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Praxisorganisation

Praxisorganisation

Arbeitsplatzbeschreibungen: Basics für professionelle Teamarbeit

Theresia Wölker

18.2.2022

Bei der Führung einer Arztpraxis bewegen sich Praxisleitungen zwischen dem traditionellen Pol der patriarchalischen Leitung und der kooperativen Teamsteuerung. Für diesen zeitgemäßen Ansatz sind Arbeitsplatz- und Stellenbeschreibungen ein wichtiges Instrument.

Ärzte und Praxisteams stehen immer wieder – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – vor neuen Herausforderungen. Wie können zu erwartende Engpässe gemeistert werden? Sind die notwendigen Strukturen und Kompetenzen in den Praxen vorhanden, um die Prozessverbesserung in der Patientenversorgung durch Delegation zu meistern? Wie muss die Kooperation und Koordination mit den MFA/Arzthelferinnen erfolgen? Eine zentrale Zukunftsaufgabe der Arztpraxen wird die Leistungsfähigkeit über ­Delegation sein.


Die Führung einer Privatarztpraxis

Zur Sicherung der gemeinsamen Zukunft braucht es beide, ärztliche Vorgesetzte, mit einem auf Mitbestimmung ausgerichteten Führungsstil und Mitarbeiter (MFA), die zur Selbstständigkeit qualifiziert und zur Übernahme von Delegation bereit sind. Die verantwortliche Führungstätigkeit des Arztes in der Praxis umfasst dabei

1. die Lenkung, Leitung und Beauftragung von Sachaufgaben im Hinblick auf die definierten Praxis­ziele und die notwendige Patientenversorgung bei gleichzeitiger Abgrenzung von primär ärztlichen und delegativen Tätigkeiten,

2. die Steuerung sozialer, zwischenmenschlicher Prozesse im Team.


Das Organisationskonzept der delegativen Facharztpraxis mit systematischem Einsatz von Führungsinstrumenten und Elementen des modernen Qualitätsmanagements verlangt den mutigen Blick auf die IST-Situation und die Bereitschaft zur Veränderung, insbesondere im Hinblick auf die hohe Kunst der Delegation. Ziele der Delegation in der Privatarztpraxis sind primär die Entlastung der ärztlichen Leitung durch Nutzung der spezifischen Fähigkeiten der Praxismitarbeiterinnen, aber auch deren gezielte Entwicklung, Förderung und Motivation durch Aufgaben mit höherem Anforderungs- und Fähigkeitsprofil.

Dabei spielen klare Strukturen, selbstverantwortliche Arbeitsbereiche, die innerbetriebliche Motivation und die Wertschätzung der individuellen Arbeitsleistung eine immer größere Rolle. Für das System der delega­tionszentrierten Facharztpraxis bedarf es einer moder­nen Mitarbeiterführung nach der Idee des kooperativen und situativen Führungsstils: Motto „Gemeinsam sind wir stark und auf die Zukunft vorbereitet“. Die partizipative Führung lässt die dafür mit Kompetenz ausgestatteten Praxismitarbeiterinnen gemäß ihrer Leistungsfähigkeit an unternehmerischen Entscheidungen teilhaben, die für ihr definiertes Aufgabenfeld im Zuge der Delegation notwendig und wichtig sind.

Dabei geht es nicht um die Auflösung von Hierarchien, sondern um Organisationssicherheit durch eindeutige Stellen- und Aufgabenbeschreibungen, Mitarbeiteraktivierung durch regelmäßige Besprechungen und klare Zieldefinitionen sowie Befähigung der Teammitglieder zur selbstständigen Leistung und gemeinsamen Arbeitsfreude.

Hilfreich ist zunächst die Erstellung eines Organisationsplanes (Organigramm), der die Namen und die Funktionen sowie die Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche der Praxismitarbeiter auflistet. Ein Organigramm ist die grafische Darstellung der Praxisorganisation und -struktur: es ist wie „die Landkarte“ der Privatpraxis als Wirtschaftsunternehmen. Es verdeutlicht Aufbau sowie Hierarchien und bildet diese in einer übersichtlichen Grafik ab. Häufig findet man diese Pläne auch als Aushang mit Bild in den Warte- und Aufenthaltszonen der Praxis, wo sie für einen ersten professionellen Eindruck bei den Patienten sorgen, wenn sie mit einem Kurzprofil und Foto der jeweiligen Mitarbeiterin visuell hervorgehoben sind. Vorteile des Praxisorganigramms:

  • Gesamtorganisation wird sichtbar: Ein Organigramm zeigt auf, wie die einzelnen Zahnräder des Betriebs ineinandergreifen, wie die Hierarchien aufgebaut sind und wie das Unternehmen Privatpraxis funktioniert.
  • Kommunikation wird verbessert: Wer ist verantwortlich? Wer ist der Ansprechpartner? Wer sind der/die Chef/Chefin oder die Chefs? Nicht nur die Patienten interessieren sich dafür. Die Zuständigkeiten sind vielleicht geregelt, doch kann die Kommunikation nur davon profitieren, wenn jeder weiß, an wen er sich bei den unterschiedlichsten Belangen wenden kann. So kann ein Organisationsplan die interne Kommunikation stärken.
  • Planung wird optimiert: Langfristiger Erfolg wird erst durch gute Planung möglich. Dazu zählt die Richtung, in die sich die Privatpraxis entwickelt ebenso wie die Personalplanung, um stets die benötigten Mitarbeiter mit den richtigen Qualifikationen zu haben. Das Organigramm kann genau bei dieser langfristigen Planung helfen, zeigen, wo in Zukunft größerer Bedarf – ob an Personal, Investition oder Innovation – besteht und in welchen Bereichen gehandelt werden muss.
  • Identifikation und Loyalität wird gefördert: Zu sehen, welche Position man selbst im Plan bekleidet, kann die Identifikation mit dem Arbeitgeber deutlich steigern. Arbeitnehmer sehen sich als tatsächlicher Teil des Unternehmens, fühlen sich eher eingebunden und entwickeln eine größere Loyalität.
  • Teil des praxisinternen Qualitätsmanagements: Das Praxisorganigramm sollte aktuell sein, eine gültige Versionsnummer haben und Bestandteil des Praxis-Qualitätsmanagement-Handbuchs. Jede Praxismitarbeiterin sollte eine aktuelle Ausgabe des Organigramms in ihrer Personalakte haben.
Die Stellenbeschreibung

Der logische zweite Schritt im innovativen Qualitäts- und Personalmanagement ist die Erstellung von ­Stellenbeschreibungen sowie das Verfassen von Aufgaben- oder Funktionsbeschreibungen. Ein reibungsloser Praxisablauf ohne Spannungen und Ärger ist nur gewährleistet, wenn alle im Team wissen, was sie zu tun haben, und wenn die Organisation gut durchdacht und vorhanden ist und alle sich an die Vorgaben halten.

Die Stellenbeschreibung listet auf, was die entsprechende Mitarbeiterin, die diese Stelle innehat, für Aufgaben und Verantwortungsbereiche hat. Diese Beschreibung gilt als Anlage zum Arbeitsvertrag. Nur wenn die Kompetenzen (Zuständigkeiten) im Praxisteam ganz eindeutig geklärt und schriftlich fixiert worden sind, was genau die jeweilige Mitarbeiterin zu tun hat und welche Befugnisse sie hat, kann eine kollegiale Zusammenarbeit zustande kommen. Unterbleibt eine klare und transparente Zuordnung der Aufgaben, kommt es oft zu Streit und Diskussionen.

Immer, wenn es in der Praxis Meinungsverschiedenheiten gibt, die so anfangen „Das habe ich nicht gewusst“, „Das hat mir niemand gesagt“ oder „Ich habe gedacht, dass macht meine Kollegin“, so sind das eindeutige Zeichen dafür, dass die Zuständigkeiten eben nicht eindeutig geklärt worden sind und die Notwendigkeit von Stellenbeschreibungen gegeben ist.

Zum Qualitätsbewusstsein für das gesamte Praxisgeschehen und die Bedeutung der Schnittstellen ist das Erarbeiten von schriftlichen Stellenbeschreibungen unentbehrlich. Damit kennt jede MFA ihre Rechte und Pflichten, die Anleitung von Auszubildenden ist leichter zu überwachen, die Einarbeitung der Kollegin beim Rotationsverfahren ist einfacher. Von außen betrachtet zeigen Stellenbeschreibungen und Organisationspläne die eindeutige Stellung der MFA in der Team-Hierarchie und vor allem, wem sie unterstellt ist bzw. wem sie Weisungen erteilen darf. Ein weiterer Vorteil: Durch klar zugeordnete Stellen- und Aufgabenbeschreibungen kann eine sachbezogene Bewertung (Kritik, Beurteilung, Zeugnis) besser erfolgen.

Die Praxisleitung kann durch den Einsatz der Stellenbeschreibungen eine sogenannte erste Kraft oder Qualitätsmanagementbeauftragte (QMB) ernennen, die die Hauptverantwortung für die Organisation und das reibungslose Funktionieren des Praxisablaufes trägt. Das schafft Freiräume für das eigentlich ärztliche Tun. Die notwendige Kontrollfunktion, z. B. Überwachung der Auszubildenden, die Organisation der internen Fortbildung und Praxiskonferenzen, die Erstellung des Urlaubsplanes, die Arbeitseinteilung der MFA im Praxisalltag – alle Aufgabenbereiche und Ziele, können in der Stellenbeschreibung verantwortlich auf eine Arzthelferin übertragen werden.

Die Stellenbeschreibung ist im Gegensatz zur Arbeitsplatz-/Funktionsbeschreibung immer persönlich und namentlich auf die Stelleninhaberin zugeschnitten. Was sollte eine Stellenbeschreibung inhaltlich enthalten?

  1. Die Bezeichnung der Stelle.
  2. Die Hauptaufgaben der Stelle.
  3. Die Nebenaufgaben der Stelle.
  4. Die Ziele der Stelle.
  5. Den Verantwortungsbereich der Stelle.
  6. Die Kompetenzen, Befugnisse und Pflichten der Stelleninhaberin.
  7. Die Vorgesetzten.
  8. Die Kolleginnen und Stellvertreter.

Arbeitsplatz- oder Funktionsbeschreibungen

Diese Beschreibung von einzelnen Arbeitsschritten ist typisch für eine gute Organisationsstruktur der Privatpraxis. Arbeitsplatzbeschreibungen erläutern detailliert, was an einem bestimmten Arbeitsplatz oder Gerät zu tun ist. Insofern gehören diese Arbeits- und Funktionsbeschreibungen nicht in die Personalakten, sondern sind Teil der Prozessbeschreibungen im QM-Handbuch. Je klarer, eindeutiger und nachvollziehbarer diese Abläufe beschrieben sind, umso mehr werden sie zum „imm­ateriellen Wert der Praxis“. Sie können verschiedenen Mitarbeiterin zugeordnet werden, sodass bei einem Personalwechsel wertvolles Know-how nicht verloren geht. Der ideelle Praxiswert (sog. „Goodwill“) spielt in der Privatpraxis eine nicht unerhebliche Rolle. Ein Praxisrundgang als Status-quo-Analyse hilft festzustellen, ob an jedem Arbeitsplatz und an jedem Funktionsbereich die Aufgaben im Ablauf schriftlich festgehalten sind. Diese Selbstbewertung sollte zur Überprüfung, Aktualisierung und Ergänzung jährlich einmal durchgeführt werden. Je nach Qualifikationsstand des Praxisteams können die Prozesse der einzelnen Arbeitsbereiche mehr oder weniger aufwendig und mehr oder weniger detailliert beschrieben werden. Gut ist, was funktioniert. Wer mit vielen Teilzeit- und Aushilfskräften arbeitet, sollte sich die Mühe machen, den Detaillierungsgrad der Prozessbeschreibung ausführlicher zu machen. Wichtig sind klare und eindeutige Regelungen, die ALLE im Team nachvollziehen und umsetzen können.

Keine Frage, es ist viel Arbeit diese Organisationsabläufe zu verschriftlichen, aber es lohnt sich. Am besten fängt jede Mitarbeiterin der Privatpraxis in ihrem Zuständigkeitsbereich an. So kommt eine Sammlung vieler Arbeitsabläufe der Arztpraxis zusammen, die dann nach Wichtigkeit priorisiert wird. So entsteht nach und nach „mit Plan“ ein wertvolles Kompendium.

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

1 Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen“ – Stellungnahme der BÄK und KBV vom 29.08.2008
2 Resolution der ärztlichen Spitzenverbände und Bundesärztekammer zur Delegation vom 23.02.2012
3 Anlage 24 BMV-Ä/EKV: Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal vom 01.10.2013

Bildnachweis: privat

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