Mehr Menschen in Deutschland können besser mit Gesundheitsinformationen umgehen, doch die Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen wächst. Das zeigt eine neue repräsentative Studie eines Forschungsteams der Universität Bielefeld, der Hertie School Berlin und der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Laut den Ergebnissen verfügen 44 % der Befragten ab 18 Jahren über eine hohe Gesundheitskompetenz – 3 Prozentpunkte mehr als vor 5 Jahren.
Studienleiterin Prof. Dr. phil. Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld sieht darin „einen vorsichtigen Grund zur Hoffnung“. Sie erklärt: „Die Steigerung mag klein erscheinen. Angesichts von Pandemie, Kriegs- und Klimakrise sowie wirtschaftlicher Unsicherheit ist es bemerkenswert, dass sich die Gesundheitskompetenz verbessert hat.“
Dennoch haben 56 % weiterhin eine geringe Gesundheitskompetenz und teilweise erhebliche Schwierigkeiten, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen oder für sich zu nutzen – mehr also als die Hälfte der Bevölkerung. Deshalb fordert Schaeffer, dem Thema mehr Beachtung zu schenken.
In der repräsentativen Befragung mit persönlichen Interviews, die zum dritten Mal durchgeführt wurde und methodisch mit der Erhebung von 2020 vergleichbar ist, gaben 2.650 Personen Auskunft über ihre Gesundheitskompetenz. Die Stichprobe gilt hinsichtlich Geschlecht, Haushaltsgröße, Alter, Bildungsstand und Bundesland als repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.
Digitale Gesundheitskompetenz im Aufwind
Besonders deutlich zeigt sich der Fortschritt im digitalen Bereich: Die Kompetenz mit digital verfügbaren Gesundheitsinformationen umzugehen, stieg sogar um 4,7 Prozentpunkte. Das dürfte nicht zuletzt auf einen Lernprozess durch die verstärkte Nutzung digitaler Informationsmöglichkeiten zurückzuführen sein. Rund 83 % der Befragten nutzen inzwischen Internetseiten, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren – 18 Prozentpunkte mehr als 2020. Damit einhergehend hat sich die Nutzung von Gesundheits-Apps verdoppelt, sie werden von 44 % der Befragten verwendet. 17 % greifen bereits auf KI-basierte Anwendungen zurück.
Hürden im Gesundheitssystem
Unverändert groß bleiben dagegen die Schwierigkeiten bei der Orientierung und Navigation im Gesundheitssystem. 82 % der Befragten finden es schwer, sich im Gesundheitssystem und den dazu notwendigen Informationen zurechtzufinden - etwa sich über die eigenen Patientenrechte zu informieren oder zu verstehen, wie das Gesundheitssystem funktioniert. „Das ist ein alarmierender Befund“, sagt Schaeffer.
Auch beim Umgang mit Informationen, die dem Selbstschutz bei Krisen und Katastrophen dienen, zeigt die Bevölkerung deutliche Defizite – offenbar, weil es hier vielfach an leicht verständlichen und zugänglichen Informationen fehlt.
Soziale Unterschiede verschärfen sich
Während Menschen mit höherem Sozialstatus und besserer finanzieller Ausstattung ihre Gesundheitskompetenz verbessern konnten, stagnieren die Werte bei sozial benachteiligten Gruppen. „Wer bereits gut aufgestellt ist, profitiert vom positiven Trend. Wer dagegen ohnehin Schwierigkeiten hat, macht keine Fortschritte“, so die Forschenden. Sie warnen: Für diese Gruppen bleibe das Risiko eines ungesunden Verhaltens hoch.
Das Forschungsteam plädiert deshalb für gezielte Fördermaßnahmen in allen Bereichen, um die Gesundheitskompetenz zu stärken, soziale Ungleichheit abzubauen und allen Menschen den Zugang zu verständlichen und zuverlässigen Gesundheitsinformationen zu ermöglichen – das sei gerade angesichts der enormen Zunahme von Desinformationen dringend geboten.
Pressemitteilung: Gesundheitskompetenz steigt leicht – soziale Kluft bleibt. Universität Bielefeld, 9.10.2025 (https://aktuell.uni-bielefeld.de/2025/10/09/gesundheitskompetenz-steigt-leicht-soziale-kluft-bleibt-gross/).