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Psychoonkologie

Etwa 20% aller Patienten mit fortgeschrittenem Krebs wünschen sich den Tod

24.1.2022

Todeswünsche bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung sind bereits seit Längerem Gegenstand der psychoonkologischen Forschung. Auch wenn es inzwischen einige Ansätze gibt, die sich mit der Konzeptualisierung und Beschreibung von Todeswünschen befassen, fehlt es bislang an einem in der klinischen Praxis gut anwendbaren Konzept und dazugehörigen Erhebungsinstrumenten. Im Zuge einer jetzt von Forschenden der Uni Leipzig vorgelegten Studie sollte deshalb die phänomenologische Beschreibung von Todeswünschen bei Patienten mit fortgeschrittenem Krebs konkretisiert werden.

Für die Untersuchung wurden n=228 transkribierte Psychotherapiegespräche von 76 Patienten im Zuge der randomisiert-kontrollierten Psychotherapiestudie „Managing Cancer and Living Meaningfully“ (CALM, eine internationale randomisierte kontrollierte Interventionsstudie für schwer kranke Krebspatienten) hinsichtlich des Themas Todeswunsch explorativ analysiert. Von den untersuchten 76 Patienten berichteten 16 (21%) explizit von Todeswünschen.

Mithilfe ihrer Beschreibungen konnten zwei Dimensionen identifiziert werden. Zum einen die Gründe für Todeswünsche mit sieben wesentlichen Unterkategorien: Vermeidung von Schmerz und Leid, Kontrolle und Selbstbestimmung erhalten, körperlicher Abbau und Begrenzungen im Alltag, Angst vor Siechtum, Leben nicht mehr lebenswert, Gefühl der Lebensvollendung und alles getan zu haben, fehlende Zukunftsperspektiven. Zum anderen der Grad des mit dem Todeswunsch verbundenen Handlungsdrucks, den die Patienten angaben. Inhaltlich stimmen die Ergebnisse mit existierenden Theorien zu Todeswünschen bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung größtenteils überein, stellen die Autorinnen fest. Als zusammengehörige Dimensionen des Phänomens Todeswunsch wurden sie jedoch bisher noch nicht beschrieben. Vor allem für die klinische Praxis scheint dies sehr sinnvoll zu sein, da die Gründe in der Therapie größtenteils bearbeitbar sein dürften und der Grad des Handlungsdrucks Aufschluss über die Notwendigkeit einer Intervention geben kann.

Bei einer Umfrage bei praktisch tätigen Onkologen zum ärztlich assistierten Suizid zeigte sich aus ärztlicher Perspektive: Neben einem ‒ meist wegen unerträglicher Leiden ‒ geäußerten Todeswunsch und einer initial geäußerten Hoffnung nach ärztlich assistiertem Suizid werden die meisten dieser Anfragen an die behandelnden Onkologen dann aber doch nicht gestellt (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie [DGHO], März 2021). Nicht zuletzt die vom Bundesverfassungsgerichts (BVG) ausdrücklich geforderte, vom Gesetzgeber aber nicht umgesetzte und laut Koalitionsvertrag auch nicht geplante Neuregelung des ärztlich assistierten Freitodes führt zu der Situation, dass Ärzte regulär keine „Erwerbserlaubnis letal wirkender Mittel zur Selbsttötung in existenziellen Notlagen“ vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten, selbst wenn sie zu einer solchen Hilfeleistung, wie durch Standesrecht mittlerweile erlaubt, bereit sind.

Elliesen R et al., Psychother Psychosom Med Psychol 2022 Jan; 72(1): 18‒25, DOI 10.1055/a-1499-8082, PMID 34311486

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