Der Umbau des Fortpflanzungstrakts während des Zyklus kann bei Mäuseweibchen Fibrose und chronische Entzündungen auslösen. Das zeigte eine kürzlich veröffentlichte Studie des DKFZ. Welche Auswirkungen das auf die Reproduktion beim Menschen haben könnte, soll im Einzelnen jetzt geklärt werden.
Die Organe des Fortpflanzungstrakts unterliegen während des Monatszyklus einem umfassenden Umbau, der den Eisprung oder eine Schwangerschaft vorbereitet. Diese Umstrukturierungen an Eierstock, Eileiter, Gebärmutter, Gebärmutterhals wie auch an der Vagina sind bislang noch wenig erforscht. Viele Arbeiten basieren auf rein mikroskopischen Untersuchungen oder beziehen sich auf einzelne Organe oder die Aktivität bestimmter Gene.
Der umfassende Umbau der Organe verläuft beim Menschen grundsätzlich in gleicher Weise wie bei anderen Säugetieren; der als „Östruszyklus“ bezeichnete Vorgang variiert allerdings von Spezies zu Spezies in seiner Dauer.
In einer multidisziplinären Studie untersuchte ein Team der DKFZ-Abteilung Molecular and Computational Prevention systematisch die Veränderungen der Genaktivität und der Morphologie in jeder Phase des Zyklus [1]. Ziel waren alle betroffenen Organe auf der Ebene einzelner Zellen in räumlicher Darstellung. So gelang es, einen Zell-Atlas des weiblichen Reproduktionstrakts zu erstellen. Diese Forschungsarbeiten wurden kürzlich mit dem „Early Excellence in Science Award“ für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Bayer Foundation ausgezeichnet [2].
Diesen Ergebnissen zufolge übernehmen Bindegewebszellen einen zentralen und organspezifischen Part beim Umbau des Fortpflanzungstrakts, indem sie die Reorganisation der extrazellulären Matrix und der Entzündungen steuern. Viele physiologische reproduktive Ereignisse wie Eisprung, Menstruation oder Einnistung der befruchteten Eizelle weisen charakteristische Anzeichen einer Entzündung auf. Die molekularen Signalwege und Signalmoleküle, die diese Entzündung aufrechterhalten, stammen großenteils von Bindegewebszellen, einer Hauptquelle für entzündungsfördernde Botenstoffe wie etwa Zytokine. Die Fibroblasten sind über ihre Kommunikationsnetze hochspezifisch verantwortlich für die Umgestaltung des Fortpflanzungstrakts, indem sie die Veränderungen der extrazellulären Matrix und die Entzündung selbst orchestrieren.
Eine wesentliche Eigenschaft des weiblichen Fortpflanzungstrakts ist seine Fähigkeit, diese zyklisch auftretenden Inflammationen zunächst rasch zu beseitigen und eine normale Fortpflanzung zu garantieren. Nicht abklingende Entzündungen können jedoch in Verbindung mit anderen Alterserscheinungen chronifizieren und eine Fibrose auslösen. Falls Fibroblasten nicht wieder zur Homöostase zurückfinden, kann als Folge eine anhaltende Entzündung entstehen. Mit zunehmendem Alter hat die Abnahme und schließlich Erschöpfung der Ovarialfollikel eine verminderte Estrogenproduktion und das Ende des Eierstockzyklus zur Folge. Eine exogene Estrogenzufuhr kann einige, aber nicht alle altersassoziierten physiologischen Veränderungen beseitigen.
Anhand dieser Ergebnisse entstand ein Modell darüber, wie der wiederholte Umbau des reproduktiven Trakts über die reproduktive Lebensspanne hinweg eine altersbedingte Entwicklung der Fibrose und chronischer Entzündungen vorantreibt. Ihre Hypothese haben die Experten direkt getestet, indem sie den Östruszyklus mit Medikamenten ausschalteten. Diese Zyklusblockade reduzierte die fortschreitende Fibrose, wobei die Eierstöcke reduziert erschienen.
Der Atlas zeigt die Auswirkungen des Zyklus auf den Fortpflanzungstrakt auf zellulärer Ebene.
Der von der Gruppe entwickelte Atlas zeigt, in welcher Weise die Bereitschaft zur Befruchtung, ferner die Schwangerschaft und die Alterung gemeinsam auf den weiblichen Fortpflanzungstrakt einwirken. Danach muss wohl auch die bis dahin gültige Ansicht korrigiert werden, solche physiologischen Reproduktivereignisse hinterließen weder Spuren noch Narben in den Zielorganen.
Die Studienautorengruppe weißt darauf hin, dass beim Menschen eine höhere Anzahl von Menstruationszyklen im Leben mit einem höheren Risiko für Gebärmutterkrebs in Verbindung steht. Wenn chronische Entzündungen und Fibrose auch bei Frauen mit der Anzahl der Zyklen zunehmen, so könnte dies zu einem erhöhten Krebsrisiko beitragen.
Zur Bedeutung der neuen Forschungen heißt es in der DKFZ-Pressemitteilung vielversprechend [2]: „Obwohl diese Ergebnisse bisher nur bei Mäusen beobachtet wurden, haben sie ein hohes Potenzial unter anderem für die Entwicklung neuer Therapien zur Bekämpfung von Krebs in den Fortpflanzungsorganen von Frauen.“
Dr. Ivana Winkler
Deutsches Krebsforschungszentrum
69120 Heidelberg
Welche medizinische Bedeutung könnten Ihre Forschungen für die weitere Entwicklung der Gynäkologie haben?
Wir untersuchen die Alterung des weiblichen Reproduktionssystems und wie Ereignisse in diesem Prozess Frauen für Krankheiten prädisponieren. Das weibliche Fortpflanzungssystem weist im Vergleich zu anderen Organsystemen zwei einzigartige Merkmale auf: Es altert schneller und durchläuft während jedes Reproduktionszyklus eine umfassende Umstrukturierung. Wir haben den Zusammenhang zwischen diesen beiden Phänomenen untersucht und festgestellt, dass eine höhere Anzahl von Reproduktionszyklen im Leben einer Frau mit einer erhöhten chronischen Entzündung und Fibrosebildung verbunden ist. Das macht das Gewebe des Fortpflanzungssystems anfälliger für Krankheiten wie Krebs.
Sind damit vielleicht Möglichkeiten zur Prävention verbunden?
Jedes Ereignis oder Medikament, das die Anzahl der Reproduktionszyklen im Leben einer Frau reduziert, könnte zur Krankheitsprävention beitragen. Dazu gehören Schwangerschaft, Stillen oder kontinuierliche hormonelle Kontrazeption.
Die Umstrukturierungen des Fortpflanzungstrakts während des Reproduktionszyklus sind nach Ihrer Ansicht bislang nicht gut untersucht. Welche Auswirkungen lassen sich dennoch derzeit gut beschreiben?
Die Forschung zum Fortpflanzungssystem hat sich hauptsächlich auf die Vorgänge in den Eierstöcken und der Gebärmutter während des Reproduktionszyklus konzentriert, insbesondere auf den Eisprung und die Blastozystenimplantation. Weniger gut charakterisiert sind jedoch die Auswirkungen des Reproduktionszyklus auf andere Organe des Fortpflanzungstrakts – insbesondere die Eileiter und die Vagina.
Welche Bedeutung hat die exogene Gabe von Estrogenen?
Beim Menschen scheint das Risiko für Endometriumkarzinome durch Faktoren, die die Anzahl der Menstruationszyklen verringern, gesenkt zu werden. Die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen dieser epidemiologischen Beobachtungen sind jedoch noch unbekannt.
Eine Hypothese besagt, dass eine höhere Anzahl von Menstruationszyklen zu einer verlängerten Exposition der Gebärmutter gegenüber unopponiertem Estrogen (nicht durch Progesteron ausgeglichen) führt, was eine leicht mutagene Wirkung haben könnte. Unsere Studie ergab, dass wiederholte Zyklen eine ungünstige Mikroumgebung schaffen, die die Tumorbildung begünstigen kann. Exogen verabreichtes Estrogen kann dieses Risiko weiter erhöhen. Estrogen in Kombination mit Progesteron kann die Anzahl der Reproduktionszyklen verringern und eine schützende Rolle im Fortpflanzungssystem spielen.
Zur Kupierung des Östruszyklus haben Sie Medikamente verwendet.
Welche, und könnten diese Mittel auch grundsätzlich zur Therapie genutzt werden? Haben Sie Nebenwirkungen festgestellt?
Wir haben eine Chemikalie namens VCD verwendet, um bei Mäusen eine vorzeitige Menopause auszulösen. In dieser Proof-of-Concept-Studie konnten wir zeigen, dass Mäuse, die den Reproduktionszyklus durchlaufen hatten und alterten, eine stärkere Fibrosebildung aufwiesen als Mäuse, die nur alterten. Bei Frauen ist eine vorzeitige Menopause mit einem erhöhten Risiko für früh einsetzende Osteoporose, kardiovaskuläre Beeinträchtigungen sowie eine höhere Gesamtmortalität verbunden. Eine alternative therapeutische Strategie könnte daher der Einsatz von Medikamenten zur Reduzierung der Menstruationszyklen sein, wie Progesteron oder eine Kombination aus Östrogen und Progesteron.
Was sagt Ihr Zellatlas aus – für Wissenschaftler, für Laien?
Der Zellatlas richtet sich in erster Linie an die wissenschaftliche Gemeinschaft. Wir haben eine ausreichend hohe Anzahl biologischer Replikate verwendet, um statistische Signifikanz sicherzustellen. Darüber hinaus haben wir interaktive Anwendungen entwickelt, die es Forschende ermöglichen, folgende Aspekte zu untersuchen:
Alle unsere Daten sind frei zugänglich, um Transparenz und Reproduzierbarkeit zu fördern. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dieser Forschung könnten langfristig auch Frauen zugutekommen, da die Alterung des Fortpflanzungssystems erhebliche Auswirkungen auf die Frauengesundheit hat.
Hat die Blockade des Östruszyklus schädliche Auswirkungen auf den Organismus?
Eine vorübergehende Blockade des Zyklus sollte keine nachteiligen Auswirkungen auf das Fortpflanzungssystem haben. Allerdings deuten einige Studien darauf hin, dass eine langfristige Hormontherapie mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs verbunden sein könnte.
Inwieweit sind diese Untersuchungen an Mäusen auch auf den Menschen übertragbar?
Die physiologischen Veränderungen des Fortpflanzungssystems sind zwischen Menschen und anderen Säugetieren weitgehend ähnlich. Eine wichtige Ausnahme ist jedoch die menschenspezifische spontane terminale Differenzierung der Stromazellen des Endometriums. Diese Zellen zerfallen und werden während der Menstruation abgestoßen, während bei den meisten anderen Säugetieren diese letzte Differenzierung nur in Anwesenheit einer befruchteten Eizelle stattfindet und experimentell durch Schwangerschaft simuliert werden kann.
Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass das Risiko für Endometriumkarzinome durch Faktoren gesenkt wird, die die Anzahl der Menstruationszyklen verringern, darunter: kontinuierliche hormonelle Kontrazeption, höhere Anzahl von Schwangerschaften und späteres Einsetzen der Menarche. Die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen dieser epidemiologischen Beobachtungen sind jedoch noch nicht bekannt. Unsere Studie zeigt, dass wiederholte Zyklen eine ungünstige Mikroumgebung schaffen, die die Krebsentstehung begünstigen kann.
Haben die Läsionen, die infolge des Reproduktionszyklus entstehen, langfristig Auswirkungen auf Gesundheit oder Lebensdauer?
Die Ansammlung von Fibrose und chronischer Entzündung im Gewebe wird mit der Entstehung von Krankheiten wie Krebs in Verbindung gebracht.
Haben Sie bei Ihren Untersuchungen neue Signalwege oder Signalmoleküle festgestellt?
Unsere Forschung konzentriert sich darauf, bekannte entzündliche und gewebsumbauende Signalmoleküle und Signalwege zu quantifizieren und zu analysieren, wie sie während des Reproduktionszyklus und der Alterung im Fortpflanzungssystem moduliert werden – ein Aspekt, der bisher noch nicht beschrieben wurde.
Vielen Dank für dieses Gespräch.
Bildnachweis: Nida Fristila Adilah (Adobe Stock), privat