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Künstliche Intelligenz

KI-Sprachtest soll Diagnose neurodegenerativer Erkrankungen erleichtern

17.10.2022

Eine KI soll mit einfach realisierbaren Sprachtests die initiale Diagnose für schwere, neurodegenerative Erkrankungen erleichtern können. Forscher haben einen digitalen Biomarker entwickelt, anhand dessen die künstliche Intelligenz (KI) krankheitsbedingte Veränderungen im Sprachbild erkennen kann.

Im Mittelpunkt des Interesses bei dem Projekt des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) PROSA („Ein hochfrequenter PROgnostischer digitaler Sprach-Biomarker mit geringer Belastung“) stehen die Frontotemporale Demenz (FTD, Morbus Pick) und die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS, Lou-Gehrig-Syndrom). Bei der FTD sterben die Nervenzellen vor allem im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns ab – im frontalen und temporalen Lappen, der unter anderem für die Kontrolle von Emotionen und Sozialverhalten zuständig ist. Bei ALS sterben Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark ab. Beide Erkrankungen lassen sich bislang nur äußerst aufwendig diagnostizieren.

Die Sprache wird von Forschern schon länger als denkbarer Indikator für neurodegenerative Erkrankungen in Betracht gezogen. „Es gab schon früher Ansätze, in denen Wissenschaftler textuelle Faktoren ausgewertet haben: Wie komplexe Grammatik benutzten die Probanden, wie groß ist ihr Wortschatz, wie reihen sie Worte aneinander?“, erläutert Prof. Dr. Anja Schneider, Arbeitsgruppenleiterin am DZNE und Direktorin der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie am Universitätsklinikum Bonn. Dies ist jedoch eine mühsame und langsame Arbeit auf Grundlage von ausführlichen Transkripten des Gesagten. Die moderne Technik bietet jetzt neue Möglichkeiten: „Künstliche Intelligenz kann solche Analysen deutlich schneller durchführen und außerdem melodische Aspekte von Sprache mitberücksichtigen“. Schneider leitet im Rahmen des Projektes die Studie zu sprachlichen Änderungen bei FTD-Patienten, während sich ihr DZNE-Kollege Prof. Dr. Andreas Hermann auf ALS-Patienten fokussiert. An dem jetzt durch zwei US-Stiftungen (Alzheimer’s Drug Discovery Foundation, Target ALS, beide New York) mit 200.000 US-Dollar geförderten Projekt sind auch zwei private Firmen beteiligt.

Spontane Sprechweise relevant

Der Ablauf des neuen Sprachtests ist für die Patienten denkbar einfach: Sie bekommen drei offene Fragen gestellt – zu ihren Freizeitaktivitäten beispielsweise oder zu ihrem Werdegang. Denkbar sind auch freie Beschreibungen eines vorgelegten Bildes. Entscheidend ist: Die Versuchspersonen sprechen spontan drauf los. Die Künstliche Intelligenz analysiert in der Folge die Komplexität der Sprache – und berücksichtigt dabei auch Pausen zwischen den Wörtern, das Sprechtempo oder andere melodische Aspekte der Sprache. Bei ALS-Patienten, deren Atmung typischerweise durch die fortschreitende Krankheit eingeschränkt wird, kann die KI zusätzlich auch hier schon in einem sehr frühen Stadium Auffälligkeiten feststellen. „Dialekte und andere individuelle Ausprägungen der Sprache haben keinen Einfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse“, sagt Schneider. Ihre Beobachtung: „Die Künstliche Intelligenz erkennt so feine Nuancen von Sprachveränderungen, die man als normaler Zuhörer ohne technische Hilfsmittel überhaupt nicht erkennt“.

Die Bonner Forscher beziehen Daten aus zwei DZNE-Studien in die Entwicklung des Verfahrens ein: Bei Describe FTD und Describe ALS werden Patienten über einen längeren Krankheitsverlauf hinweg mit aufwendigen klinischen Untersuchungen begleitet. Einige Probanden unterziehen sich für das PROSA-Projekt darüber hinaus auch verschiedenen Sprachtestungen, die mit kognitiven Untersuchungen kombiniert werden. Dank dieser vielschichtigen Einblicke, so hoffen die Forscher, lassen sich die Sprach-Indikatoren weiterentwickeln: Wenn Aufnahmen des Gehirns und genetische Untersuchungen zeigen, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist – dann können die Wissenschaftler anhand der Sprachaufnahmen aus dem exakt gleichen Stadium des Krankheitsverlaufs feststellen, wie sich die Sprache verändert.

„Wir wollen auch Antworten auf weitere Fragen finden“, so Schneider: „Hängt die Präzision der Sprachtestung zum Beispiel mit der Tagesform der Patienten zusammen? Verschlechtert sich die Sprache im Krankheitsverlauf linear, so dass wir mit einem sprachlichen Marker nicht nur die Diagnose stellen könnten, sondern sogar Rückschlüsse darauf gewinnen würden, wie schnell die Krankheit beim jeweiligen Patienten voranschreitet?“ 100 Patienten aus der ALS-Kohorte und 100 Patienten aus der FTD-Kohorte sollen in die Studie einbezogen werden; hinzu kommen weitere Probanden für die Kontrollgruppe.

Pressemitteilung Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Oktober 2022

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