Mangelernährung ist eine häufige, aber oft übersehene Komplikation bei Krebspatienten und -patientinnen, die den Verlauf und die Prognose der Erkrankung maßgeblich beeinflussen kann. Eine jetzt erschienene persische systematische Übersicht und Metaanalyse analysierte 19 qualitativ hochwertige Studien mit insgesamt 8.549 Personen und kommt zu dem Ergebnis, dass die Prävalenz schwerer Mangelernährung bei onkologischen Patienten und Patientinnen im Durchschnitt bei 19,3 % liegt (95 %-KI: 14,1-25,9 %). Diese Zahl bezieht sich explizit auf schwerwiegende Ernährungsdefizite - leichtere Formen sind deutlich häufiger.
Tumorentität, Lokalisation und Krankheitsstadium haben erheblichen Einfluss auf das Risiko einer Mangelernährung. Besonders häufig betroffen sind Patienten und Patientinnen mit Pankreaskarzinomen (80-85 %), Magenkarzinomen (65-85 %) und Tumoren im Kopf-Hals-Bereich (65-75 %). Ursachen sind unter anderem systemische Prozesse der Tumorkachexie, lokale Beeinträchtigungen wie Obstruktionen oder Malabsorption sowie therapieinduzierte Nebenwirkungen (u. a. Mukositis, Geschmacksstörungen, Appetitverlust). Hinzu kommen psychosoziale Faktoren wie Depressionen oder Fatigue, die die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren.
Die Metaanalyse zeigte mittels Metaregression einen rückläufigen Trend der Prävalenz schwerer Mangelernährung mit steigendem Alter der Studienkohorten, zunehmender Stichprobengröße und aktuelleren Publikationsjahren. Dies könnte auf eine verbesserte Sensibilisierung und Versorgung älterer Patienten und Patientinnen in den letzten Jahren hindeuten. Dennoch bleibt Mangelernährung ein substantielles Problem: Sie steht in direktem Zusammenhang mit höherer Komplikationsrate, reduzierter Therapietoleranz, verlängerter Hospitalisierung und erhöhter Mortalität. Sekundärliteratur zufolge versterben mehr als 20 % der Krebspatienten nicht primär an der Grunderkrankung, sondern an den Folgen der Mangelernährung.
Ältere Krebspatienten und -patientinnen besonders vulnerabel
Ältere Patienten und Patientinnen stellen eine besonders vulnerable Gruppe dar. In einer der in die Analyse einbezogenen Studien betrug die Mangelernährungsrate bei hospitalisierten Krebspatienten über 65 Jahren 55 %, mit einer Quote schwerer Mangelernährung von 14,6 %. Altersassoziierte Faktoren wie verminderter Geruchs- und Geschmackssinn, Kau- und Schluckbeschwerden sowie stärkere Nebenwirkungsprofile unter onkologischer Therapie verstärken das Risiko zusätzlich.
Für die klinische Praxis wird eine regelmäßige Erfassung des Ernährungsstatus empfohlen, z. B. durch validierte Tools wie das Subjective Global Assessment (SGA) oder den Nutritional Risk Score (NRS 2002). Neben individualisierten Ernährungsplänen können bei bestimmten Risikopatienten auch orale Nahrungssupplemente indiziert sein, insbesondere bei gastrointestinalen Tumoren oder ausgeprägten therapiebedingten Einschränkungen.
Die Autoren und Autorinnen betonen die Limitationen der vorhandenen Datenlage - etwa die heterogene geographische Verteilung, uneinheitliche Tumor-Kategorisierung und das Fehlen randomisierter Interventionsstudien – und fordern verstärkte Forschungsaktivitäten in Richtung standardisierter Diagnostik und therapeutischer Interventionen.
Für die (onkologische) Grundversorgung bedeuten diese Einsichten: Mangelernährung ist bei Krebspatienten und -patientinnen weit verbreitet und mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert. Frühzeitige Erkennung und gezielte Intervention sind entscheidend für den Therapieerfolg. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit - insbesondere mit onkologisch erfahrenen Ernährungsfachkräften – sollte bereits im frühen Krankheitsverlauf etabliert werden, insbesondere bei älteren Patienten und Patientinnen und solchen mit gastrointestinalen oder Kopf-Hals-Tumoren. Regelmäßiges Screening auf Ernährungsrisiken gehört zur onkologischen Basisversorgung.
Hintergrund: Malnutrition betrifft 20-30 % aller hospitalisierter Patienten und erhöht Morbidität und Mortalität, auch in Deutschland. Eine aktuelle Online-Umfrage unter 182 Chefärzt:innen deutscher Akutkrankenhäuser zeigte, dass das Problem in Kliniken mit Ernährungsteams und häufigerem Screening deutlich geringer ist. In Häusern ohne Teams fehlen häufig standardisierte Abläufe, u. a. wegen Personalmangel (DOI: 10.1055/a-2382-7651).
Hosseini SM et al.: Prevalence of severe malnutrition in cancer patients: a systematic review and meta-analysis. J Health Popul Nutr. 2025 Jul 12;44(1):252 (DOI 10.1186/s41043-025-01006-x).