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Neurologie

Beim Lernen und Erinnern folgt das Gehirn einem inneren Rhythmus

6.10.2025

Ein Forschungs-Team des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Freiburg hat neue Erkenntnisse über die Gehirnprozesse gewonnen, die sich beim Speichern und Abrufen neuer Gedächtnisinhalte abspielen. Sie zeigen, dass Lernen und Erinnern nicht nur von der Aktivität einzelner Neuronen abhängen, sondern auch davon, zu welchem Zeitpunkt im Theta-Rhythmus diese Neuronen feuern.

Die Studie stützt die Vorstellung, dass das Gehirn Informationen zeitlich „taktet“ – bestimmte Phasen im Theta-Zyklus begünstigen das Encodieren, andere das Abrufen. Gleichzeitig bleibt diese zeitliche Abstimmung oft stabil über beide Zustände hinweg, was darauf hinweist, dass Lernen und Erinnern auf gemeinsamen neuronalen Grundmustern aufbauen.

„Ähnlich wie die Mitglieder in einem Orchester, die sich an einem gemeinsamen Takt orientieren, ist die Aktivität der Nervenzellen offenbar mit elektrischen Schwingungen - ein- bis zehnmal pro Sekunde – im Gehirn verknüpft. Dabei feuern die Zellen bevorzugt zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb dieser Hirnwellen, ein Phänomen namens Theta-Phasenbindung“, sagt Erstautor und Postdoktorand der Universität Bonn Dr. med. Tim Guth. Der Theta-Rhythmus ist eine langsame Hirnwellenaktivität im Bereich von etwa 4-8 Hertz (bei Menschen teils auch 1-10 Hz), die vor allem im Hippocampus und angrenzenden Regionen auftritt. Er wird mit Gedächtnisprozessen, räumlicher Orientierung und Aufmerksamkeitssteuerung in Verbindung gebracht.

Das Forschungsteam um Guth und Korrespondenzautor Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Lukas Kunz fand heraus, dass das Zusammenspiel von Nervenzellen und Hirnwellen sowohl beim Merken als auch beim Erinnern neuer Informationen aktiv ist – und zwar im medialen Schläfenlappen, einem zentralen Bereich für das menschliche Gedächtnis. In der jetzt publizierten Studie zum räumlichen Gedächtnis war die Stärke der Theta-Phasenbindung der Nervenzellen während der Gedächtnisbildung jedoch unabhängig davon, ob sich die Testpersonen später korrekt an die Gedächtnisinhalte erinnern konnten oder nicht. „Dies legt nahe, dass die Theta-Phasenbindung zwar ein generelles Phänomen des menschlichen Gedächtnissystems ist, jedoch nicht allein über das erfolgreiche Erinnern entscheidet“, sagt  Kunz, Leiter der Arbeitsgruppe „Kognitive und Translationale Neurowissenschaften“ an der Klinik für Epileptologie am UKB.

Interaktion von Nervenzellen und elektrischen Signalen

Während die meisten Nervenzellen immer um den gleichen Schwingungszeitpunkt feuerten, wechselten manche Nervenzellen spannenderweise ihren bevorzugten Taktzeitpunkt zwischen Lernen und Erinnern. „Dies unterstützt die Theorie, dass unser Gehirn Lern- und Abrufprozesse innerhalb einer Hirnwelle voneinander trennen kann, ähnlich wie Mitglieder eines Orchesters, die zu verschiedenen Taktzeitpunkten eines Musikstücks einsetzen“, sagt Guth. Die Studie liefert neue Hinweise darauf, wie Nervenzellen und elektrische Signale im Gehirn zusammenwirken, während sich neue Erinnerungen formen. Kunz resümiert: „Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte langfristig dabei helfen, Gedächtnisstörungen besser zu verstehen und gezielter zu behandeln.“

Hintergrund: Das Forschungsteam konnte das Zusammenspiel von Nervenzellen und Hirnwellen während des Gedächtnisprozesses im Rahmen der Studie beobachten, indem es eine Besonderheit der Therapie von Epilepsie nutzte. Menschen mit besonders schwer behandelbarer Epilepsie werden zur Diagnostik Elektroden im Gehirn implantiert. Damit soll der Ursprung der epileptischen Anfälle genau bestimmt werden, um bessere chirurgische Ergebnisse zu erzielen. Unter Verwendung dieser implantierten Elektroden kann aber auch die menschliche Gehirnaktivität von einzelnen Zellen aufgezeichnet werden. Die Forschenden nutzten Messungen, die am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführt wurden.

Pressemitteilung „Neue Einblicke in das menschliche Gedächtnis“. Universität Bonn, 12.8.2025 (https://www.uni-bonn.de/de/neues/147-2025).

* Guth TA et al.: Theta-phase locking of single neurons during human spatial memory. Nat Commun. 2025 Aug 11;16(1):7402 (DOI 10.1038/s41467-025-62553-9).

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