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Onkologie

Leitlinie „Komplementärmedizin“ voller Zündstoff

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter Federführung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) die S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patienten erarbeitet.

Es wurden 155 Empfehlungen bzw. Statements formuliert, die nicht nur Onkologen, sondern allen Haus- und Fachärzten, die Krebsbetroffene begleiten und behandeln, wichtige Empfehlungen und Informationen zur vorliegenden Evidenz bieten soll. Auch wenn die Publikation der Leitlinie während der Sommerpause erfolgt, dürfte heftigster Widerspruch zahlreicher Interessengruppen auf dem Fuße folgen. Nicht zuletzt, da einige der 72 an der Leitlinie beteiligten Experten bislang eher als Kritiker der Komplementär- und Alternativmedizin (CAM) hervorgetreten sind.
In der S3-Leitlinie werden ausgewählte zur komplementären und alternativen Medizin zählende Methoden, Verfahren und Substanzen nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin bewertet. Allen in der Onkologie Tätigen soll damit ein „präzises Nachschlagewerk“ geschaffen werden, das es ermöglicht, Fragen von Krebsbetroffenen evidenzbasiert zu beantworten und ggf. aktiv Empfehlungen auszusprechen bzw. von konkreten Maßnahmen und Verfahren abzuraten, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Zudem zeige die umfangreiche Dokumentation in dieser Leitlinie, dass für die meisten Methoden der komplementären Medizin nur wenig wissenschaftliche Daten vorlägen. Hinzu komme, dass viele Studien nur kleine Probandenzahlen aufweisen, adäquate Vergleichsgruppen fehlen oder andere methodische Probleme bestehen würden. Dennoch spricht die Leitlinie immerhin einigen der meist adjuvant eingesetzten CAM-Konzepte eine gewisse Evidenz zu.
Das Mammutwerk mit 630 Seiten folgt ‒ zeitlich ‒ der ersten Leitlinie zur „integrativen Onkologie“ in der westlichen Welt, die von der Society for Integrative Oncology (SIO) erarbeitet und 2018 dann von der renommierten American Society of Clinical Oncology (ASCO) weitgehend übernommen wurde [1]. Die Kritik an der deutschen Leitlinie dürfte sich bereits beim Vergleich der CAM-Verfahren entzünden: In der US-Leitlinie werden Verfahren berücksichtigt, die in der deutschen Leitlinie kaum Erwähnung finden, z.B. die Musiktherapie. Die in Deutschland weit eingesetzte Misteltherapie wiederum wird in der US-Leitlinie überhaupt nicht erwähnt. Aber nicht wegen schlechter Studienlage, sondern weil es für subkutan anzuwendende Mistelpräparationen in den USA keine Zulassung der FDA gibt. Hieraus nun zu schließen, dass das ‒ neben Ginseng ‒ wohl am besten untersuchte Phytotherapeutikum Viscum album nur zur Verbesserung der Lebensqualität tauge, erscheint angesichts der Studienlage als zu kurz gegriffen. Dass die Leitlinien-Autoren ausgerechnet vor einer der am längsten von Ärzten verordneten Diäten, der ketogenen Ernährung, wegen eines möglichen Gewichtsverlustes warnen, erscheint kaum nachvollziehbar, da Adipositas ein bedeutender pathogenetischer Risikofaktor bei mehr als einem Dutzend Tumorentitäten ist [2].
Die Leitlinie ist auf dieser Webseite abrufbar: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin/ bzw. in der entsprechenden Leitlinien-App für Smartphones.

1 Lyman GH et al., J Clin Oncol; 2018
2 Tobis DK et al., Sci Rep; 2020

Pressemitteilung „Erstmals S3-Leitlinie ‚Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient*innen‘ erschienen“, Berlin, 26.07.2021

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