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Praxisorganisation

Umgang mit Patientinnen und dem Praxisteam

Stolpersteine in der Kommunikation erkennen und umgehen

Theresia Wölker

Besonders unter hoher Belastung können Begegnungen auch mal ins Leere laufen. Ein ausgesandtes Signal wird nicht wahrgenommen oder ein Wort missverstanden. Dieser Beitrag beleuchtet noch einmal die Kunst der gelingenden Kommunikation.

Die tägliche Kommunikation mit Patientinnen bereitet uns manchmal offensichtliches Unbehagen. Gerade bei gelegentlichen Begegnungen ist es die Unwissenheit über das Gegenüber, die uns hilflos macht. Fast niemals kommt man so ganz dazu, herauszufinden, wie und warum oder aus welchem Geistes- und Lebenszustand heraus ein Gespräch gelingt oder eben ins Stolpern gerät.

Besonders unter hoher Arbeits- bzw. persönlicher Belastung können Begegnungen gelingen oder auch ins Leere laufen. „Man soll die Zunge hüten“, so sagte man früher. Aber da im Patientinnen-Gespräch Worte unverzichtbar sind, ist das Training von ­„magic words“ und hilfreichen Redewendungen einfach die Grundlage langfristiger Patientenbindung.

Kommunikation ist eine Gratwanderung, manchmal vielleicht sogar ein Minenfeld. Jean-Paul Sartre sagte dazu: „Worte sind geladene Pistolen.“ Deshalb tut man gut daran, den eigenen Wortschatz zu pflegen und die präventive Kommunikation zu kultivieren, die zu einem harmonischen Gespräch einfach dazu gehört.

Abbildung Zitat

Die No-Gos der Kommunikation

Werfen wir zunächst einen Blick auf die No-Gos. Hier gibt es Unmengen von „klassischen“ Beispielen, was man alles falsch machen kann, und es fängt mit Fehlern bei der persönlichen Ansprache an. Der Satz „Wie war noch gleich Ihr Name?“ darf nie fallen und es sollte weder Ihnen noch dem Praxisteam passieren, dass der Name einer Patientin falsch ausgesprochen oder verwechselt wird. Jeder hört gerne seinen eigenen, richtig ausgesprochenen Namen, denn er ist Teil der persönlichen Identität. Und das Aufrufen der Patientin – gleich ob durch Sie oder eine MFA – sollte nie ohne den Zusatz „Bitte“ zu hören sein.

Auch auf der anderen Seite ist der Name wichtig. Die Selbstvorstellung ist natürlich bei bekannten Patientinnen überflüssig, sollte bei neuen Patientinnen aber nicht vergessen werden. Und das gilt genauso für die MFA. Wenn sie eine Untersuchung durchführt – etwa Blut abnimmt – sollte sie sich auf jeden Fall auch persönlich vorstellen. Zur offenen Kommunikation zählen auch (lesbare) Namensschilder und der Aushang eines Organigramms im wiedererkennbaren Erscheinungsbild (Corporate Identity) der Facharztpraxis.

Die nächste Kommunikationsfalle ist das Benutzen von Killerphrasen wie:

• Da hätten Sie früher kommen müssen.
• Das kann ich Ihnen nicht sagen.
• Da haben Sie mich falsch verstanden.
• Das geht heute nicht.

Die Killerphrase ist ein direkter Angriff auf den ­Gesprächspartner. Solche verbalen Attacken bringen die Patientin (und jeden anderen auch) in die Defensive und verstärken unangenehme Emotionen. Besser ist es, sogenannte „ICH-Botschaften“ zu geben. Statt „Da haben Sie mich falsch verstanden“ besser: „Ich befürchte, da habe ich mich undeutlich ausgedrückt.“

Ein weiteres No-Go ist der Verlust der Impulskon­trolle. Auch wenn eine Patientin ungeduldig, ärgerlich oder gar frech auftritt, sollten Sie „gute Manieren“ und Contenance nicht vergessen. Es sind Eigenschaften, deren Folge eine eher gelassene, rücksichtsvolle Verhaltensweise ist, die eine unschöne Situation zu entkrampfen versucht statt sie zusätzlich anzuheizen. Was die Franzosen Contenance nennen, ist eine gewisse Selbstbeherrschung – auch angesichts einer schlechten Kinderstube des Gegenübers – und Haltung, die eine unerfreuliche Situation erträgt und zusätzliche Aufregung vermeidet.

Aspekte gelungener Kommunikation

Kommunikation besteht nicht nur aus Worten, sondern auch aus der zugewandten Kombination von Gestik, Mimik, Tonfall und Ausdruck. Und wenn die nonverbale Kommunikation fehlt, merkt die Patientin das. Selbst am Telefon kann man erkennen, wenn die Körpersprache oder das Lächeln fehlen. Schon an der Rezeption sollten die ersten positiven Signale und unbedingte Freundlichkeit erlebbar sein. ­Die nachhaltige Wirkung des guten, ersten Eindrucks wird noch immer unterschätzt. „Schau mir in die Augen, Kleines“ – dieser legendäre Satz von Humphrey Bogart im Filmklassiker „Casablanca“ verdeutlicht, gerade auch beim Tragen des Nasen-Mund-Schutzes, wie vertrauensbildend und förderlich eine stimmige Körpersprache mit offener und freundlicher Mimik für den Arzt-Patientinnen-Dialog ist.

Viel zu oft hören die Patientinnen, was nicht geht. Merke! Wer gut zuhören kann und die W-Fragetechnik gekonnt einsetzt, erfährt rasch, wo der Schuh wirklich drückt. „Problem talk creates problems. ­Solution talk creates solutions“, sagt der amerikanische Psychotherapeut Steve de Shazer. Es macht einen großen Unterschied, ob Lösungen und Zukunftsvorstellungen im Mittelpunkt aller Überlegungen und Diskussionen beim Patientinnen-Gespräch stehen oder ob es mehr Kommunikation über das Problem und seine Verursacher gibt. Lösungsorientierte Kommunikation bewirkt, dass die Motivation sichtbar steigt und Lösungsideen fließen, auch für die Patientin.

Diskretion ist in jeder Praxis wichtig, aber ganz ­besonders in der Frauenarztpraxis. Wenn eine Patientin im Eingangs- oder Aufenthaltsbereich Geburtsdatum und/oder Diagnosen anderer Patientinnen mithören kann, zersetzt das Vertrauen. Diskretion umschreibt die Fähigkeit des gesamten Praxisteams, unbedingte Vertraulichkeit und Verschwiegenheit zu wahren, die als positiv besetzte Verhaltensweisen im rücksichtsvollen und empathischen Umgang kontinuierlich von den Patientinnen auch erfahren wird.

Auch Vorurteile blockieren das Gesprächsklima. Der negative innere Dialog („Der kann man es aber nie recht machen“) und Vorurteile belasten das Gespräch unnötig. Vermeiden Sie diese Sympathieblockade („Mit der kann ich einfach nicht“). Mit sympathischen Menschen gut umgehen zu können, ist einfach. Die Kunst der Empathie bedeutet, auch ­herausfordernde Patientinnen so anzunehmen, wie sie sind, ohne sie gleich abzuschätzen und zu bewerten.

Power-Talking und Gewinnersprache

Die eigene Sprache zu verändern ist einfacher als man denkt. Aus einer kraftlosen, eher negativ gefärbten Sprache lässt sich mit etwas Übung ein klarer, kraftvoller und positiver Wortschatz entwickeln, mit dem man im täglichen Praxisleben erfolgreicher ist. Wer seine Sprache einmal kritisch unter die Lupe nimmt, wird merken, dass es eine „Gewinner- und eine Verlierersprache“ gibt.

Was ist damit gemeint? Das Auftreten des Frauenarztes oder der Frauenärztin wird auch danach beurteilt, wie die Sprache wahrgenommen wird: ­dynamisch, präzise, konkret und wohltuend? Oder ob sie doch eher ungewollt eine negative emotionale Reaktion auslöst.

Die Wahl der Worte hilft, im täglichen Leben zu punkten. Vergleichen Sie einmal den Unterschied zwischen der Aussage A „Das ist unmöglich“ und der Aussage B „Wir werden einen Weg finden“. Wie würden Sie persönlich empfinden, wenn Sie die Redewendung A hören „Da kann ich Ihnen leider nicht helfen“ im Vergleich zur Redewendung B ­„Leider haben wir dieses Formular im Moment nicht vorrätig, ich sage Ihnen aber gerne, wo Sie es bekommen können“?

Patientinnen sind Ich-bezogen. Ihre eigenen Pro­bleme und Anliegen sind für sie beim Arztbesuch das Wichtigste. Darum ist es klug, auf eine ­„Sie-orientierte Sprache“ zu setzen. Hilfreich sind Sie-Formulierungen wie:

• „Sie können sich darauf verlassen ...“
• „Sie können sicher sein, dass ...“
• „Sie erhalten ...“
• „Bitte entscheiden Sie ...“

Einwände sind sinnvoll zu hinterfragen:

• „Wie meinen Sie das bitte?“
• „Ich verstehe noch nicht ganz, wie Sie das meinen.“
• „Können Sie mir das bitte noch genauer erklären.“

Die eigene Gelassenheit und eine unerschütterliche Freundlichkeit helfen, kritische Gesprächsmomente abzufedern und Emotionen abzukühlen. Die Grundidee einer erfolgreichen Kommunikation in der Arztpraxis ist ja, dass sich das Team mit Ruhe und Konzentration seinem Kerngeschäft ­widmen kann und dass unnötige Störungen möglichst vermieden werden. Ein positives Gesprächsklima zu schaffen ist die notwendige Voraussetzung für den Gesprächserfolg in allen Situationen. Ein Lächeln, ein netter Gruß, ein kurzes privates Wort oder eine freundliche Bemerkung sollten als „warming up“ immer am Anfang des Praxis­kontakts stehen. So viel Zeit muss sein, denn in einem ­negativen Gesprächsklima gedeihen keine guten Lösungen.

Mit Gelassenheit und Ruhe werden problematische Situationen gemeistert, und mit dem richtigen­ ­„Feeling“ im Umgang mit Patientinnen machen Sie Ihre Praxis unverwechselbar.

Egal, wer die Bombe wirft – Praxisleitung und Team einer Privatpraxis sollten sie entschärfen ­können. Krisenmanagement ist angesagt, immer dann, wenn es „gewittert“. Konflikte entstehen immer, wenn Bedürfnisse aufeinanderprallen und Gesprächspartner sich gegenseitig blockieren. „Kommunikatives Ping-Pong-Spiel“ ist ein typischer Stolperzeit der Kommunikation. Es geht dabei eher um ein Kräfte messen als um ein lösungsorientiertes Gespräch.

Deshalb gilt für das gesamte Team:

• Bleiben Sie ruhig und souverän, vor allem in kritischen Situationen.
• Alles, was Spannung erzeugt, gehört nicht zur guten Sprache! „Sie scheinen sehr wütend zu sein, das kann ich verstehen. Kommen Sie doch bitte mit in mein Beratungszimmer und erzählen Sie mir, was genau passiert ist.“ Das ist präventive Kommunikation. Direkt auf die sichtbare Gefühlslage eingehen.
• Verständnis für die Situation und Aufregung der Patientin lenkt das Gespräch in eine ruhige Richtung. ICH-Botschaft: „Ich verstehe Ihren Ärger, es tut mir sehr leid. Lassen Sie uns das jetzt in Ruhe besprechen, damit wir eine vernünftige Lösung finden.“
• Ein Höchstmaß an Verschwiegenheit und Diskretion ist Ehrensache jeder privaten Facharztpraxis, besonders im Bereich der Frauenheilkunde. Kein „Jahrmarkt der Peinlichkeiten“ im Empfangsbereich und am Telefon. Schallabsorbierende Raumtrenner, Sichtschutzsysteme und sanfte Hintergrundmusik sorgen für eine vertrauensbildende Atmosphäre.
• Die zuhörende Medizin hat besonders in der Privatpraxis unbedingten Vorrang. Aktives Zuhören ist ein Schlüssel, der Türen öffnet, zum Kern des Problems und zum wirklichen Verstehen der Patientin. Wer mehr zuhört als spricht, ist ein Meister der effektiven Kommunikation und steigert sein eigenes Wohlbefinden und das der anderen in einem.

Das 4-Ohren-Modell der Kommunikation erklärt, warum wir trotz bester Absichten so oft aneinander vorbeireden.

Wir alle kennen Situationen, in denen der eine etwas sagt und der andere in die Worte etwas ganz anderes hineininterpretiert. Das ist kein Zufall, sondern eine Begleiterscheinung der Kommunikation. Der Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat das zu einem Kommunikationsmodell verdichtet – dem 4-Ohren-Modell. Es arbeitet mit vier Ebenen, die in einer bestimmten Weise vom Sender gemeint und vom Empfänger interpretiert werden: Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis, Appell.

Veranschaulicht wird das Modell gerne am folgenden Beispiel: Eine Frau und ein Mann sitzen im Auto. Der Mann ist der Fahrer. Als die Ampel auf Grün schaltet, sagt die Frau: „Es ist grün.”

Damit könnte sie meinen: Die Ampel hat auf Grün geschaltet (Sachinhalt) und ich habe es eilig (Selbstkundgabe). Gleichzeitig gibt sie einen Beziehungshinweis (Ich passe besser auf) und richtet einen Appell an den Mann (Fahr endlich los!)

Der Mann könnte das aber auch durchaus anders verstehen. Ist der Sachinhalt noch der gleiche (Die Ampel steht auf Grün), ist die Selbstkundgabe häufig eine ganz andere (z. B. Du bist zu langsam). ­Entsprechend werden auch Beziehungshinweis (Du kannst kein Auto fahren!) und Appell (etwa „Das nächste Mal fahre ich wieder!“) anders ausgelegt und haben großes Potenzial, zu einem Konflikt zu führen.

Es ist in der Praxis ausgesprochen hilfreich, sich in die Position des Gegenübers zu versetzen, um zu  verstehen, was er wohl tatsächlich gemeint haben könnte – bevor man eine Situation eskalieren lässt. Nicht gleich Dinge in einen Satz hineininterpretieren, die vielleicht gar nicht gemeint waren. Das simple Beispiel mit der grünen Ampel wird Ihnen dabei helfen.

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