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COVID-19: Kognitive Störungen könnten strukturelle Ursachen im Gehirn haben

14.6.2022

Patienten klagen nach einer COVID-19-Infektion oft über kognitive Schwierigkeiten. Das zerebrale MRT bleibt aber ohne Befund. Forscher aus Freiburg haben die Untersuchung mit einer auf Flüssigkeitsverteilung spezialisierten Bildgebungstechnik wiederholt und etwas gefunden.

Im Zuge der prospektiven Studie wurden 20 hospitalisierte COVID-19-Betroffene (57,3±17 Jahre) mit neurologischen Symptomen (z.B. Delir, Hirnnervenlähmungen) und kognitiven Störungen in der subakuten Erkrankungsphase (29,3±14,8 Tage nach der positiven PCR) mittels DMI („diffusion microstructure imaging“) untersucht. DMI kann kleinste Volumenverschiebungen zwischen den unterschiedlichen Kompartimenten verschiedener Gewebe erkennen, z.B. in der weißen Substanzflüssigkeit im intra- und extraaxonalen Raum sowie in perivaskulären Räumen. 70% (14/20) der Studienteilnehmer hatten im MoCA-Test („Montreal Cognitive Assessment“) Werte unterhalb des Cut-off-Wertes (<26/30 Punkte), der Mittelwert betrug 22,4±4,9 Punkte.

Ein Vergleich der DMI-Parameter der gesamten weißen Substanz mit einer gesunden Kontrollgruppe (n=35) zeigte bei den Kranken eine ausgedehnte Volumenverschiebung aus dem intra- und extraaxonalen Raum in die perivaskulären Räume. Diese COVID-assoziierte Veränderung betraf praktisch das gesamte Großhirn (bzw. die supratentorielle weiße Substanz) mit einer maximalen Ausprägung in Verbindungsbahnen frontaler und parietaler Regionen. Das Ausmaß der Flüssigkeits-Umverteilung der weißen Substanz war signifikant mit den kognitiven Störungen (MoCA-Ergebnisse) assoziiert (p=0,006), aber nicht mit Störungen des Geruchssinns. Außerdem gab es eine (allerdings nicht signifikante) Assoziation zwischen Flüssigkeitsverschiebung und Interleukin-6-Spiegeln, was für eine durch die systemische Entzündungsreaktion getriggerte Störung spricht. Die Ausprägung und Lokalisation der Flüssigkeitsverschiebung korrelierten auch mit den metabolischen Mustern im 18F-FDG PET.

Reversible Ursachen?

„Zusammenfassend konnten mit der DMI-Technik bei COVID-19-Betroffenen mit subakuten neurokognitiven Symptomen ausgedehnte Volumenverschiebungen zerebraler Flüssigkeit nachgewiesen werden, die im normalen MRT nicht sichtbar sind“, kommentiert Prof. Dr. med. Peter Berlit (Essen), DGN-Generalsekretär und federführender Autor der Leitlinie „Neurologische Manifestationen bei COVID-19“. „Möglicherweise kommen dadurch weniger Signale in zugehörigen kortikalen Bereichen an, was zum verminderten Glucosestoffwechsel der Nervenzellen in der Hirnrinde und kognitiven Beeinträchtigungen führen könnte. Die Studie deutet darauf hin, dass kognitive Störungen bei COVID-19 strukturelle Ursachen im Gehirn zu haben scheinen. Prinzipiell sind diese reversibel. Hier sind nun Langzeitbeobachtungen notwendig, um den weiteren Verlauf zu beurteilen und mögliche Behandlungsstrategien zu überprüfen.“

PD Dr. med. Jonas Hosp (Freiburg), Letztautor der Studie, rät allerdings zur Vorsicht, wenn es darum geht, diese Ergebnisse auf Long-COVID zu extrapolieren: „Die Studie hat Patienten im subakuten Stadium untersucht, die aufgrund der Krankheitsschwere stationär behandelt werden mussten und durch neurologische Symptome auffällig wurden. Ob die hier festgestellten pathophysiologischen Prozesse auch für das Post-COVID-Syndrom eine Rolle spielen, muss sich erst noch zeigen. Beim Post-COVID-Syndrom ist die akute Infektion ja häufig milde und die Beschwerden treten mit einer gewissen Latenz zur Infektion auf.“

Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Juni 2022
Rau A et al., Brain 2022 Jun 9; awac045, DOI 10.1093/brain/awac045, PMID 35675908

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