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ESMO-Kongress 2025

Potential der tumoragnostischen Krebstherapie

24.12.2025

Das Konzept einer organspezifisch unabhängigen Krebstherapie gilt weiterhin als vielversprechend, hat jedoch die frühen Erwartungen bislang nicht erfüllt. Zehn Jahre nach Einführung des Ansatzes werden die meisten Tumoren noch immer nach ihrem Ursprungsorgan behandelt, wie der Pariser Onkologe Prof. Dr. Karim Fizazi zum Abschluss des diesjährigen ESMO-Kongresses zusammenfasste. Für viele Onkologinnen und Onkologen bleibt es eben nachvollziehbarer, die biologische Spannweite innerhalb eines Organs zu verstehen („Krebs als Organ- oder Gewebeerkrankung“), als einen onkogenen Signalweg quer durch verschiedenste Tumorarten zu verfolgen („Krebs als Systemerkrankung“). Auch die größten Erfolge der Präzisionsonkologie sind bislang meist organfokussiert erzielt worden, selbst wenn sie auf dieselben molekularen Mechanismen zielen.

2017 erhielt Pembrolizumab als erste Therapie eine FDA-Zulassung unabhängig vom Gewebeursprung, für alle Tumoren mit MSI-H oder dMMR, zunächst beschleunigt und 2023 regulär bestätigt. Die Daten aus drei KEYNOTE-Studien umfassten rund 500 Patientinnen und Patienten mit mehr als 30 Tumorentitäten. Seither hat die FDA 9 weitere tumorgenagnostische Wirkstoffe genehmigt, während die EMA bislang nur wenige vergleichbare Zulassungen erteilt hat. Diese regulatorische Zurückhaltung spiegelt auch eine methodische Unsicherheit wider, da viele dieser Entscheidungen auf einarmigen, nicht randomisierten Studien mit kleinen Kollektiven beruhen. Wie groß der klinische Nutzen solcher Substanzen über verschiedene Krebsarten hinweg tatsächlich ist, bleibt schwer zu beurteilen.

Die Erfahrung mit Tumoren unbekannter Primärlokalisation zeigt exemplarisch, wie schwierig das Prinzip jenseits organbezogener Grenzen ist. Früher mit empirischer Chemotherapie behandelt, konnten molekulare Profile zwar zunehmend die biologischen Eigenschaften solcher Tumoren aufdecken, doch die klinischen Effekte blieben begrenzt. Selbst die zweite Generation von Studien mit Next-Generation-Sequencing brachte nur moderate Verbesserungen, das Einjahresüberleben stagniert um die 20 Prozent.

Gleichzeitig wächst in Forschung und Praxis das Interesse, Präzisionsmedizin breiter einzusetzen. Die regulatorischen Rahmenbedingungen halten jedoch nicht Schritt mit der Dynamik der molekularen Diagnostik. Damit die Vision einer wirklich gewebeunabhängigen Onkologie Realität werden kann, müssen Studienkonzepte flexibler werden. Neue Ideen, etwa prospektive Einarmstudien mit historischen oder sogenannten „Phantom“-Kontrollarmen, sollen die Vergleichbarkeit verbessern, ohne dass für jede Mutation ein klassisch randomisierter Ansatz nötig wäre. Ob solche Konstruktionen ausreichen, um robuste Wirksamkeitsnachweise zu liefern, ist offen.

Die Europäische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO) versucht derzeit, diese Entwicklungen in eine gemeinsame Bewertungslogik zu bringen. Das 2024 eingeführte Tumour-Agnostic Classifier and Screener-System (ETAC-S) bietet erstmals ein Raster, so Fizazi, mit dem sich das Potenzial molekular gesteuerter Therapien für ein histologieübergreifendes Vorgehen systematisch einschätzen lässt. Damit entsteht eine Grundlage, um zwischen klinischer Forschung und regulatorischer Bewertung besser zu vermitteln. Entscheidend wird sein, verbindlich festzulegen, wann ein Biomarker überhaupt als tumorgenagnostisch gelten kann - und wann nicht. Nur dann wird sich zeigen, ob die Präzisionsonkologie ihren Anspruch auf Universalität wirklich einlösen kann.

Fizazi K: Rethinking the limits of tissue-agnostic cancer therapy. ESMO daily reporter, 21 Oct 2025 (https://dailyreporter.esmo.org/esmo-congress-2025/editorial/rethinking-the-limits-of-tissue-agnostic-cancer-therapy).

* MSD Press Briefing: MSD’s Science-led Approach to Oncology Research & Development. Berlin, 19.10.2025. Im Rahmen des ESMO-Kongress 2025, Berlin, 17.-20.10.2025.

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