhängung eines Bußgeldes. Voraussetzung ist jedoch immer, dass der Ärztekammer ein mutmaßliches Fehlverhalten angezeigt wird, z. B. wegen unkollegialen Verhaltens. Denn auf eigene Faust ermittelt die Kammer nicht.


Was ist bei einem Behandlungsfehler zu tun?

Wie man sich verhalten sollte, wenn ein echter ­Behandlungsfehler vorliegt, schreibt § 630c II 2 BGB vor:

§ 630c II 2 BGB

(2) […] Sind für den Behandelnden Umstände ­erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheit­licher Gefahren zu informieren.

Hier stellt sich erst einmal die Frage, wann ein Behandlungsfehler überhaupt vorliegt? Ein Behandlungsfehler ist dann gegeben, wenn eine medizinische Behandlung nicht nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgt ist. Medizinischer Standard ist, was in dem jeweiligen medizinischen Fachgebiet dem gesicherten Stand der Wissenschaft entspricht. Kein Behandlungsfehler ist der reine Aufklärungsfehler.


Wenn es sich tatsächlich um einen Behandlungsfehler handeln sollte, stellt sich die Frage, ob man als Arzt dazu verpflichtet ist, den Patienten hierüber aufzuklären. Dies ist nicht zwangsläufig der Fall. Eine Aufklärung muss nur auf ausdrückliche Nachfrage des Patienten vorgenommen werden oder dann, wenn dem Patienten eine gesundheitliche Gefahr droht, sofern er nicht informiert wird.

In ­allen anderen Fällen besteht keine Pflicht zur Aufklärung.

Die Autorin

Pia Nicklas
Wirtschaftsjuristin
Juristische Texterstellung
und Textredaktion
90766 Fürth

info@recht-klartext.de

Bildnachweis: privat

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt