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Typ-1-Diabetes

Blutzuckeranstieg bereits vor dem Auftreten von Betazell-Autoantikörpern

18.10.2022

Bei Typ-1-Diabetes zeigen sich Stoffwechselveränderungen sehr viel früher im Krankheitsverlauf als bisher angenommen. Sie gehen also der Autoimmunität voraus oder finden parallel dazu statt. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie, in der die Blutzuckerregulation im Kindesalter untersucht wurde.

Im Rahmen der 2015 gegründeten „Globalen Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes“ (GPPAD) wird die klinische Primärpräventionsstudie POInt (Primary Oral Insulin Trial) multizentrisch in fünf Ländern und an sieben Standorten durchgeführt. POInt hat zum Ziel, die Entstehung der Inselautoantikörper zu verhindern und so der Entstehung eines Typ-1-Diabetes vorzubeugen. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit, bei der die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse durch eine fehlerhafte Reaktion des Immunsystems zerstört werden. Bisher ging man davon aus, dass dieser Prozess zunächst unerkannt im Hintergrund verläuft und erhöhte Blutzuckerwerte ein Ergebnis der Autoimmunität gegen die Betazellen sind. Jedoch wurde noch nie untersucht, wann die Betazellen zum ersten Mal betroffen sind. Die POInt Studie untersuchte darum über einen längeren Zeitraum mehr als 1.000 Kinder ab ihrem vierten Lebensmonat mit einem um 10% erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes. Das ermöglichte den Forschenden, den Zusammenhang zwischen Blutzuckerwerten und erster Entwicklung von Inselautoantikörpern zu analysieren.

„Unsere Forschungsergebnisse verändern das Verständnis der Entwicklung des Typ-1-Diabetes. Wir zeigen, dass Stoffwechselveränderungen früher im Krankheitsprozess auftreten, als bisher angenommen“, erklärt Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Helmholtz Munich Instituts für Diabetesforschung (IDF). Gemeinsam mit einem internationalen Team untersuchte sie in der POInT Studie die prä- und postprandialen Blutzuckerwerte sowie die Inselautoantikörper der Kinder.

Erhöhte Blutzuckerwerte zwei Monate vor Autoantikörper

Die Auswertung der Forscher zeigt, dass die Blutzuckerkonzentrationen kurz nach der Geburt – entgegen bisheriger Annahmen – keinen stabilen Zustand erreichen. Stattdessen fallen sie im ersten Lebensjahr ab und steigen im Alter von ungefähr 1,5 Jahren wieder an. „Die dynamischen Veränderungen der Blutzuckerwerte während der ersten Lebensjahre sind verblüffend. Vermutlich werden hier frühe Veränderungen der Bauchspeicheldrüseninseln widergespiegelt. Das ist ein deutliches Signal dafür, dass wir die Beziehung zwischen Zuckerstoffwechsel und Bauchspeicheldrüse während der ersten Lebensphase intensiver untersuchen müssen“, erklärt PD Dr. Katharina Warncke, Oberärztin der Kinderendokrinologie/Diabetologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin und Wissenschaftlerin am IDF. Eine weitere spannende Beobachtung: Im Vergleich zu Kindern ohne Autoimmunreaktion wiesen Kinder, die eine Autoimmunität entwickelt haben, bereits zwei Monate vor der Bildung der Autoantikörper erhöhte Blutzuckerwerte auf. Dieser Unterschied blieb im weiteren Verlauf bestehen. Zudem waren auch die Blutzuckerwerte vor dem Essen nach dem ersten Auftreten von Autoantikörpern erhöht.

Die Forscher konnten feststellen, dass der Blutzuckerstoffwechsel sehr früh im Leben dynamisch verläuft und den Häufigkeitsgipfel der Inselautoantikörperentstehung spiegelt – dies deutet auf eine Phase von Aktivität und Anfälligkeit der Inselzellen hin. „Die starke Veränderung der postprandialen Blutzuckerwerte kurz vor dem ersten Nachweis von Autoantikörpern lässt ein Ereignis vermuten, das die Funktion der Betazellen beeinträchtigt. Dieses Ereignis geht der Autoimmunreaktion voraus und trägt zu ihrer Entwicklung bei. Da sich die Betazellfunktion nach der ersten Antikörperbildung weiter verschlechtert, scheint es sich um eine dauerhafte Schädigung der Inselzellen zu handeln, die die Blutzuckerregulation destabilisiert“, so Warncke.

“Das beobachtete Verhältnis zwischen Blutzuckerwerten und erstmaliger Autoimmunreaktion ist faszinierend. Jetzt wissen wir, dass der Krankheitsmechanismus vermutlich direkt an den Inseln des Pankreas ausgelöst wird. Damit können wir die Ursache der chronischen Erkrankung gezielter erforschen“, sagt Prof. Dr. Ezio Bonifacio, vom Zentrum für Regenerative Therapien der Technischen Universität Dresden.

Pressemitteilung Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Oktober 2022
Warncke K et al.; J Clin Invest. 2022 Oct 17;132(20):e162123 (DOI 10.1172/JCI162123).

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