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Schädel-Hirn-Traumata

Signifikante Zunahme schwerer Folgeerkrankungen nach Kopfverletzung

17.6.2022

Das Risiko für schwere Folgeerkrankungen nach einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist in den darauffolgenden Jahren stark erhöht. Grundlage für diese Aussage ist eine große prospektive Kohortenstudie aus den USA.

„Die wesentliche neue Erkenntnis der Studie ist, dass zuvor gesunde Erwachsene nach einem Schädel-Hirn-Trauma, egal welchen Schweregrades, auch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und endokrine Folgeerkrankungen zu haben scheinen, und das in allen Altersgruppen. Bisher war nur bekannt, dass nach einem SHT das Risiko für neurologische und psychiatrische Erkrankungen steigt“, so Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener (Essen), Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Die longitudinale Kohortenstudie untersuchte prospektiv potenzielle Langzeitfolgen von Schädel-Hirn-Traumata bei zuvor gesunden Menschen. Man nutzte dazu Registerdaten eines akademischen medizinischen Zentrums („MGB Research Patient Data Registry“ / RPDR) und konnte so im Gegensatz zu früheren Untersuchungen Personen mit präexistenten Komorbiditäten von der Analyse ausschließen. Patienten ab 18 Jahren, die ein leichtes oder moderates bis schweres SHT erlitten, wurden über zehn Jahre prospektiv nachbeobachtet.

Schweres SHT vervierfacht Gefahr für Demenz

Dabei wurden die Inzidenzen von 21 Erkrankungen in vier Organsystemen ermittelt und mit Kontrollen verglichen. Dazu gehörten kardiovaskuläre Erkrankungen bzw. Risikofaktoren (z.B. Bluthochdruck, Hyperlipidämie, Adipositas, koronare Herzerkrankung), endokrine Störungen (z.B. Diabetes mellitus, Schilddrüsen-, Hypophysen- und Nebennierenfunktion, erektile Dysfunktion), neurologische Erkrankungen (z.B. Schlaganfall, Krampfanfälle, Demenzen) sowie psychiatrische Erkrankungen (z.B. Depressionen, Psychosen, Angst- und Schlafstörungen, Suizidalität, Substanzmissbrauch, z.B. von Schmerzmitteln/Opioiden, Alkohol). Zu Vergleichszwecken wurden aus dem Register Kontrollpersonen, die kein SHT erlitten hatten, herangezogen und nach Alter, Geschlecht und anderen Merkmalen mit den SHT-Betroffenen gematcht. Die Erkrankungen waren nach den internationalen Klassifikationen ICD-9 oder ICD-10 definiert.

Insgesamt konnten in drei Gruppen je 4.351 Personen eingeschlossen und analysiert werden: Betroffene mit leichtem SHT (medianes Alter 45 Jahre), mit mittlerem bis schwerem SHT (medianes Alter 47 Jahre) und nicht exponierte Kontrollen (medianes Alter 46 Jahre). In jeder Gruppe waren ca. 45% der Teilnehmenden weiblich. Patienten beider SHT-Gruppen hatten gegenüber der Kontrollgruppe ein signifikant höheres Risiko für kardiovaskuläre, endokrine, neurologische und psychiatrische Erkrankungen. So war das Hypertonierisiko mehr als doppelt so hoch (leichtes SHT: HR 2,5 und moderat/schweres SHT: HR 2,4), das Diabetesrisiko war in beiden SHT-Gruppen ebenfalls fast verdoppelt (HR jeweils 1,9), das Schlaganfallrisiko nahm signifikant zu (HR 2,2 bei leichtem SHT und HR 3,6 bei moderat/schwerem SHT) und das Demenzrisiko vervierfachte sich (HR 3,8 bei leichtem SHT und HR 4,2 bei moderat/schwerem SHT).

Etliche mögliche Ursachen

Patienten mit moderatem bis schweren SHT hatten sogar ein gegenüber der Kontrollgruppe signifikant höheres 10-Jahres-Mortalitätsrisiko: In dieser Gruppe verstarben 432 Personen (9,9%) gegenüber 250 Todesfällen (5,7%) in der Kontrollgruppe (p≤0,001). Dabei waren Hypertonie und Diabetes (je HR 1,3), koronare Herzerkrankung (HR 2,2) und Nebenniereninsuffizienz (HR 6,2) mit einer höheren Mortalität assoziiert.

Nach Ansicht der Autoren sind die möglichen Erklärungen für die Zunahme der Risiken und beschriebenen Folgeerkrankungen nach einem SHT sehr komplex. So könnten veränderte Verhaltensgewohnheiten bzw. Lifestyle-Faktoren eine Rolle spielen, z.B. eine reduzierte körperliche Aktivität, ungesunde Ernährung, Schlafstörungen, regelmäßige Schmerzmitteleinnahme oder vermehrter Alkoholkonsum. Denkbar sind auch Einflüsse entzündlicher und immunologischer Prozesse bis hin zu einer veränderten Darmflora (z.B. nach Klinikaufenthalt oder durch Medikamente).

Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Juni 2022
Izzy S et al., JAMA Netw Open 2022 Apr 1; 5: e229478, DOI 10.1001/jamanetworkopen.2022.9478, PMID 35482306

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