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Psychiatrie

Zunahme von Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen

16.1.2024

Eine gerade veröffentlichte Studie des Universitätsklinikums Ulm (UKU) zeigt, dass der Antipsychotika-Gebrauch bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.

Die Studie untersuchte die Verordnung von Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland von 2011 bis 2020 anhand von bundesweiten Abrechnungsdaten aus der ambulanten Versorgung. „Wir konnten zeigen, dass Antipsychotika in diesem Zeitraum immer häufiger verschrieben wurden“, erklärt Prof. Dr. Dr. Christian Bachmann, Leiter der AG Versorgungsforschung an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des UKU und Erstautor der Studie. Dabei stieg die Verwendung von typischen Antipsychotika, also AP der ersten Generation, von 1,16 pro 1000 auf 1,35 pro 1000 Kindern und Jugendlichen, das ist ein Anstieg um 16 %. Die Verwendung von atypischen Antipsychotika, also modernere AP, die im Vergleich zu typischen AP weniger Bewegungsstörungen mit sich bringen, nahm von 2,35 auf 2,75 pro 1000 zu. Dies entspricht einem Anstieg von 17 %. Besonders stark war die Zunahme bei Mädchen.

„Der markante Anstieg des AP-Gebrauchs bei weiblichen Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren, der größtenteils auf eine vermehrte Verwendung des atypischen Antipsychotikums Quetiapin zurückzuführen ist, ist bemerkenswert. Mögliche Gründe für diesen Anstieg – z. B. ein unzureichender Zugang zu psychosozialen Therapien – sollten sorgfältig analysiert werden“, betont Bachmann. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass das Risiko für negative Veränderungen im Stoffwechsel und schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse selbst bei niedrigdosiertem Quetiapin-Gebrauch erhöht ist. Aufgrund des deutlichen Anstiegs des Gebrauchs und des Mangels an Daten für diese vulnerable Gruppe empfehlen die Forscher, die Sicherheit des Quetiapin-Gebrauchs bei Kindern und Jugendlichen weiter zu untersuchen. Darüber hinaus könnte die Einführung von Monitoring-Maßnahmen – z.B. restriktivere Verschreibungsrichtlinien oder Schulungen für Verschreiber – in Betracht gezogen werden.

 

Anstieg um mehr als 15 % (2011-2020)

„Ob der Anstieg des Antipsychotika-Gebrauchs in Deutschland nun auf eine zunehmende Belastung durch psychische Störungen, auf einen Ausgleich fehlender psychotherapeutischer Kapazitäten oder auf andere Gründe zurückzuführen ist, muss in weiteren Forschungsarbeiten überprüft werden. Fest steht jedoch, dass insbesondere die Sicherheit des Antipsychotika-Gebrauchs bei Kindern und Jugendlichen weiter untersucht werden muss“, resümiert Bachmann.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS in Bremen, dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Berlin und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg durchgeführt.

Hintergrund: Der Arznei-Verordnungsreport 2022 formuliert: „Quetiapin gehört mit seinem rasanten Verordnungsanstieg zu den sogenannten ‚blockbuster drugs‘, obwohl seine Wirksamkeit und Verträglichkeit jeweils anderen mGPCR-Antagonisten unterlegen ist. Das riesige Verordnungsvolumen von Quetiapin kann mitunter auf die besonders häufige Anwendung im ‚offlabel‘-Bereich zurückgeführt werden. So wird Quetiapin oft in niedriger Dosierung gerne bei Angstzuständen, Delirien, Schlafstörungen und zur Behandlung von Anspannungszuständen angewendet, trotz häufig mangelhafter Evidenz für diese Anwendungsbereiche und nachgewiesener Risiken. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2016) hat ausdrücklich vor der Off- Label-Anwendung von Quetiapin gewarnt.“ (Ludwig WD et al., Springer2022, DOI 10.1007/978-3-662-66303-5)

Pressemitteilung „Mehr Antipsychotika für Kinder undJugendliche | Neue Studie zeigt besorgniserregenden Trend“. Universitätsklinikum Ulm, 21.12.2023 (https://idw-online.de/de/news826343).

Dörks M et al.: Trends in antipsychotic use among children and adolescents in Germany: a study using 2011-2020 nationwide outpatient claims data. Front. Psychiatry. 2023 Dec 12;14:1264047 (DOI 10.3389/fpsyt.2023.1264047).

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